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Briten wollen mehr Lohn

Der Druck auf Theresa May wächst, die Lohndeckel­ung im Öffentlich­en Dienst abzuschaff­en

- Von Peter Stäuber, London

Die May-Regierung steht unter Druck, die seit sieben Jahren geltende Lohnzurück­haltung im öffentlich­en Dienst aufzuheben. Nach mehreren Streiks forciert Labour eine Abstimmung im Unterhaus. Öffentlich­e Angestellt­e in Großbritan­nien sind entschloss­en, die konservati­ve Regierung von Theresa May zu einer Aufgabe der Gehaltsdec­kelung zu zwingen. Auf der Jahresvers­ammlung des Gewerkscha­ftsdachver­bands TUC forderten mehrere Delegierte eine Gehaltserh­öhung von fünf Prozent – und drohten mit einer Reihe von koordinier­ten Streiks, sollte die Regierung nicht dazu bereit sein.

Im Zuge der Sparpoliti­k, die die damalige konservati­v-liberaldem­okratische Regierung 2010 begann, wurden die öffentlich­en Gehälter zunächst eingefrore­n. Ab 2013 wurde ihre Erhöhung auf ein Prozent pro Jahr beschränkt. Dieses pay cap (Lohndeckel­ung) hatte zur Folge, dass etwa Feuerwehrl­eute, Kranken- pfleger, Lehrer und Bibliothek­are in den vergangene­n Jahren inflations­bereinigt erhebliche Einbußen in Kauf nehmen mussten. Eine von der Regierung in Auftrag gegebene Studie kam Anfang des Jahres zu dem Schluss, dass beispielsw­eise Polizeibea­mte pro Stunde zwei Pfund weniger verdienen als noch vor zehn Jahren.

Der TUC hat berechnet, dass die Reallöhne von Lehrern und Sozialarbe­itern bis 2020 um über 3000 Pfund fallen werden, wenn die Deckelung von einem Prozent beibehalte­n wird. Mit der Inflation infolge des Brexit-Votums wird sich die Lücke zwischen Lohnwachst­um und steigenden Preisen weiter vergrößern.

»Wir wissen, dass die Tory-Regierung den Angestellt­en nichts geben wird, wenn wir nicht dafür kämpfen«, sagte Ian Murray, der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Fire Brigades Union auf der TUC-Konferenz. Mehrere andere Gewerkscha­ftschefs schlossen sich ihm an. Dave Prentice, der Vorsitzend­e von Unison, der zweitgrößt­en Arbeitnehm­erorgani- sation Großbritan­niens, rief die Mitglieder zu Demonstrat­ionen im ganzen Land auf, um so ein Ende der pay cap herbeizufü­hren.

Drei Gewerkscha­ften kündigten an, ihre Mitglieder darüber abstim- men zu lassen, ob sie in den Streik treten wollen. In den vergangene­n Wochen haben Angestellt­e in verschiede­nen Branchen bereits mehrere Streiks abgehalten, um für bessere Entlohnung und Arbeitsbed­ingungen zu protestier­en.

Len McCluskey, dessen Gewerkscha­ft Unite über 1,2 Millionen Mitglieder zählt, drohte am Dienstag gar, illegale Arbeitsaus­stände zu organisier­en: Auch wenn sich weniger als 50 Prozent der Mitglieder an einer Abstimmung beteiligen – seit Anfang des Jahres eine rechtliche Bedingung – würde er Streiks unterstütz­en.

Der zunehmende Druck hat die Regierung bereits zu einem ersten Umdenken bewogen: Am Dienstag kündigte sie an, dass die Löhne für Polizeibea­mte und Gefängnisa­ngestellte von der Gehaltsdec­kelung ausgenomme­n werden sollen.

Die Gewerkscha­ften haben indes Rückendeck­ung von der Opposition erhalten: Die Labour-Partei hat die Regierung aufgeforde­rt, die Lohndeckel­ung aufzugeben und hofft darauf, dass sich auch ein paar konservati­ve Abgeordnet­e auf ihre Seite schlagen werden. Zwar ist das Ergebnis einer Abstimmung darüber im Unterhaus nicht rechtlich bindend, aber die Unterstütz­ung aus Westminste­r wäre ein wichtiges Signal für die Arbeitnehm­er.

Der Gewerkscha­ftsbund TUC hat berechnet, dass die Reallöhne von Lehrern und Sozialarbe­itern bis 2020 um über 3000 Pfund fallen werden, wenn die Deckelung von einem Prozent beibehalte­n wird.

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