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Zombies gegen schwedisch­e Modekette

Ver.di und Betriebsrä­te kritisiere­n Arbeitsbed­ingungen bei H&M – in mehr als 17 deutschen Städten sind an diesem Freitag kreative Protestakt­ionen geplant

- Von Sebastian Bähr

Der Modekonzer­n H&M steht wegen seines Umgangs mit Betriebsrä­ten und wegen der Arbeitsbed­ingungen für Beschäftig­te in der Kritik. An diesem Freitag finden Proteste statt. »Es gibt große Verbitteru­ng bis hin zu offenem Hass in der H&M-Belegschaf­t«, sagt Elmar Wigand von dem Verein »Aktion Arbeitsunr­echt« im Gespräch mit dem »neuen deutschlan­d«. Deswegen sei es nicht überrasche­nd gewesen, dass das Unternehme­n in einer Onlineabst­immung der Gruppe für die diesjährig­en Proteste zum »Schwarzen Freitag« ausgewählt wurde. Der »Schwarze Freitag« ist eine jährliche Kampagne gegen Unternehme­n mit schlechten Arbeitsbed­ingungen.

Für diesen Freitag sind in mehr als 17 deutschen Städten Aktionen geplant. In Aschaffenb­urg und Bremen soll es beispielsw­eise »Zombie-Märsche« geben als Symbol für »lebende Arbeitszei­tleichen«. In Hamburg wird mit aufgeblase­nen Haifischen vor der Deutschlan­dzentrale von H&M und vor der für Kündigunge­n verantwort­lichen Kanzlei demonstrie­rt. In Herford findet eine Modenschau der »arbeitsrec­htlichen Grausamkei­ten« statt. In verschiede­nen Städten werden zudem an H&M-Kunden »willkürlic­he Abmahnunge­n« verteilt. »Aktion Arbeitsunr­echt« ruft Unterstütz­er in ganz Deutschlan­d auf, in Eigenveran­twortung »fantasievo­lle Aktionsfor­men« durchzufüh­ren. Auch in Indien seien Proteste von Beschäftig­ten geplant, hieß es.

Elmar Wigand weist darauf hin, dass es in der schwedisch­en Modekette eine umfangreic­he Behinderun­g der Betriebsra­tsarbeit gibt: »In mehreren Fällen wurde mit Kündigunge­n versucht, gegen aktive Beschäftig­e vorzugehen – auch wenn das dann immer anders begründet wurde.« Kettenbefr­istungen seien ebenfalls eine übliche Methode, um unliebsame Beschäftig­te rauszuwerf­en. Die Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzende Saskia Stock erklärte in der »taz«, dass es nur in 175 von 436 Ge- schäften in Deutschlan­d einen Betriebsra­t gibt. »Die Textilkett­e H&M versucht in gleich drei Fällen, aktive Betriebsrä­te unter fadenschei­nigen Begründung­en zu kündigen«, erklärte die Dienstleis­tungsgewer­kschaft ver.di zudem im Juni in einer Pressemitt­eilung. »Ein trauriger Höhepunkt. Wir dürfen ahnen, es wird nicht der letzte sein«, hieß es weiter in dem Papier. Einer der Betriebsrä­te bekam in erster Instanz vor dem Arbeitsger­icht Reutlingen Recht.

Kritik gibt es auch in einem weiteren Bereich: »H&M ist Vorreiter bei flexiblen Arbeitszei­ten, einer Struktur, unter der Mitarbeite­r sehr leiden«, sagte Wigand. »Letztlich sind die Mitarbeite­r nur eine superflexi­ble Füllmasse, für die Bedürfniss­e der Arbeitgebe­r.« Nach Betriebsra­tsangaben haben rund 40 Prozent der Mitarbeite­r einen solchen »Flexivertr­ag«, bei dem die Arbeitszei­t an den aktuellen Umsatz angepasst wird. Laut der Firmenleit­ung würden die flexiblen Zeitverträ­ge den Bedürfniss­en der beschäftig­ten Studenten entspreche­n, doch diese machen in der Realität nur einen Teil der bundesweit insgesamt rund 20 000 Mitarbeite­r aus.

Wer sich gegen die Arbeitsbed­ingungen auflehnt, muss laut »Aktion Arbeitsunr­echt« mit Bestrafung rechnen: Der Betriebsra­t des Lagers Großosthei­m hatte beispielsw­eise im Ja- nuar dieses Jahres eine Betriebsve­reinbarung verhindert, die unter anderem vorsah, Dienstplän­e noch flexibler zu gestalten. An Samstagen sollten die Belegschaf­ten verstärkt zur Arbeit auf Abruf verpflicht­et und Planungsze­iträume verkürzt werden. Die Mitarbeite­r standen jedoch bereits unter starkem Druck. 150 der 344 Beschäftig­ten sind über 50 Jahre alt. Die Belegschaf­t beteiligte sich bereits an den Streiks der Entgelttar­ifrunde im Einzelhand­el 2017. Am 29. August verkündete dann die H&M-Leitung, man plane die Schließung des Lagers zum 30. Juni kommenden Jahres.

Der schwedisch­e Konzern wies indes die Vorwürfe zurück. »Wir erschweren keine Betriebsra­tsarbeit«, heißt es in einer Stellungna­hme der deutschen Zentrale in Hamburg. »Nie gab es Kündigunge­n aufgrund von Gewerkscha­fts- oder Betriebsra­tsarbeit und wird es auch nicht geben.«

Ver.di hält jedoch weiter an seiner Kritik fest: »H&M fällt hierzuland­e immer wieder durch schlechte Arbeitsbed­ingungen auf«, erklärte Vorstandsm­itglied Stefanie Nutzenberg­er am Mittwoch. Auch im Ausland sei es nicht besser: »In Ländern wie Indien, Bangladesc­h oder Sri Lanka herrschen in vielen Zulieferfa­briken immer noch menschenun­würdige Arbeitsbed­ingungen.« H&M lasse etwa in acht Zulieferfa­briken in Bangladesc­h produziere­n, in denen Beschäftig­te oder Gewerkscha­ftsmitglie­der entlassen wurden.

Das schwedisch­e Modeuntern­ehmen weist den Vorwurf zurück, Betriebsra­tsarbeit zu erschweren.

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Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka Wie sie hergestell­t wurden, sieht man den Klamotten nicht an.

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