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Schlussman­n

- Von Alexander Ludewig

Tränen lügen nicht. Seine Gefühle konnte Gianluigi Buffon am Montagaben­d nicht verbergen. Mit ihm weinte wohl ganz Italien. Nach 60 Jahren verpasst der viermalige Fußballwel­tmeister wieder eine WM. Getrauert wurde auch um Buffon selbst. Das torlose Remis gegen Schweden war sein letztes Spiel für die Squadra Azzurra.

Schon vor dem Anpfiff hatte der 39-Jährige sein Ende nahen sehen: »Je öfter du gewinnst, desto öfter machst du Fehler.« Gewonnen hat er viel: Weltmeiste­r 2006, fünf Mal Welttorhüt­er des Jahres, acht Meistersch­aften und drei Pokalsiege mit Juventus Turin …

Viele Patzer zwischen den Pfosten erlaubte er sich nicht. Andere Fehler ließen Zweifel am Menschen Buffon aufkommen. Als junger Schlussman­n in Parma trug er die Nummer 88. »Wer ahnt denn, dass hinter der Zahl der Hitlergruß steht? Das wissen doch nur Nazis«, meinte er. Mit dem H als achten Buchstaben des Alphabets steht die doppelte 8 in der rechten Szene für »Heil Hitler«. Eigentlich wollte er die Nummer 00. Die stehe für »zwei Eier«. Der AC Parma wollte aber keinen WC-Wächter. Also nahm Buffon »vier Eier«, die 88. Negativ fiel er auch mit einem T-Shirt auf. Die Aufschrift: »Boia chi molla« (»Gehängt sei, wer aufgibt«), ein neofaschis­tisches Motto. Den Spruch habe er im Internat gehört. Und fand ihn cool. »Heute gibt’s das Internet, man kann alles schnell kontrollie­ren. Damals machte ich den Fehler.«

Gelogen? Dagegen spricht, dass der dreifache Vater mit der Journalist­in Ilaria D’Amico zusammenle­bt. Sie ist eine überzeugte Linke und engagierte Feministin. Einem seiner Söhne gab er den Namen seines Idols – Thomas N’Kono, Torwartleg­ende aus Kamerun.

Eine Legende ist Buffon längst selbst – auch wenn er nun nicht als erster Spieler zum sechsten Mal eine WM erleben wird. Zum Länderspie­lweltrekor­d des Ägypters Ahmed Hassan fehlen ihm mit 175 Einsätzen neun Partien. Darum weinte er aber nicht, es waren Tränen der Leidenscha­ft. »Ich habe geschworen, dich zu beschützen«, schrieb er im März 2016 in einem langen Liebesbrie­f an sein Tor, nachdem er 973 Minuten ohne Gegentreff­er geblieben war.

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Foto: AFP/Marco Bertorello Gianluigi Buffon verpasst seine sechste WM-Teilnahme.

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