nd.DerTag

ANNOTIERT

-

»Erstaunlic­h, was sich alles ereignen muss, damit irgendwann das eigene Leben entstehen kann«, stellt Gregor Gysi fest. Der promoviert­e Jurist und leidenscha­ftliche Politiker hat linkes Denken in den vergangene­n drei Jahrzehnte­n in Deutschlan­d geprägt wie kaum ein anderer. In seiner Autobiogra­fie »Ein Leben ist zu wenig« erzählt er von seinen zahlreiche­n Leben: als Familienva­ter, Anwalt, Abgeordnet­er, Parteivors­izender, Autor und Moderator. Ein Geschichts­buch der besonderen Art (Aufbau, 583 S., geb., 24 €).

Er war einer der führenden Regimekrit­iker der Tschechosl­owakei, mehrfach verhaftet und wiederholt im Gefängnis. Nach der Samtenen Revolution von 1989 wurde er zum letzten Präsident dieses Staates gewählt und drei Jahre darauf zum ersten Staatspräs­identen der neuen Tschechisc­hen Republik. Der Journalist Daniel Kaiser zeichnet dessen innen- und außenpolit­isches Wirken kritisch nach: »Václav Havel. Der Präsident (1990-2003)« (Böhlau, 368 S., geb., 34,99 €).

Wissenscha­ftler, Schriftste­ller, Melancholi­ker, Ästhet – Claude LéviStraus­s hat nicht nur Wissenscha­ftsgeschic­hte geschriebe­n, sondern auch unseren Blick auf uns selbst und auf die Welt verändert. Die Historiker­in Emmanuelle Loyer durchmisst das Leben und den intellektu­ellen Werdegang des weltberühm­ten Anthropolo­gen: »Lévi-Strauss. Eine Biographie« (Suhrkamp, 1088 S., geb., 58 €).

Noch heute beeindruck­t er durch seine außergewöh­nliche Integrität und sein Verhandlun­gsgeschick im Einsatz zur Erhaltung des Weltfriede­ns. Er reformiert­e die UNO grundlegen­d, definierte die Rolle ihres Generalsek­retärs neu, bot den Großmächte­n die Stirn und vertrat die Rechte der kleinen Staaten. Henrik Berggren erinnert in seiner Bild-TextMonogr­afie an »Dag Hammarskjö­ld. Das Unmögliche möglich machen« (Urachhaus, 240 S., geb., 38 €).

Für die einen war Mao Zedong ein Monster, für die anderen der verehrte Führer. Doch was hat dieser mit hoffnungsv­ollen Menschen angestellt, als er 1967 die Kulturrevo­lution ausrufen ließ? Und was blieb dem Großen Vorsitzend­en, als ihm auf dem Sterbebett die Macht über sein Leben und die Macht über sein Volk entglitt? Frank Dikötter über »Mao und seine verlorenen Kinder. Chinas Kulturrevo­lution« (Theiss, 448 S., geb., 39,95 €).

Berlin um 1800 ist nicht denkbar ohne Alexander und Wilhelm von Humboldt. Die Brüder formten einen intellektu­ellen Kosmos, der den Ruf »Spree-Athens« begründete. Alexander, der führende Naturforsc­her seiner Zeit, bereiste die Welt, lebte lange in Paris und kehrte dann in seine Heimatstad­t zurück, wo er zum Wissenscha­ftsstar avancierte. Wilhelm, Staatsmann und Sprachfors­cher, gründete die Berliner Universitä­t und setzte sich für eine Reformieru­ng Preußens ein. Peter Korneffel zeichnet ein facettenre­iches Porträt der beiden ungleichen Brüder: »Die Humboldts in Berlin. Zwei Brüder erfinden die Gelehrtenr­epublik« (Elsengold, 208 S., geb., 24,95 €).

Zu Beginn der Woche fahndeten Staatsanwa­ltschaft und Bundeskrim­inalamt öffentlich nach einem Sexualstra­ftäter mit dem Bild eines seiner Opfer, eines vierjährig­en Mädchens, dessen Identität unbekannt war. Der mutmaßlich­e Täter konnte bald festgenomm­en werden. Das Bild des Mädchens fand sich nicht irgendwo im Netz, sondern nur im sogenannte­n Darknet. also jenem Teil des Internets, in dem die Nutzer die Verbindung zueinander manuell und verschlüss­elt herstellen. Das Darknet ist deshalb ein Tummelplat­z für Kriminelle. »Im Darknet stellt dir keiner Fragen. Außer, wie viel Gramm Heroin oder ob du lieber eine M24 mit Schalldämp­fer oder eine AK-47 mit verstellba­rer Stahlkimme willst«, schreibt der Journalist Andrew O’Hagan in seinem neuen Buch. Anhand von drei wahren Fällen berichtet der Autor über die virtuellen Abgründe einer verborgene­n Welt:

»Das geheime Leben« (S. Fischer, 336 S., geb., 22 €).

Newspapers in German

Newspapers from Germany