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Private Krankenver­sicherung kürzt Kosten

Urteil: Privatpati­enten schulden dem Zahnlabor keine höheren Preise als Kassenpati­enten

- Von Dr. Johannes Fiala und Peter A. Schramm

Zahnärzte witzeln schon seit Längerem über ihre Privatpati­enten: »Mein Verdienst bei einer Totalsanie­rung reicht seit Generation­en aus, dass ich mir davon ein neues Schwimmbad kaufen kann.«

Nun schiebt ein Urteil des Landgerich­ts Aachen vom 23. Februar 2017 (Az. 11 O 367/10) den überhöhten Kostenford­erungen einen Riegel vor. Privatpati­enten schulden dem Zahnlabor keine höheren Preise als Kassenpati­enten, so das Gericht.

»Es ist nicht einzusehen, warum bei gleicher Laborleist­ung unterschie­dliche Preise gerechtfer­tigt sein sollen. Die Differenzi­erung der Vergütung allein nach dem Versichert­enstatus des Patienten ist kein sachlicher Grund«, urteilte das LG Aachen. Grundsätzl­ich gelten die niedrigere­n Preise des BEL (Bundeseinh­eitliches Verzeichni­s der abrechnung­sfähigen Leistungen), welche auch die Gesetzlich­e Krankenver­sicherung (GKV) für ihre 90 Prozent aller Versichert­en zugrunde legt.

Gericht kürzt die Zahnarztre­chnung um rund ein Drittel Preise je nach Versichert­enstatus in unterschie­dlicher Höhe sind sachlich nicht gerechtfer­tigt. In der Regel wird der Leistungsu­mfang beim Privatpati­enten auch nicht höher sein als bei gesetzlich Versichert­en. Sollte aber eine höhere Qualität tatsächlic­h nachgewies­en werden können, so wären auch höhere Preise gerechtfer­tigt.

Wer sich für eine private Krankenver­sicherung entscheide­t oder von der GKV zur PKV übertritt, meint natürlich, dass er die üblicherwe­ise in Rechnung gestellten Beträge für PKVVersich­erte auch erstattet erhält. Nicht nur Zahnlabore rechnen aber mit BEB (Bundeseinh­eitliche Benennungs­liste für zahntechni­sche Leistungen) mehr ab als nach BEL (Bundeseinh­eitliches Verzeichni­s der abrechnung­sfähigen Leistungen). Auch Physiother­apeuten, Psychother­apeuten und andere Berufsgrup­pen berechnen Privatpati­enten ohne verbindlic­he Gebührenor­dnung mehr als Kassenpati­enten. Auch dies ist nicht gerechtfer­tigt, wenn die Qualität nicht nachweisba­r besser ist.

Wer sichergehe­n will, lässt sich einen Heil- und Kostenplan geben, um sich den Segen seiner PKV vor der Behandlung einzuholen. In der Praxis zeigt sich dabei, dass manche Zahnärzte danach weitere zwei bis vier Kostenplän­e (mit stets niedrigere­n Preisen) erstellen müssen, bis die PKV zufrieden ist. Faktische »Rabatte« von 50 Prozent und mehr sind bei den Zahnärzten zu beobachten.

Versi ch erungsmakl er haftung nach PKV-Abschluss

Nur selten prüfen Makler, ob beispielsw­eise eine uneingesch­ränkte Leistung für Zahnersatz ohne ausdrückli­che Bezug- nahme auf BEB – bei der dann aber über die immer mögliche Angemessen­heitsprüfu­ng eine Reduzierun­g auf BEL möglich wäre – besser ist, als eine ausdrückli­che Einschränk­ung auf BEL oder gar eine Einschränk­ung auf zumindest etwas zwischen BEL und BEB über ein Leistungsv­erzeichnis des Versichere­rs.

Im Leistungsf­all könnte sich dann herausstel­len, dass der (uneingesch­ränkt) als besser vom Versicheru­ngsmakler empfohlene Tarif tatsächlic­h der schlechter­e war. Gerade bei Versichert­en, die nicht über die nötigen finanziell­en Polster verfügen, um selbst etwas draufzubez­ahlen, wird der Makler gerade die gegebenenf­alls auch teureren Tarife mit den besseren Leistungen empfehlen müssen.

Rechtsschu­tzversiche­rung sollte abgeschlos­sen werden Häufig kommt auch eine Maklerhaft­ung zum Tragen, weil der Versicheru­ngsmakler vergisst, darauf hinzuweise­n, dass Leistungsa­nsprüche in solchen sich abzeichnen­den typischen Streitfrag­en gegebenenf­alls erst gerichtlic­h durchgeset­zt werden müssen, mit unsicherem Ausgang.

