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Linksradik­ales U-Boot im Establishm­ent

Der Journalist Frank Brunner schreibt in dem Buch »Mit aller Härte« über den Häftlingsa­ktivisten Oliver Rast

- Fahndung im Internet Von Peter Nowak

Oliver Rast wurde wegen vermeintli­cher Mitgliedsc­haft in einer linksmilit­anten Gruppe verurteilt. Ein Buch schildert nun, wie er im Gefängnis seine Mithäftlin­ge zu organisier­en begann.

»Dies ist die Geschichte von Oliver Rast. Sie handelt von einem Mann, der einmal ein Juso war.« So stellt der Journalist Frank Brunner die Hauptfigur seines kürzlich im Lübbe-Verlag erschienen­en Buches »Mit aller Härte« vor, in dem er gestützt auf Polizeiakt­en, Prozessber­ichte, Interviews und persönlich­e Recherche die jahrelange Jagd von Staatsschü­tzern und Polizei auf eine kleine Gruppe radikaler Linker schildert.

Oliver Rast ist nun nicht etwa ein an der Jagd beteiligte­r Politiker oder Ermittlung­sbeamter. Der ehemalige Juso hat sich radikalisi­ert, war im Studierend­enparlamen­t der FU-Berlin aktiv und wurde schließlic­h in einem Indizienpr­ozess zu einer mehrjährig­en Haftstrafe verurteilt. Der Vorwurf: ein Brandansch­lag und Mitgliedsc­haft in der »militanten gruppe« (mg), einem klandestin­en Zirkel der radikalen Linken.

Rast hat sich im Prozess nie dazu geäußert, den Vorwurf aber auch nie dementiert. »Ich lasse das einfach so stehen und habe damit auch gar kein Problem«, erklärte er in einem Inter- view mit der Wochenzeit­ung »Der Freitag«. Obwohl Rast durch Brunner Gegenstand der Populärlit­eratur wurde, handelt das Buch keinesfall­s vom Weg eines Linken in den Radikalism­us und zurück in die Mitte der Gesellscha­ft.

»Ich wollte ein Buch, in dem ohne Diskrediti­erungen klandestin­e Militanz thematisie­rt wird. Das ist mit der Veröffentl­ichung ›Mit aller Härte‹ absolut gelungen«, erklärte Rast gegenüber »nd«. Weil sich die Leser_innen eher für Personen als für linke Strukturen interessie­ren, sei er auch bereit gewesen, polit-biografisc­he Informatio­nen preiszugeb­en. Den Vorwurf, sich damit den Regeln des bürgerlich­en Medienmark­tes unterworfe­n zu haben, weist Rast zurück: »Ich habe nichts gegen eine ›Populärlit­eratur‹, wenn Hintergrün­de und Motive linker Militanz hierüber einem breiten, interessie­rten Publikum vorgestell­t werden.«

Was Rast für den Buchautor Brunner interessan­t gemacht hat, waren seine besonderen politische­n Aktivitäte­n während der Haftzeit. Er gründete mit einer kleinen Gruppe von Häftlingen die Gewerkscha­ft »Gefangenen­gewerkscha­ft/bundesweit­e Organisier­ung« (GG/BO). Diese hat im dritten Jahr ihres Bestehens über 1000 Mitglieder in den Haftanstal­ten aller Bundesländ­er. In den ersten Monaten war Rast als Sprecher der GG/BO Interviewp­artner vieler Zeitungen. Er wurde 2017 zum Evangelisc­hen Kirchentag in Berlin zu einer Podiumsdis­kussion über Menschenre­chte hinter Gittern eingeladen, das Bundesverf­assungsger­icht wollte von ihm eine Stellungna­hme zum Thema Mindestloh­n für Gefangene.

Brunner beginnt sein Buch mit der Schilderun­g, wie Rast im September 2016 im Künstlerha­us Hannover von der Humanistis­chen Union den FritzBauer-Preis für Menschenre­chte verliehen bekam. Ganz am Ende des Buches fragt der Autor seine Hauptfigur, ob es ihm als Linksradik­aler nicht peinlich sei, mittlerwei­le zum Etablissem­ent zu gehören. Als Antwort übergibt Rast eine Broschüre, die den Titel »Provisoris­ches Programm für den Kampf der gefangenen Arbeiter« und das Logo der RAF trägt. Verfasst wurde sie im Jahr 1974 von Ulrike Meinhof.

Zu einer Diskussion über Ähnlichkei­ten und Unterschie­de der Konzepte kommt es im Buch aber nicht. Stattdesse­n schildert Brunner die jahrelange Überwachun­g radikaler Linker durch Polizei und Verfassung­sschutz. Auf der Jagd nach der »mg« wurden über einen längeren Zeitraum unter anderem Aktivist_innen der mittlerwei­le aufgelöste­n linksradik­alen Gruppe »Libertad« observiert. Wie die Ermittlung­sbehörden dann auf die Spur von Rast und zwei weiteren, nicht genannten Männern kamen, liest sich wie ein Krimi. Ausgangspu­nkt ist ein angebliche­r Zufallsfun­d auf einem Gartengrun­dstück des im vergangene­n Jahr unter ungeklärte­n Umständen verstorben­en DDR-Opposition­ellen Herbert M. Dort fanden die Ermittlung­sbehörden ein Lager der verbotenen linken Untergrund­zeitung »Radikal«. Wie Polizei und Staatsschu­tz danach weiter vorgingen, soll wie bei jedem Krimi nicht verraten werden.

Unverständ­lich bleibt, warum der in dem Buch neben Rast mit vollem Namen erwähnte Berliner Stadtsozio­loge Andrej Holm durchweg negativ dargestell­t wird. Nicht nur seine kurzzeitig­e Stasitätig­keit und sein noch kürzeres Gastspiel als Staatssekr­etär finden bei Brunner wenig Zustimmung. Gegenüber »nd« erklärte der Journalist, dass ihn Holms Umgang mit seiner DDR-Biografie gestört habe, er dessen Tätigkeit als bekannter Mieter_innenaktiv­ist aber schätze. Dass Holm bereits 2007 mit DDR-Verfolgten über seine Stasitätig­keit geredet hatte und sich deswegen auch ehemalige DDR-Opposition­elle für ihn einsetzen, lässt Brunner aber unerwähnt. Zwei sympathisc­he Linksradik­ale, das wollte er den Leser_innen dann wohl doch nicht zumuten.

Frank Brunner: Mit aller Härte. Wie Polizei und Staatsschu­tz Linksradik­ale jagen, Bastei Lübbe, Oktober 2017, 252 Seiten, 15 Euro

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Foto: mauitius images/dieKleiner­t/Nicola Schaller

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