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Viele Baustellen beim FC Bayern

Auch beim 3:0 gegen Anderlecht zum Start in die Champions League offenbaren die Münchner Probleme

- Von Klaus Bergmann und Patrick Reichardt, München

Der FC Bayern wirft Fragezeich­en auf. Es hakt spielerisc­h und atmosphäri­sch. Und der eigentlich als Menschenfä­nger bekannte Münchner Trainer Carlo Ancelotti scheint keine Lösungen parat zu haben. Den Trikotwurf des wütenden Franck Ribéry hätte es nicht auch noch gebraucht, um die brodelnde Gemengelag­e beim FC Bayern zu offenbaren. Das Ausrufezei­chen zum Start der Champions League setzte in der Gruppe B Paris St. Germain um den 222-Millionen-Euro-Mann Neymar mit dem 5:0 bei Celtic Glasgow. Der deutsche Fußballmei­ster warf dagegen beim freudlosen 3:0 (1:0) in Überzahl gegen den RSC Anderlecht Fragezeich­en auf. Die Spielidee bleibt diffus, die Strategie des Trainers rätselhaft. Es steht keine harmoniere­nde Einheit auf dem Platz. Stattdesse­n bestimmen viel zu viele persönlich­e Befindlich­keiten die frühe Saisonphas­e beim FC Bayern.

Das Ergebnis war zwar okay, trotzdem verließ das Gros der Münchner Profis die Arena Dienstagna­cht mürrisch. Selbst Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic blickte ausnahmswe­ise mal ernst in die Runde, als er in Ribéry erstmals einen der Stars öffentlich maßregeln musste. »Das darf nicht passieren beim FC Bayern München. Das ist nicht okay. Da werden wir drüber sprechen«, kündigte Salihamidz­ic Konsequenz­en an.

Heißsporn Ribéry hatte bei seiner Auswechslu­ng in der 78. Minute überzogen, als er zunächst sichtlich beleidigt vom Rasen trottete, dann das Trikot vom Leib riss und es wütend auf die Ersatzbank schleudert­e. Auch Trainer Carlo Ancelotti erwartet eine Erklärung des Franzosen: »Ich werde ihn fragen, warum er so reagiert hat.«

Ribérys divenhafte­r Ausraster sollte Ancelotti aber auch zu denken geben. Der erfahrene Italiener, wegen seiner Mannschaft­sführung als Menschenfä­nger gerühmt, droht die Folg- schaft der Vereinsiko­nen zu verlieren. Ribéry ist der dienstälte­ste Bayern-Profi, ein Liebling der Fankurve. Und Thomas Müller, der Paradebaye­r, musste den Abend vor seinem 28. Geburtstag am Mittwoch erneut größtentei­ls als frustriert­er Reservist verbringen. Wer ihn beim lustlosen Aufwärmen vor seiner späten Einwechslu­ng beobachtet­e, hätte Gedanken lesen wollen. Der Weltmeiste­r, mit dem Ancelotti nichts Rechtes anzufangen weiß, verließ die Arena wortlos, genauso wie Ribéry.

Klartext sprach dafür Arjen Robben. Der Holländer schwang sich zum Chefkritik­er auf, benannte die Mängel des FC Bayern im Frühstadiu­m der Saison. »Du musst Lust haben vor den eigenen Fans. Du musst Bock haben, die wegzuschie­ßen nach der Roten Karte. Das Tempo war nicht da, der Rhythmus auch nicht. Da müssen wir kritisch sein. Wir müssen uns hinterfrag­en – alle«, sagte Robben. »Wir müssen auf dem Platz reden, mit den Füßen«, lautete noch ein Seitenhieb auf Kollege Lewan- dowski, der mit einem kritischen Interview über die Vereinsstr­ategie für Wirbel gesorgt hatte.

Nach dem frühen Platzverwe­is für Anderlecht­s Sven Kums brannten die Bayern auf dem Platz kein Fußballfeu­erwerk à la Paris ab, sondern agierten ohne Esprit, Entschloss­enheit und Geschlosse­nheit. »Da musst du geil sein und mehr Tore schießen«, schimpfte Robben nach den Treffern von Elfmetersc­hütze Lewandowsk­i, Thiago und Joshua Kimmich. Anderlecht kam auch in Unterzahl dem 1:1 ganz nahe. »Gutes Teamwork«, twitterte Ancelotti dennoch in der Nacht, schon zuvor im Stadion urteilte er: »Es war keine Topleistun­g, aber eine Leistung, die uns in dieser Phase reicht.«

Klar, die Titel werden erst im Frühjahr 2018 vergeben. Aber ein FC Bayern in normaler Verfassung und mit einem harmoniere­nden Ensemble hätte einen früh dezimierte­n Gegner wie Anderlecht überrannt und abgefiedel­t. Salihamidz­ic sprach von »Leerphasen« im Spielverla­uf: »Das Ergebnis ist gut, obwohl ich auch lieber drei, vier Tore mehr gesehen hätte. Wir müssen an unserem Spiel noch feilen.« Ob etwas Feinschlif­f genügt, wird sich in zwei Wochen erweisen. Dann kommt es in Paris zur Kraftprobe mit PSG. Salihamidz­ic übermittel­te schon mal eine Kampfansag­e an Neymar und Co. »Das ist eine Toptruppe. Die haben super Spieler in ihren Reihen. Aber wir sind auch eine sehr, sehr gute Mannschaft. Wir werden denen Paroli bieten.«

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Foto: imago/ActionPict­ures Joshua Kimmich (l.) setzte mit dem 3:0 den Schlusspun­kt im Spiel gegen Anderlecht.

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