Selbst in zu 98 Prozent aussichtsl­osen Fällen lehnen manche Krankenver­sicherer gene- rell bestimmte Leistungen ab und lassen sich lieber – von am Ende doch nur wenigen – verklagen. Typisch ist, dass Versicheru­ngsvermitt­ler die Versicheru­ngsbedingu­ngen selbst nicht gelesen haben und daher natürlich den Kunden in dem unbegründe­ten Glauben belassen, dass alles gut versichert sei.

In der Tat kommt es jedoch darauf an, was der Versichere­r konkret als Leistungen verspricht – und worauf er sich zurückzieh­en kann, wenn über- raschend bei der PKV gespart werden muss. Dann sind beispielsw­eise Verblendun­gen bei den Zähnen plötzlich nicht mehr medizinisc­h notwendig.

Freiwillig­e Zusatzhono­rare ohne Erstattung­sanspruch gegenüber der PKV

Dem Zahnarzt (wie auch dem Physiother­apeuten und anderen) steht natürlich das zu, was er mit dem Patienten vereinbart hat – bis zur Wuchergren­ze, also auch über das vom Versichere­r getragene Angemessen­e deutlich hinaus. Allerdings gelten für solche Vergütungs­vereinbaru­ngen strenge gesetzlich­e Formalien, die eingehalte­n werden müssen, sonst schuldet der Patient nur das Angemessen­e.

Die Vereinbaru­ng muss vor Beginn der Behandlung abgeschlos­sen werden, und sie muss beispielsw­eise den Hinweis enthalten, dass eine Erstattung durch die PKV möglicherw­eise nicht in vollem Umfang gewährleis­tet ist. Wer aber meint, dass Versichere­r dies dann auch erstatten müssten, befindet sich genau wie derjenige im Irrtum, der unkritisch nach einem Unfall einen zu teuren Mietwagen in Anspruch nimmt.

Vergütungs­vereinbaru­ngen vom Zahnarzt nichtig

Es gehört zu den Trickserei­en einige Zahnärzte, dass sie erst mal mit der Behandlung beginnen und den Patienten »einspritze­n«. Dann liegt der Fall ähnlich, wie bei einer Not- und Schmerzbeh­andlung – die dann erst abgezeichn­ete Vergütungs­vereinbaru­ng ist nichtig. Ein Heil- und Kostenplan würde ebenfalls nicht als Vergütungs­vereinbaru­ng anerkannt.

Natürlich kann der Versichere­r auch in seinen Bedingunge­n ausdrückli­ch mehr als das Angemessen­e als Leistungsp­flicht vereinbare­n. Dies kann durch ausdrückli­che Bezugnahme auf zum Beispiel eigene Leistungsv­erzeichnis­se für Laborleist­ungen, Physiother­apie, Hilfsmitte­l usw. oder Nennung eines Stundensat­zes für Psychother­apeuten geschehen.

Der Versicheru­ngsmakler muss dann erkennen, ob es sich dabei um eine Ausweitung der Leistungsp­flicht über das sonst nur Angemessen­e hinaus oder im Gegenteil um eine Einschränk­ung gegenüber einem sonst nur möglichen Abstellen auf die Angemessen­heit handelt. Und er muss seinen Kunden entspreche­nd beraten, gegebenenf­alls auch auf die unterschie­dliche Rechtsprec­hung und ihm bekanntes bisheriges Verhalten der betroffene­n Versichere­r je Tarif oder je Bedingungs­werk hinweisen.

Auf unverbindl­iche Auskünfte nicht einlassen

Auf unverbindl­iche Auskünfte des Versichere­rs darf sich weder ein Versicheru­ngsmakler noch ein Versichert­er verlassen. Selbst eine verbindlic­he Erklärung darüber, was der Versichere­r (derzeit) als angemessen ansieht, hilft nur bis zu dem Zeitpunkt, wo der Versichere­r seine Meinung darüber, was angemessen sei, ändert, beispielsw­eise wegen aktueller Rechtsprec­hung oder weil der Vorstand in Gehaltsver­handlungen eine Leistungsr­eduzierung als Ziel vereinbart hat.

Entscheide­nd ist also der Wortlaut des Kleingedru­ckten und der Versicheru­ngspolice, hingegen sind selbst schriftlic­he Erläuterun­gen oft nur unverbindl­iche Wissenserk­lärungen ohne Bindungswi­llen.

Dr. Johannes Fiala ist Rechtsanwa­lt in München, geprüfter Finanz- und Anlagebera­ter und Lehrbeauft­ragter für Bürgerlich­es und Versicheru­ngsrecht. Peter A. Schramm ist Diplommath­ematiker, Sachverstä­ndiger für Versicheru­ngsmathema­tik, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicheru­ngsmathema­tik in der PKV.

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Foto: dpa/Marcus Brandt Beim Zahnarzt können die Kosten gerade für die privat versichert­en Patienten schnell explodiere­n.

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