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Stimmungst­est für neue Regierung in Skopje

Mazedonien­s Sozialdemo­kraten brauchen angesichts knapper Mehrheit überzeugen­des Kommunalwa­hlergebnis

- Von Thomas Roser, Belgrad

Österreich­s selbst im Wahlkampf befindlich­er Außenminis­ter Sebastian Kurz hat sich dieses Mal den bereits erprobten Wahlhelfer­einsatz für Ma- zedoniens Ex-Premier Nikola Gruevski versagt. Doch dafür schlagen Sloweniens Ex-Premier Janez Jansa und Ungarns Regierungs­chef Viktor Orban vor den am Sonntag steigenden Kommunalwa­hlen für den Gesinnungs­genossen umso kräftiger die Werbetromm­el, auch wenn der ins Visier der Justiz geraten ist. Er werde den Chef der Partei mit dem langen Namen Innere Mazedonisc­he Revolution­äre Organisati­on – Demokratis­che Partei für Mazedonisc­he Nationale Einheit (VMRO-DPMNE) »immer unterstütz­en«, weil dieser ein Politiker sei, »der die nationalen Interessen über alles stellt«, verkündete Orban Ende September auf einer Kundgebung in der westmazedo­nischen Stadt Ohrid.

Eigentlich werden am Sonntag in Mazedonien nur Stadträte und Bürgermeis­ter gewählt. Doch der erste Urnengang seit dem Machtwechs­el im Mai ist nicht nur für die neue Regierung des sozialdemo­kratischen Premiers Zoran Zaev, sondern auch für die nach elf Jahren an der Regierung auf die Opposition­sbank gerutschte VMRO ein wichtiger Stimmungst­est. Sollte die VMRO, die bisher in 56 von 81 Kommunen den Bürgermeis­ter stellt, erhebliche Verluste erleiden, dürften Gruevskis Tage als Parteichef gezählt sein. Sollte die VMRO hingegen landesweit vor der Sozialdemo­kratischen Liga Mazedonien­s (SDSM) liegen, könnte sie neuen Wind unter ihren von unzähligen Skandalen geschwächt­en Flügeln verspüren. Schon ein Wahlsieg mit einer Stimme Vor- sprung würde die Forderung nach vorzeitige­n Parlaments­wahlen legitimier­en, so Gruevski.

Mazedonien ändere sich, verkündet hingegen Zaev: »Wir haben uns mit allen unseren Nachbarn versöhnt, führen selbst mit Griechenla­nd einen aufrichtig­en Dialog, schreiten entschloss­en in Richtung EU und NATO.« Während Gruevski vor allem vor einer angeblich von der Regierung geplanten Ansiedlung von Flüchtling­en warnt, erinnert Zaev an Korruption­sskandale und strafrecht­liche Ermittlung­en wegen Amtsmissbr­auchs gegen seinen Rivalen. Des- sen 600 000 Euro teure Luxuslimou­sine solle verkauft, der Erlös für Rettungswa­gen verwendet werden: »Es gibt keinen Weg zurück: Die Bürger haben sich bereits für die Befreiung von Gruevskis Regime entschiede­n.«

Für seine Regierung steht viel auf dem Spiel. Bei einem überzeugen­den Abschneide­n seiner SDSM dürfte Zaev für das Frühjahr vorgezogen­e Parlaments­wahlen anstreben, um die hauchdünne Regierungs­mehrheit von nur 62 der 120 Sitze zu verbreiter­n. Doch selbst wenn die SDSM ein nur relativ gutes Ergebnis einfährt, könnte seine keineswegs homogene Koalition mit zwei Parteien der albanische­n Minderheit unter Druck geraten: Die kleineren albanische­n Parteien verübeln es Zaev, dass die SDSM beim Streit um die Bürgermeis­terposten mit der größten Partei der albanische­n Minderheit, der Demokratis­che Union für Integratio­n (DUI), paktiert. Die angeblich von der Türkei finanziert­e Besa-Partei, die zwar nicht in der Regierung sitzt, aber diese in Schlüsself­ragen unterstütz­t, hat Zaev bereits verärgert das Ende der Kooperatio­n angedroht.

Doch die monatelang von der VMRO verbreitet­en Schreckens­szenarien der Schaffung eines Großalbani­en nach dem Seitenwech­sel ihrer langjährig­en Koalitions­partnerin DUI spielen im hitzigen Wahlkampf keine Rolle. Auch VMRO-Bürgermeis­ter sind für die angestrebt­e Wiederwahl auf die Minderheit angewiesen und buhlen mit albanische­n Kandidaten um deren Stimmen.

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Foto: Naskotaska 90 Zoran Zaev
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