Tod und Spiele
Doron Rabinovici lässt »Die Außerirdischen« auf der Erde landen
Was würde passieren, wenn eines Tages plötzlich Außerirdische auf der Erde landeten? Diese phantastische Vorstellung ist eine immer wiederkehrende Grundkonstellation in der ScienceFiction. Im schlimmsten Fall kann daraus der imperiale Vernichtungskrieg durch die Marsianer werden, wie ihn H. G. Wells schon 1898 in »Krieg der Welten« in Szene setzte. Oder der freundliche Extraterrestrische versucht, globalen Frieden zu stiften wie im Film »Der Tag, an dem die Erde stillstand«. Die Ankunft geheimnisvoller Aliens spielt nun auch der österreichische Schriftsteller Doron Rabinovici in seinem Roman »Die Außerirdischen« durch. Wobei der 1961 in Tel Aviv geborene, seit 1964 in Wien lebende Autor sich weniger für die Aliens an sich interessiert als vielmehr für die Reaktionen der Menschen auf dieses unerhörte Ereignis.
Im Zentrum des Romans steht der Journalist Sol, der bei einem kleinen Gastro-Onlineportal arbeitet. Zusam- men mit seiner Frau Astrid verfolgt er, verblüfft wie viele andere Menschen, die Ankunft der Außerirdischen. Zu sehen bekommt die Aliens erst keiner, auch wenn die Medien eines Abends plötzlich über nichts anderes mehr berichten. Die ersten Reaktionen sind vorhersehbar: Es kommt zu Panikkäufen und Ausschreitungen, aber bald beruhigt sich die Lage. Schließlich geben die Au- ßerirdischen, die überraschenderweise aussehen wie Menschen, ganz artig eine Pressekonferenz, auf der sie erklären, niemandem schaden zu wollen.
Die Aussicht, Teil einer intergalaktischen Gemeinschaft zu sein, führt bald zu einer boomenden Wirtschaft. Sogenannte Exobilien werden gehandelt, Optionen auf Eigentum in den Weiten des Weltraums. Neue Technologien, Gesundheit und Frieden für alle scheinen plötzlich zum Greifen nahe. Die Sache hat nur einen Haken: Die Außerirdischen fordern regelmäßig einige wenige Freiwillige, die sich opfern und ihnen als Nahrung dienen.
Rabinovici schildert, wie sich die anfängliche Massenhysterie, medial kanalisiert, langsam in Begeisterung verwandelt. Sein bildungsbürgerlicher intellektueller Held Sol steht dem Ganzen skeptisch gegenüber, auch wenn er selbst bei dem Sender arbeitet, der Reality-Dokus und Ausscheidungskämpfe im Stil einer BigBrother-Show inszeniert, um Freiwillige für die Außerirdischen zu finden. Trotz des drohenden Todes wollen viele »Champs« werden, wie man die Teilnehmer dieser Spiele nennt. Aber wer es nicht ins Finale schafft, wird den Aliens als Nahrung zur Verfügung gestellt.
Im Lauf der Zeit zweifelt Sol immer mehr an dem, was er tut. Als sich dann auch noch Widerstand regt und es zu Aufständen und sogar zu terroristischen Attentaten kommt, gerät Sol plötzlich in die nachfolgende Repressionswelle und landet in einem Internierungslager als potenzielles Futter für die Außerirdischen.
Doron Rabinovici erzählt in seinem Roman von einer plötzlichen krisenhaften Verschiebung gesellschaftlicher Verhältnisse. Das lässt sich ebenso als Allegorie auf eine nachhaltige politische und wirtschaftliche Krise wie auf den Vormarsch der neuen Rechten lesen, die alle bisher gültigen Werte mittels einer absurden Ideologie über den Haufen werfen wollen. Das verstörende an Rabinovicis Roman ist die Heftigkeit, mit der er diesen Vorgang erzählt. Denn wenn sich »Die Außerirdischen« auch eine ganze Weile wie eine witzige Satire liest, die langsam immer bitterböser wird, nimmt der Text bald eine überraschend drastische Wendung und führt den Leser schließlich in einen beängstigenden literarischen Albtraum. Das macht den Roman zu einem hochaktuellen Buch, das trotz seiner phantastischen Elemente viel über unseren politischen und gesellschaftlichen Alltag erzählt.
Doron Rabinovici: Die Außerirdischen. Roman. Suhrkamp, 255 S., geb., 22 €.