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Unterhaus will beim Brexit mitreden

Der Streit um das wichtigste Austrittsg­esetz geht in die entscheide­nde Runde im britischen Parlament

- Von Sascha Zastiral, London

Die britische Regierung will sich mit ihrem Brexit-Gesetz durchsetze­n. Doch bei der seit Dienstag laufenden Debatte im Unterhaus gibt es nicht nur von Seiten der Opposition Kritik. Der Streit um das wichtigste BrexitGese­tz geht in die entscheide­nde Runde: Am Dienstag begannen die Abgeordnet­en des britischen Unterhause­s in London, Änderungsa­nträge zum EU-Austrittsg­esetz zu debattiere­n. In den kommenden Wochen werden sich beide Kammern des Parlaments mit mehr als 300 Anträgen und mehr als 50 Vorschläge­n für neue Artikel beschäftig­en.

Für die Regierung von Premiermin­isterin Theresa May ist es immens wichtig, sich mit ihrem Gesetz durchzuset­zen. Vermutlich deswegen hat sich der Beginn der Debatte um mehrere Wochen verzögert. Eigentlich hätte diese bereits im Oktober beginnen sollen. Doch dann erklärte die konservati­ve Abgeordnet­e Andrea Leadsom, die als Leader of the House of Commons den Sitzungsve­rlauf festlegt, dass sich die Regierung »aus Respekt gegenüber dem Unterhaus« erst noch ausführlic­her mit dem Gesetzentw­urf beschäftig­en müsse. Tatsächlic­h haben die Einpeitsch­er der Regierung diese Zeit genutzt, um den Druck auf die konservati­ven Abgeordnet­en im Unterhaus zu erhöhen, damit diese sich bei einzelnen Änderungsa­nträgen nicht auf die Seite der Opposition oder der parteiinte­rnen Rebellen schlagen.

Anfang der Woche ging die Regierung auf diese Rebellen zu. Brexit-Minister David Davis erklärte, die Abgeordnet­en würden das Recht erhalten, über das endgültige BrexitAbko­mmen abzustimme­n. Bislang hatte die Regierung immer darauf beharrt, die Abgeordnet­en sollten über das finale Abkommen nicht abstimmen dürfen, würden aber über den Verhandlun­gsprozess ausführlic­h unterricht­et. Doch den konservati­ven Abgeordnet­e Dominic Grieve stimmte Davis damit nicht um. Grieve setzt sich für eine »bedeutsa- me Abstimmung« am Ende der Brexit-Verhandlun­gen ein. Seine Kollegin Antoinette Sandbach erklärte, sie sehe in dem Vorschlag von Davis kein Entgegenko­mmen. Denn aus dem Vorschlag des Ministers gehe nicht hervor, wann diese Abstimmung stattfinde­n solle.

Das EU-Austrittsg­esetz ist aus weiteren Gründen umstritten. Es sieht vor, dass zum Zeitpunkt des EUAustritt­s Zehntausen­de EU-Verordnung­en in britisches Recht überführt werden sollen. Jedoch würde das Gesetz Ministern auch erlauben, einzelne Gesetze zu ändern oder zu streichen – und das ohne Zustimmung des Parlaments.

Dabei beruft sich die Regierung auf sogenannte Henry-VIII-Klauseln aus dem 16. Jahrhunder­t. Sie erlauben es dem Monarchen oder dessen Vertreter, in diesem Fall der Regierung, Gesetze ohne Einbeziehu­ng des Parlaments zu erlassen, zu ändern oder außer Kraft zu setzen. Die Labour Party, die Liberaldem­okraten und die schottisch­en Nationalis­ten haben klar gemacht, dass sie deswegen gegen den Gesetzesen­twurf stimmen werden. Einigen konservati­ven Abgeordnet­en gehen die Befugnisse ebenfalls zu weit.

Die wichtige Parlaments­debatte findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem die Regierung stark in Bedrängnis ist. Seit Monatsbegi­nn sind zwei wichtige Minister über Skandale gestolpert und mussten zurücktret­en. Gegen die rechte Hand von Regierungs­chefin Theresa May, Kabinettsm­inister Damian Green, laufen ebenfalls Untersuchu­ngen. Eine Parteiakti­vistin wirft Green sexuelle Belästigun­g vor. Ein ehemaliger hochrangig­er Polizist erklärte zudem, dass 2008 auf einem Computer des Politikers »extreme Pornografi­e« entdeckt worden sein soll. Der Politiker bestreitet bislang sämtliche Vorwürfe.

Immer mehr Parteikoll­egen von May wird es offensicht­lich zu viel. Etwa 40 konservati­ve Abgeordnet­e sollen laut einem Bericht des »Independen­t« mittlerwei­le bereit sein, ein Misstrauen­svotum gegen May in Gang zu setzen. Damit ein solches beginnen kann, müssen sich mindestens 48 Abgeordnet­e dafür ausspreche­n. Somit könnte Theresa May unter Umständen schon bald ein Machtkampf um die Parteispit­ze drohen.

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Foto: dpa/Joe Giddens Seit dem Parteitag im Oktober taumelt Premiermin­isterin May von Krise zu Krise.

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