»Angriffslustig und selbstbewusst«
Parteitag der LINKEN in Hessen verabschiedete Papier mit landespolitischen Eckpunkten
Der Landesverband der LINKEN in Hessen verzeichnet einen Zustrom überwiegend jüngerer Mitglieder. Die Partei will in einem Jahr wieder in den Landtag einziehen. Rund ein Jahr von der nächsten Urnengang setzt die hessische LINKE auf einen Wiedereinzug in den Wiesbadener Landtag. Bei einem Landesparteitag in Butzbach (Wetteraukreis) diskutierten und verabschiedeten die Delegierten landespolitische Eckpunkte, die im kommenden Frühjahr in ein detailliertes Wahlprogramm einfließen sollen.
»Gemeinsam für ein soziales, ökologisches, friedliches und buntes Hessen – Politikwechsel jetzt« – so der Titel des mit großer Mehrheit verabschiedeten Papiers. Der Landesverband sei nach dem Zustrom überwiegend jüngerer Neumitglieder »so stark wie nie zu vor« und werde »angriffslustig und selbstbewusst« für den Kurswechsel in Sechs-Millionen-Land streiten, so der Landesvorsitzende Jan Schalauske. Dabei werde seine Partei im Zusammenhang mit spekulativem Leerstand von dringend benötigtem Wohnraum oder dem Privatisierungsdruck auf kommunale Krankenhäuser auch »offensiv die Eigentumsfrage stellen«. Schalauske war nach dem Mandatsverzicht des früheren Frakti- onschefs Willi van Ooyen erst im Frühjahr in das Landesparlament nachgerückt. »Es kann nicht sein, dass Gebäude rein aus Profitinteressen leer stehen oder Grundstücke nicht entwickelt werden, weil auf höhere Rendite spekuliert wird«, erklärte er bei der Vorstellung des Papiers, das nach ausführlicher Debatte bei wenigen Enthaltungen verabschiedet wurde. »Wir wollen uns nicht in der Regierung verändern, sondern wollen Regierung und Politik verändern«, so seine Überzeugung. Zusammen mit Akteuren aus dem Bildungswesen möchte die Partei auch für ein massives Investitionsprogramm zur Sanierung maroder Schulhäuser eintreten.
Hessen ist das einzige größere westliche Flächenland, in dem die Partei seit 2008 kontinuierlich im Landesparlament vertreten ist. Bei den Landtagswahlen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und NordrheinWestfalen hatte sie in diesem Jahr die magische Fünf-Prozent-Hürde verfehlt. Schalauske und andere erinnerten daran, dass der erst 2007 gegründete Landesverband durch seine parlamentarische Arbeit und außerparlamentarische Bündnisse mit zur Abschaffung von Studiengebühren und zur Einsetzung eines NSU-Untersuchungsausschusses sowie zur Verhinderung einer angedachten Privatisierung der Wohnbaugesellschaft Nassauische Heimstätte beigetragen habe. Ein Ende der seit 1999 andauernden CDU-Dominanz in der Landespolitik sei noch nie an der Linksfraktion gescheitert, betonte Schalauske. So hätten 2008 vier Abweichler in der SPD ein Ende der damals ohne parlamentarische Mehrheit amtierenden CDU-Alleinregierung verhin- dert. 2013 hätten die Grünen nach Sondierungen mit SPD und LINKEN ein Bündnis mit der CDU vorgezogen.
»Ihr werdet mit einem besseren Ergebnis wieder in den Landtag einziehen«, prophezeite Bundesparteichef Bernd Riexinger, der gleich nach seiner Ansprache wieder zur Sitzung des Parteivorstands nach Berlin aufbrach. »Ihr habt es verdient«. Riexinger sprach sich gegen einen Kurswechsel der Partei in der Flüchtlingspolitik und für eine »moderne Klassenorientierung« aus. Damit könnten und müssten gewerkschaftlich organisierte Stammbelegschaften großer Konzerne ebenso angesprochen wer- den wie Pflegekräfte, Menschen in schlecht bezahlten Dienstleistungsberufen, Leiharbeiter, Soloselbstständige, Minijobber und oftmals prekär beschäftigte Akademiker. Zu den linken Projekten gehörten aber auch Fragen wie der Klimaschutz. »Das dürfen wir nicht den Grünen überlassen, die immer mehr von ihren Zielen abrücken«, so Riexinger.
Eine von Delegierten aus dem Kreisverband Odenwald verbreitete Petition bescheinigte den Spitzen von Bundespartei und Bundestagsfraktion ein »unsägliches Hauen und Stechen um Machpositionen und Ämter, rechthaberische Flügelkämpfe und persönliche Eitelkeiten« und forderte, »diese beschämenden Formen der Auseinandersetzung zu beenden«.
Gegen die Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen an den früheren CDU-Regierungschef Roland Koch werde die hessische LINKE am 1. Dezember in geeigneter Form protestieren, kündigte Schalauske an. Der Gewerkschafter und SPD-Politiker Wilhelm Leuschner war 1944 als Widerstandskämpfer vom NS-Regime hingerichtet worden. 20 Jahre danach hatte das Land die Medaille als höchste Auszeichnung eingeführt. »Koch steht für massiven Sozialabbau und war tief verstrickt in die Schwarzgeldaffäre der CDU. Er ist dieser Auszeichnung unwürdig«, so Schalauske.
Hessen ist das einzige größere westliche Flächenland, in dem die Partei seit 2008 kontinuierlich im Landesparlament vertreten ist.