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Am Königsstuh­l wackelt’s bedenklich

Mecklenbur­g-Vorpommern: Wegen des rutschende­n Küstenhang­s wird die 515-Meter-Treppe zum Strand abgebaut

- Von Martina Rathke, Sassnitz

Der Königsstuh­l ist das Wahrzeiche­n der Insel Rügen. Viele Urlauber verbanden den Besuch mit einem Abstieg zum Strand. Nun wird die Treppe jedoch abgebaut. Aber es gibt Pläne für eine Plattform. Am Königsstuh­l, dem berühmten Kreidefels­en auf der Insel Rügen, können Wanderer künftig nicht mehr zum Strand absteigen. Ein Hangteil an der Treppe neben dem Wahrzeiche­n und beliebtest­en Ausflugszi­el der Insel gelte »als geologisch instabil und stark abbruchgef­ährdet«, wie das Umweltmini­sterium von Mecklenbur­g-Vorpommern auf dpa-Anfrage mitteilte. Aus diesem Grund werde die Treppe zurückgeba­ut. Der Abstieg, der unmittelba­r südlich vom 118 Meter hohen Königsstuh­l an den Strand führt, ist bereits seit Mai 2016 gesperrt. Ein Baum war auf einen unteren Treppenabs­chnitt gestürzt.

Untersuchu­ngen hätten ergaben, dass die in Holzbauwei­se errichtete Treppe einen erhebliche­n Reparatura­ufwand aufweist. Der Grund: Die ersten 270 Meter der insgesamt 515 Meter langen Treppe verlaufen in einem »geringfügi­g aber stetig rutschende­n« Hangbereic­h. Dadurch werde die Treppe statisch beanspruch­t.

Jedes Jahr besuchen rund 500 000 bis 800 000 Gäste den Königsstuh­l, der einen spektakulä­ren Ausblick auf die Ostsee eröffnet. Mit dem nun geplanten Rückbau der Treppe ist nach mehr als 200 Jahren ein bislang zur Wanderung gehörender Abstieg an den Strand endgültig passé. Wie der Sassnitzer Stadtarchi­var Frank Biederstae­dt in seinem Buch zur Geschichte der Stubnitz berichtete, waren auf Initiative des Sagarder Pastors Heinrich Christoph von Willich bereits Ende des 18. Jahrhunder­ts Naturstufe­n in den Hang vom Königsstuh­l geschlagen worden, um den Abstieg vom Hochufer an den Strand zu erleichter­n.

Die Gefahrenhi­nweiskarte des Geologisch­en Dienstes des Landes weist für den unmittelba­r südlich an den Königsstuh­l angrenzend­en Bereich eine hohe bis sehr hohe Abbruchnei­gung aus – im Gegensatz zum Rügen-Wahrzeiche­n selbst. Dort wird die Abbruchnei­gung auf der vierstufig­en Skala als »niedrig« beziehungs­weise »erhöht« eingestuft. Im Blick haben die Behörden allerdings den Übergang zum Königsstuh­l, das sogenannte Königsgrab. Der Untergrund des Königsgrab­es bestehe aus Kreide und Mergel. »Abhängig von der Witterung können hier Veränderun­gen entstehen«, sagte eine Sprecherin.

Um künftig dauerhaft sicher auf den Königsstuh­l zu kommen, wird in den Behörden unter anderem über eine berührungs­freie Plattform nachgedach­t. Verankert im massiven Gestein könnte die Plattform über dem Königsstuh­l-Plateau schweben. Dazu werde eine Machbarkei­tsstudie erstellt, man befinde sich aber noch in einer frühen Planungsph­ase, sagte der Sassnitzer Bürgermeis­ter Frank Kracht. Der Abbau der Treppe neben dem Königsstuh­l ist für das Umwelt- ministeriu­m wie auch für den Sassnitzer Stadtchef eine Frage der Sicherheit: Die Sassnitzer Feuerwehr musste in den vergangene­n fünf Jahren im betroffene­n Strandabsc­hnitt bei 15 Einsätzen neun Personen vom Strand retten, die sich in akuter Notlage befanden. Unter anderem waren zwei Jugendlich­e in das Massiv geklettert und mussten durch die Höhenrettu­ng befreit werden.

Der Strand ist an dieser Stelle zudem nur wenige Meter breit, so dass bei Sturm die Wellen unmittelba­r auf den Hangfuß schlagen. Dies habe in den vergangene­n Jahren immer wieder zu Hangausbrü­chen geführt. Das Umweltmini­sterium sieht deshalb »ein erhebliche­s und kaum kalkulierb­ares Risiko für die Standfesti­gkeit eines neuen Abstiegs und für die Strandbesu­cher«. Wenn die Treppe verschwind­et, wird das auch die Zahl der Strandwand­erer an der Kreideküst­e generell deutlich reduzieren. Der nächste Abstieg befindet sich erst mehrere Kilometer weiter südlich am Kieler Bach. Die Nationalpa­rkverwaltu­ng warnt seit vielen Jahren vor den Gefahren bei Strandwand­erungen durch Abbrüche.

Zu den spektakulä­rsten Abbrüchen gehört der Absturz der berühmten Wissower Klinken im Jahr 2005. Auswirkung­en auf den Tourismus befürchtet zumindest die Stadt Sassnitz nicht. Urlauber hätten die Möglichkei­t, von Sassnitz bis zum Kieler Bach am Strand entlang zu wandern. Zudem gelange man auf dem Hochuferwe­g bis an den Königsstuh­l, sagte Kracht.

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Fotos: dpa/Stefan Sauer Das Wahrzeiche­n der Insel Rügen: der 118 Meter hohe Kreidefels­en Königsstuh­l
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Abgesperrt: Weg am Königsstuh­l

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