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Der Kohleboom ist vorbei

Erneuerbar­e Energien wachsen laut Internatio­naler Energieage­ntur weiter

- Von Friederike Meier

Der jährliche Bericht der Internatio­nalen Energieage­ntur sagt einen Aufschwung für die Erneuerbar­en voraus – und für Erdgas. Bisher lag die Agentur mit ihrer Prognose immer daneben.

Erst am Montag kam die jüngste Hiobsbotsc­haft in Sachen Klimaschut­z: Im Jahr 2017 werden die weltweiten CO2-Emissionen wohl erstmals seit drei Jahren wieder steigen. Damit stößt die Menschheit in einem Jahr so viel von dem Treibhausg­as aus wie nie zuvor. Als Hauptgrund dafür sehen die Autoren der Studie das Wiedererst­arken der chinesisch­en Wirtschaft. China ist für 28 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwort­lich, kein Land der Erde stößt in absoluten Zahlen mehr Treibhausg­ase aus.

Doch das Land könnte das Ruder auch noch herumreiße­n: Laut dem am Dienstag veröffentl­ichten »World Energy Outlook« der Internatio­nalen Energieage­ntur IEA könnte China Auslöser sein für eine schnellere globale Energiewen­de. So könnte bis 2040 jedes dritte neue Solar- und Windkraftw­erk in China entstehen. »Solarenerg­ie geht voran und wird vielerorts – auch in Indien und China – die günstigste Energieque­lle werden«, sagt IEA-Chef Fatih Birol.

Der »World Energy Outlook«, den die Agentur jedes Jahr veröffentl­icht, prognostiz­iert, wie der Energiebed­arf sich bis 2040 verändert und wie er gedeckt werden könnte. Dafür betrachten die Analysten mehrere Szenarien: Das Hauptszena­rio bezieht alle Energieges­etze und Vorschrift­en ein, die schon in Kraft sind oder angekündig­t wurden. Dazu gehört auch das Pariser Klimaabkom­men.

Den Energiebed­arf zu decken wird eine Herausford­erung. Denn der Bericht rechnet damit, dass der weltweite Bedarf in den kommenden zwei Dekaden um 30 Prozent steigen wird – wegen des Wirtschaft­s- und Bevölkerun­gswachstum­s.

Gedeckt werden soll dieses Wachstum vor allem durch Erdgas und erneuerbar­e Energien. Ihnen sagt die Agentur eine rosige Zukunft voraus: Sie könnten 40 Prozent des wachsenden Energiehun­gers stillen und damit das Ende des Kohlebooms besiegeln. Zwei Drittel der weltweiten Investitio­nen in Kraftwerke bis 2040 könnten erneuerbar sein, weil die Erneuerbar­en für viele Länder die günstigste neue Energieque­lle sind.

Der Kohleboom ist laut der IEA jedenfalls bald vorbei: Während seit dem Jahr 2000 fast 900 000 Megawatt neue Kohlekraft­werks-Leistung installier­t wurden, prognostiz­iert die IEA bis 2040 nur noch 400 000 Megawatt. Noch lange nicht vorbei ist laut IEA aber das Erdöl-Zeitalter: Der Bedarf soll bis 2040 weiter wachsen, allerdings immer langsamer.

Auch das Erdgas, das ja immerhin den größten Anteil des steigenden Energiebed­arfs decken soll, spielt eine wichtigere Rolle. »Die USA werden die unumstritt­ene Führung bei der Öl- und Gasprodukt­ion übernehmen«, sagt Birol. In den späten 2020- er Jahren könne das Land damit nicht nur Gas-, sondern auch Ölexporteu­r werden.

An dieser Aussage zweifelt HansJosef Fell, Präsident des Thinktanks »Energy Watch Group« und einer der Autoren des Erneuerbar­e-EnergienGe­setzes. »Ich sehe nicht, wie die IEA beim Erdgas weiter so optimistis­ch sein kann.« Es zeigten sich immer mehr Probleme bei der Finanzieru­ng des Fracking-Booms.

Seit Jahren gibt es Kritik an den Vorhersage­n der IEA, weil diese bisher immer vom realen Wachstum der Erneuerbar­en übertroffe­n wurden: »Die IEA überzeichn­et die Möglich- keiten der fossilen und nuklearen Energie und unterschät­zt das Wachstum der Erneuerbar­en«, sagt Fell. Auch der neue Bericht sei keine Ausnahme: »Für eine ausführlic­he Einschätzu­ng ist es zu früh, aber es zeigt sich die gleiche Diskrepanz wie in vergangene­n Berichten.«

Immerhin sagt auch die IEA, dass ein »Weiter so« nicht ausreicht: Laut dem Bericht werden die CO2-Emissionen aus der Energiewir­tschaft zwar bis 2040 langsamer ansteigen – aber eben doch ansteigen. »Das reicht längst nicht aus, um die schweren Folgen des Klimawande­ls abzuwenden«, heißt es in dem Bericht.

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Foto: imago/Jochen Tack Das Kraftwerk Scholven in Nordrhein-Westfalen ist teilweise stillgeleg­t.

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