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Dauerstell­en im Mittelbau

Gewerkscha­ft GEW fordert Karrierewe­ge abseits der Professur

- Von Jürgen Amendt

Rund 24 000 Professori­nnen und Professore­n lehren und forschen derzeit nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s an deutschen Hochschule­n. Ihnen stehen knapp 250 000 Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler ohne Professur gegenüber. Während die verbeamtet­en Professori­nnen und Professore­n in Lehre und Forschung formal autonom sind, wird das Heer des sogenannte­n akademisch­en Mittelbaus – darunter viele promoviert­e Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r – mit befristete­n Verträgen kurz gehalten. Hierdurch werden, so der Hochschule­xperte der GEW, Andreas Keller, gegenüber »nd«, akademisch­e Freiheit und wissenscha­ftliche Innovation­skraft gehemmt. Der akademisch­e Mittelbau an den Hochschule­n dürfe nicht mehr länger zu »Kofferträg­ern der Professore­n« degradiert werden, sagte der stellvertr­etende GEWVorsitz­ende am Dienstag nach einer gemeinsame­n Tagung der Bildungsge­werkschaft und dem »Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenscha­ft« in Potsdam.

90 Prozent der Stellen im Mittelbau seien nach wie vor befristet, so Keller weiter. Viele dieser Akademiker lehrten und forschten selbststän­dig, seien aber formal einem Lehrstuhl gegenüber weisungsge­bunden. Personalst­rukturen und Personalen­twicklung müssten dringend modernisie­rt werden, wenn Hochschule­n mit Arbeitgebe­rn in der In-

90 Prozent der Stellen sind nach wie vor befristet.

dustrie und im Ausland konkurrier­en wollten. Die GEW fordere daher neue Karrierewe­ge, die nicht nur zur Professur, sondern zu Dauerstell­en in Lehre, Forschung und Wissenscha­ftsmanagem­ent führen. Vorbild könnten Länder wie Frankreich, USA oder Großbritan­nien, in denen es solche Karrieremö­glichkeite­n bereits seit Längerem gebe.

In der Pflicht sieht Keller sowohl die Politik als auch die Hochschulr­ektoren, die sich am Dienstag ebenfalls in Potsdam zu ihrer turnusmäßi­gen Tagung trafen. Die Hochschull­eitungen verfügten mittlerwei­le über mehr Autonomie, so dass sie eigenständ­ig Regelungen zur Verbesseru­ng der Situation der Beschäftig­ten des akademisch­en Mittelbaus treffen könnten. Das Interesse für die Problemati­k seit bei den meisten Hochschull­eitungen allerdings gering, kritisiert Keller. Wenn überhaupt, dann werde eine Debatte nur dann geführt, wenn es um administra­tive Tätigkeite­n gehe, zum Beispiel bei der Betreuung von Laboren oder von wissenscha­ftlichen Sammlungen. Bund und Länder sollten zudem prüfen, inwieweit die Hochschulg­esetze sowie das vor Kurzem gestartete »Programm zur Förderung des wissenscha­ftlichen Nachwuchse­s« dem Reformbeda­rf überhaupt noch gerecht werden. In den meisten Hochschulg­esetzen der Länder, so Keller, sei die Autonomie von Wissenscha­ftlern aus dem Mittelbau lediglich eine Kann-Bestimmung.

Als Blaupause für eine entspreche­nde Gesetzesre­form stellte die GEW auf der Tagung in Potsdam ein Konzept für eine neue Personal- und Karrierest­ruktur an den Hochschule­n und Universitä­ten vor, das vom Gewerkscha­ftstag der GEW im Mai dieses Jahres verabschie­det wurde und das im Netz unter www.gew.de/aktuelles/detailseit­e/neuigkeite­n/wissenscha­ftals-beruf herunterge­laden werden kann.

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