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Juncker will EU wieder europäisch machen

Rede zur Lage der Union: Kommission­schef fordert Ausweitung von Staatenbun­des und Währungsun­ion

- Von Nelli Tügel Mit Agenturen

Am Mittwoch hielt der EU-Kommission­schef in Straßburg seine jährliche Rede zur Lage der Union. Diese sieht Juncker auf einem guten Weg.

Was in den Vereinigte­n Staaten von Amerika eine alte Tradition ist, gibt es in der Europäisch­en Union erst seit drei Jahren: Die State of the Union Adress – die jährliche Grundsatzr­ede zur Lage der Union. Der amtierende EUKommissi­onspräside­nt, JeanClaude Juncker, hatte sie 2015 eingeführt.

Am Mittwoch hielt Juncker die diesjährig­e Grundsatza­nsprache vor dem Europäisch­en Parlament in Straßburg. Es war ein Blumenstra­uß an Themen, den er dort präsentier­te, darunter Wirtschaft und Währungsun­ion, Verteidigu­ng, Klimaschut­z, Migration und das Verhältnis zur Türkei. Eurozone und Schengenra­um sollen, so Juncker, wachsen. Ebenso die EU selbst, die bis 2025 30 Mitgliedss­taaten umfassen solle.

Darüber hinaus zeichnete der ehemalige luxemburgi­sche Premiermin­ister das Bild einer EU, die sich in die richtige Richtung entwickele. »Zehn Jahre nach Ausbruch der Krise lebt die europäisch­e Wirtschaft endlich wieder auf. Und damit auch unsere Zuversicht und unser Vertrauen«, sagte Juncker. Die Staats- und Regierungs­chefs der EU-27 – also aller EU-Staaten außer Großbritan­nien –, das Parlament und die Kommission würden die Union »wieder europäisch machen«.

Kritik gab es im Anschluss an seine Rede unter anderem daran, dass Juncker Zerwürfnis­se innerhalb der EU nicht offen dargestell­t habe und wichtige Fragen nicht ausreichen­d berücksich­tigt worden seien. »Beim wichtigste­n Thema – der europäisch­en Sozialpoli­tik – hat der Kommission­spräsident leider herzlich wenig ge- sagt«, erklärte Jens Geier, Vorsitzend­er der Europa-SPD. Cornelia Ernst, Sprecherin der Delegation der Linken im EU-Parlament, sagte, Juncker bekräftige das Streben nach einer Europäisch­en Verteidigu­ngsunion und einer Auf- klärungsei­nheit zur verstärkte­n Terrorismu­sbekämpfun­g, bliebe aber »in Fragen der Armutsbekä­mpfung, der Kürzungsdi­ktate oder des sozialen Ausgleichs« vieles schuldig.

Die deutsche Bundesregi­erung erklärte, sie begrüße, »dass sich der Kommission­spräsident in sei- ner Rede zur Lage der Union mit wichtigen Fragen der Zukunft der EU und mit den Prioritäte­n der Europäisch­en Union befasst hat.«

Sahra Wagenknech­t, Spitzenkan­didatin der Linksparte­i für die Bundestags­wahlen, meinte hingegen, Juncker scheine »von allen guten Geistern verlassen zu sein.« Bereits jetzt zerstöre die Währungsun­ion in vielen Ländern Industrie und Arbeitsplä­tze, sagte Wagenknech­t.

Kritik wurde auch an Junckers Vorschlag geäußert, den Schengenra­um auszuweite­n. So erklärte der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann von der CSU, »auf Kosten der Sicherheit der deutschen Bevölkerun­g darf der Schengen-Raum keinesfall­s größer werden«. Herrmann befand, schon jetzt gebe es SchengenSt­aaten wie etwa Griechenla­nd, »die nicht in der Lage und willens« seien, ihre Außengrenz­en »ordentlich zu schützen«.

»Juncker scheint von allen guten Geistern verlassen zu sein.« Sahra Wagenknech­t, Spitzenkan­didatin der Linksparte­i

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