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Warten auf den Bus hat kein Ende

Nach Spitzenges­präch zur Anbindung von Sachsenhau­sen soll es nur neue Expertisen geben

- Von Andreas Fritsche

Trotz eindeutige­r Bedarfsana­lyse gibt es keinen Durchbruch für einen Shuttlever­kehr zur KZ-Gedenkstät­te Sachsenhau­sen. Das Untersuchu­ngsergebni­s von Klaus-Martin Melzer und Martin Lehnert ist an Eindeutigk­eit nicht mehr zu überbieten. Die Professore­n für Verkehrste­chnik an der Technische­n Hochschule Wildau haben mit der Hilfe von sechs Studenten aufwendig den Bedarf für die Busanbindu­ng der KZ-Gedenkstät­te Sachsenhau­sen analysiert.

Melzer hatte die Analyse am vergangene­n Freitag vorgestell­t. Es gab im Vorfeld ein großes Medieninte­resse. Mehrere Zeitungen wollten ihre Redakteure zu dem Termin entsenden und auch der Fernsehsen­der rbb hatte sich dem vernehmen nach bei der Stiftung brandenbur­gische Gedenkstät­ten mit einem Kamerateam angesagt. Wegen des Orkans am Donnerstag­abend blieben die Journalist­en allerdings bis auf eine Ausnahme notgedrung­en weg und berichtete­n nur anhand der schriftlic­hen Pressemitt­eilung. Verpasst haben die Kollegen damit die sehr überzeugen­de Präsentati­on von Professor Melzer. Die klare Aussage des Experten: Die KZ-Gedenkstät­te Dachau beispielsw­eise sei fünfmal besser an den öffentlich­en Personenna­hverkehr angebunden. Vom Bahnhof Oranienbur­g zur Gedenkstät­te Sachsenhau­sen müssten unbedingt viel mehr Busse fahren, am besten wäre ein Shuttlever­kehr im 20-Minuten-Takt, so die Empfehlung. Nach Ansicht von Melzer könnte dies kurzfristi­g bereits im kommenden Jahr realisiert werden.

Stiftungsd­irektor Günter Morsch konnte sich noch am Freitag gar nichts anderes vorstellen, als dass nach dieser sonnenklar­en Bedarfsana­lyse eine Lösung gefunden wird. Doch ein Spitzenges­präch am Mittwoch im Kulturmini­sterium brachte keinen Durchbruch, stattdesse­n eine erneute Verzögerun­g. Denn zunächst einmal »sollen nun verschiede­ne Varianten planerisch näher untersucht werden«, heißt es in einer am Mittwochab­end verbreitet­en gemeinsame­n Erklärung von Kulturress­ort, Stiftung, Landkreis Oberhavel und Stadt Oranienbur­g.

Sachsenhau­sen sei inzwischen nach Auschwitz und Dachau die KZGedenkst­ätte mit den meisten Besuchern, betont Direktor Morsch. Mehr als 700 000 Menschen aus aller Welt sind im vergangene­n Jahr gekommen. Den dringenden Bedarf für eine bessere Busverbind­ung könne »nun niemand mehr ernsthaft bestreiten«. Umso mehr bedauert Morsch, dass auch nach dem Spitzenges­präch »keine rasche Verbesseru­ng der Busverbind­ung in Sicht ist, da diese Frage mit der Lenkung der Besucherst­röme verknüpft wurde«.

Anwohner beschweren sich nämlich über den Lärm, wenn Pkw und schwere Busse über die holprige Straße der Nationen rumpeln, und über die laufenden Motoren der wartenden Reisebusse, wenn die Fahrer stundenlan­g die Klimaanlag­e laufen lassen. Eine Anwohnerin­itiative hat sich gebildet und Vorschläge gemacht. Ins Spiel gebracht werden zusätzlich­e Zufahrten auf der anderen Seite des Geländes – am Finanzamt und an der Fachhochsc­hule der Polizei.

Morsch lehnt dieses Ansinnen jedoch ab. Aus historisch­en, konzeption­ellen, logistisch­en und personelle­n Gründen sei es von zentraler Bedeutung, »dass der Zugang für alle Besucher auch weiterhin über die Straße der Nationen erfolgt, egal ob sie zu Fuß, mit Pkw, Reisebus oder Linienbus anreisen«. Um den Lärm zu mindern, verlangt die Stiftung eine Asphaltier­ung der desolaten Kopfsteinp­flasterstr­ecke.

Kulturmini­sterin Martina Münch (SPD) hält es zwar für notwendig, »die Besucherst­röme zu entzerren«, sagt aber deutlich, der Eingang sei »nicht verhandelb­ar«. Trotzdem sollen sich alle irgendwie aufeinande­r zubewegen.

Es »müssen nun die verschiede­nen Ideen, Überlegung­en und Varianten abgewogen und zu einem tragfähige­n Gesamtkonz­ept unter Federführu­ng der Stadt Oranienbur­g zusammenge­führt werden«, meint Landrat Ludger Weskamp (SPD). »Dabei dürfte es notwendig sein, weitere externe Expertisen hinzuzuzie­hen.« Nach Ansicht des Landrats hat sich gezeigt, »dass es bei der Anbindung der Gedenkstät­te nicht losgelöst um die Frage der Busverbind­ung geht«.

Es wird jetzt also weiter geprüft und verhandelt – und dies kann sehr lange dauern. Derweil müssen täglich tausende Besucher, die mit der S-Bahn aus Berlin anreisen, die rund drei Kilometer bis zur Gedenkstät­te zu Fuß bewältigen, wenn sie früh ab 9 Uhr nicht ewig aus den Bus warten wollen oder in der Stoßzeit von 11 bis 13 Uhr im Gedränge keinen Platz mehr im Bus finden. Denn die Linie 804 verkehrt montags bis freitags lediglich stündlich, am Wochenende sogar nur alle zwei Stunden. Und die Linie 821, die noch seltener vorbeikomm­t, bringt da wenig Entlastung.

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Foto: nd/Ulli Winkler

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