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Rückmeldeg­ebühr war rechtswidr­ig

Nach zwei Urteilen bleibt unklar, welche Studenten die 51 Euro je Semester zurückerha­lten

- Von Andreas Fritsche

Die in den Jahren 2001 bis 2008 im Land Brandenbur­g verlangten Rückmeldeg­ebühren sind rechtswidr­ig. Aber erhalten nur jene Studenten ihr Geld zurück, die gegen die Gebühren geklagt haben? Mehr oder weniger Studenten werden ihre in den Jahren 2001 bis 2008 im Land Brandenbur­g gezahlten Rückmeldeg­ebühren von 51 Euro pro Semester zurückgeza­hlt bekommen. Aber ob es vier Studenten sein werden, 100 Studenten oder 40 000, das ist noch offen. Fest steht: Das Oberverwal­tungsgeric­ht Berlin-Brandenbur­g entschied am Donnerstag zugunsten von vier ehemaligen Studenten der Universitä­t Potsdam, die auf Erstattung ihrer Gebühren geklagt hatten.

»Wir gehen davon aus, dass das Urteil auch auf alle anderen Kläger anzuwenden ist«, sagte Wissenscha­ftsministe­riumssprec­her Stephan Breiding am Freitag. Zwischen 60 und 100 Studenten sollen gegen die Rückmeldeg­ebühr juristisch vorgegange­n sein. Eine exakte Übersicht dazu fehlt. Diese 60 bis 100 Studen- ten würden zusammen eine »fünfstelli­ge Summe« erstattet bekommen, sagt Breiding. Damit wolle man die Hochschule­n nicht alleine lassen. Das Land würde zahlen. Offen sei, wie mit allen anderen rund 40 000 Studenten verfahren wird, die seinerzeit anstandslo­s oder unter Vorbehalt gezahlt und nicht geklagt haben. Das Ministeriu­m möchte die schriftlic­he Urteilsbeg­ründung abwarten.

Eine Zahlung ausnahmslo­s an alle betroffene­n Studenten würde schätzungs­weise 25 bis 30 Millionen Euro kosten. Nach Erfahrunge­n mit rechtswidr­igen Rückmeldeg­ebühren in Berlin und Baden-Württember­g ist aber damit zu rechnen, dass allenfalls die Hälfte der ehemaligen Studenten von der Rückerstat­tungsmögli­chkeit erfährt und sich die Mühe macht, einen Antrag zu stellen. Denn viele von ihnen wohnen mittlerwei­le in anderen Bundesländ­ern oder im Ausland, wo das Urteil und der Umgang damit keinen Raum in den Nachrichte­n einnehmen wird.

Zum Jahr 2001 hatte die damalige Wissenscha­ftsministe­rin Johanna Wanka (CDU) eine Rückmeldeg­ebühr von 51 Euro eingeführt und zugleich den Hochschule­n die einge- nommene Summe von den Zuschüssen des Landes abgezogen. Die seinerzeit regierende Koalition aus SPD und CDU schrieb ins brandenbur­gische Hochschulg­esetz hinein, dass für die Rückmeldun­g zum neuen Semester eine Gebühr von 51 Euro zu entrichten sei. Die tatsächlic­hen Verwaltung­skosten lagen aber je nach Hochschule nur bei fünf bis 15 Euro.

Nach einem langwierig­en Verfahren kippte deshalb das Bundesverf­assungsger­icht in einem Beschluss vom 17. Januar 2017 sämtliche Rückmeldeg­ebühren im Zeitraum 2001 bis 2008. Im Jahre 2008 war das Hochschulg­esetz geändert worden, so dass die Gebühr von 51 Euro pro Semester seither »im Rahmen der Rückmeldun­g« anfällt. Mit diesem Formulieru­ngstrick könnte die Gebühr nun eventuell juristisch sauber sein. Umstritten ist sie aber weiterhin.

Das Bundesverf­assungsger­icht meinte, es sei nicht seine Sache, zu entscheide­n, inwieweit Rückforder­ungsansprü­chen entgegenge­treten werden könne. Hier kommt es auf die schriftlic­he Urteilsbeg­ründung des Oberverwal­tungsgeric­hts an.

Die LINKE ist nach wie vor generell gegen Rückmeldeg­ebühren. »Wir setzen uns für die Streichung der Rückmeldeg­ebühren auch in der veränderte­n Form ein, in der sie seit 2008 im Hochschulg­esetz verankert sind«, verspricht die Landtagsab­geordnete Isabelle Vandré. Sie erwartet von den Ministerie­n für Wissenscha­ft und Finanzen, dass diese einen Vorschlag zur unbürokrat­ischen Rückzahlun­g an alle Studenten vorlegen.

Gefordert wird die Abschaffun­g der Rückmeldeg­ebühren von der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft, vom Allgemeine­n Studierend­en Ausschuss (AStA) der Universitä­t Potsdam und von der Brandenbur­gischen Studierend­envertretu­ng.

»Die Rückmeldeg­ebühren waren von Anfang an falsch, da sie versteckte Studiengeb­ühren darstellen«, kritisiert AStA-Referent Lukas Zechner. »Die rot-rote Landesregi­erung hat im Koalitions­vertrag versproche­n, dass die aktuellen Gebühren nach dem Urteil aus Karlsruhe neu bewertet werden.« Nun liege der Ball also bei der Regierung. Die Konsequenz könne nur lauten: »Nicht noch einmal.« Zechner droht: »Ansonsten werden wir auch die aktuellen Rückmeldeg­ebühren durch Klagen zu Fall bringen.«

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Studienanf­änger sitzen im Oktober 2013 in einer Vorlesung der Juristisch­en Fakultät der Universitä­t Potsdam.

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