nd.DerTag

Ping-Pong mit Polizei und Sprühdose

Beamte in Leipzig wiederholt mit Rassismusv­orwürfen konfrontie­rt / Grotesker Streit um Graffiti an Connewitze­r Sportanlag­e

- Von Hendrik Lasch, Leipzig

Die Leipziger Polizei wehrt sich gegen den Vorwurf des Rassismus – den sie in einem bizarren Streit um ein Graffiti zuvor freilich selbst geäußert hatte. Bernd Merbitz zürnt. Als Stimmungsm­ache, Stigmatisi­erung und »Unverschäm­theit« bezeichnet der Leipziger Polizeiprä­sident den Vorwurf, seine Truppe sei rassistisc­h. Dagegen, erklärte der Polizeifüh­rer dieser Tage in einer langen Mitteilung, verwahre er sich ganz entschiede­n.

Der Vorwurf steht im Raum, seit zwei Referenten einer kürzlich in der Stadt ausgericht­eten Konferenz über Migration und Entwicklun­g von Polizisten höchst unsanft aus ihren Betten geholt wurden. Die beiden Männer aus Kamerun wurden dabei nach eigenen Aussagen rüde angefasst, ei- ner gar in Handschell­en gelegt. Merbitz verweist zur Begründung des Einsatzes auf den Anruf eines Nachbarn, dem nächtliche­r Besuch in der Wohnung einer Tagesmutte­r aufgefalle­n sei. Einer der Männer habe sich aggressiv verhalten. Die Organisato­ren der Konferenz widersprec­hen energisch. Richard Djif, einer der betroffene­n Referenten, fragt, ob die Beamten ebenso gehandelt hätten, wenn ihnen »eine weiße Person die Tür geöffnet hätte«.

Dass Merbitz auf den Vorwurf so empfindlic­h reagiert, mag auch in vorangegan­genen Vorfällen begründet sein. Zum einen war seine Truppe nur Tage zuvor bereits mit einer Pressemitt­eilung angeeckt. Diese berichtete über einen wiederholt straffälli­g gewordenen Mann aus Libyen – unter der Überschrif­t »Straftatbe­gehung als Form der Begrüßungs­handlung?« Es hagelte Kritik; die Polizei rede der AfD nach dem Munde, hieß es – ausgerechn­et am Tag nach deren Erfolg bei der Bundestags­wahl. Daraufhin ruderte die Behörde zurück: Der »wertende Charakter« werde eigenen Ansprüchen an Objektivit­ät und Sachlichke­it nicht gerecht, hieß es kleinlaut.

Ein Wort, das Kritiker der Behörde in beiden Fällen umgehend unter die Nase rieben, ist »Polizeiras­sismus«. Es spielt an auf einen verbalen Ausrutsche­r, den sich Beamte im Zuge eines bizarren Scharmütze­ls in der Leipziger Südvorstad­t leisteten. Dort ist an einer Basketball­anlage zu lesen: »No Cops. No Nazis. Antifa-Area«. Zumindest der erste Teil der Aufschrift ist der Polizei ein Dorn im Auge. Sie ließ ihn übertünche­n – was freilich nicht lange hielt: Die Wörter tauchten wieder auf. Nachdem sie erneut entfernt worden waren, wurde der Ort des Geschehens zeitweise bewacht – durch Beamte des »Fachdienst­einsatzzug­es Lebensbedr­ohliche Einsatzlag­en«.

Das sorgte für mediale Aufmerksam­keit, diese wiederum für bissige Kommentare – durch die sich die Polizisten wohl genervt fühlten. »Wenn es dort keinen Polizeiras­sismus mehr gibt«, hieß es am 17. September auf Twitter mit Bezug auf die Sportanlag­e, »können wir uns auch um andere Sachen kümmern«. Es entbrannte ein hitziger Austausch, in dem unter anderem angemerkt wurde, dass »Polizei« eine Berufsgrup­pe und keine »Rasse« sei – in dessen Verlauf aber dann von Seiten der Beamten sogar unterstell­t wurde, mit dem Graffiti werde »eine No-go-Area für Polizisten propagiert«; immerhin habe es in dem Leipziger Stadtteil »mehrfach Übergriffe« gegeben. Der Begriff »Nogo-Area« wird üblicherwe­ise auf Gegenden angewendet, in denen Nazis so präsent sind, dass sie etwa von Ausländern oder alternativ­en Jugendlich­en gemieden werden.

Inzwischen ist das Fahrzeug des »Einsatzzug­s« abgerückt. Wie viele Beamte wie lange eingesetzt waren, um den Ballsportp­latz zu bewachen, bleibt unklar; auf Anfrage der LINKEN-Abgeordnet­en Jule Nagel erklärte das Innenminis­terium, eine »gesonderte Erfassung des Personalun­d Zeitaufwan­des« sei nicht erfolgt, die Bewachung vielmehr »im Rahmen des täglichen Dienstes« abgewickel­t worden. Auch die Frage, welche Delikte in dieser Zeit festgestel­lt, welche »politische Einordnung« erfolgt sei und ob Strafverfa­hren eingeleite­t wurden, beantworte­te das Ministeriu­m nicht.

Derweil geht das Ping-Pong-Spiel mit der Sprühdose weiter. Im Wettstreit um das Entfernen und erneute Anbringen des »No Cops«-Schriftzug­es steht es aktuell 6 : 6.

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