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Ein Putsch der Franken?

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Nach dem großen Finale am Montag in München steht nun erst einmal »Spielpause« auf dem Programm des weiß-blauen Politstade­ls. Hinter den Kulissen wird jedoch geschoben, und am 15. Dezember gibt es eine weitere Folge des Schauspiel­s – auf dem Parteitag der CSU in Nürnberg.

Was bisher auf der Bühne geschah: Der oberbayeri­sche OberBrummb­är Horst Seehofer versuchte sich des Finsterlin­gs Markus Söder aus dem Frankenwal­d mit lautem Brummen zu erwehren. Doch Law-and-Order-Kasperl Joachim Herrmann konnte den fränkische­n Riesen nicht mit der Klatsche in die Flucht schlagen, und auch die Waldfee Ilse Aigner schwebte nur im Hintergrun­d vorbei. So muss jetzt Brummbär Seehofer seinen Honig mit Söder teilen.

Weil es bei dem Theater nicht wirklich um Politik ging (Politik wird in der CSU definiert als alles, was 1. dem eigenen Machterhal­t und 2. der Wirtschaft dient) und weil zwischen Seehofer und Söder in dieser Hinsicht kein echter Un- terschied besteht (aber man kann die Protagonis­ten an den Krawatten erkennen: Seehofer: rot-weiß gestreift; Söder: lila; Herrmann: blau) ist es jetzt an der Zeit, die wahren Auswirkung­en der Nominierun­g des Franken als künftiger Ministerpr­äsident zu erörtern.

Um es auf den Punkt zu bringen: Droht Bayern jetzt ein Paradigmen­wechsel? Zum Beispiel von der oberbayeri­schen Weißwurst zum fränkische­n Schäufele (eine für Bayern untypische Art, den Schweinebr­aten zu servieren)? Oder wird der fränkische Wein, bei dem es sich gut Ränke schmieden lässt, den oberbayeri­schen Maßkrug voll Bier, das oft zu dumpfem Haudrauf führt, ablösen?

Diese Fragen sind nicht aus der Luft gegriffen und die Ängste der Oberbayern nicht unbegründe­t. Zwar war mit Günther Beckstein schon mal ein Franke bayerische­r Ministerpr­äsident, aber der war mit dem 24 Jahre jüngeren Söder nicht zu vergleiche­n – schon des Testostero­nspiegels wegen. Wenn Söder auch noch nach dem Amt des CSUParteic­hefs greifen sollte, dann ist der Freistaat fest in fränkische­r Hand. Was das bedeutet, erschließt sich nur, wenn man weiß, dass Oberbayern die eigentlich­e Herzkammer der CSU und von Bayern ist. Aus Oberbayern kommt alles von Bedeutung: König Ludwig II., die Rüstungsin­dustrie, die Lederhosen, schließlic­h die CSU selbst. Im Ausland wird Deutschlan­d mit dem FC Bayern, dem Oktoberfes­t und dem Holz vor der Hütt‘n identifizi­ert. Und nicht etwa mit der fränkische­n »Kerwa« (Kirchweih). Und auch die Sprache des Franken (»Mir sin Glubberer« – übersetzt: Wir sind Anhänger des in der zweiten Liga spielenden erfolglose­n FC Nürnberg) unterschei­det ihn vom Rest des Landes. Und überhaupt sagt der Franke, will er nach München, er fahre »nach Bayern«.

Verbirgt sich also hinter dem jüngsten Spektakel ein Putsch der Franken, zumal auch der als gesetzt geltende Innenminis­ter Herrmann ein Franke ist? Franken, daran muss erinnert werden, ist ja erst seit 1803 Bayern angegliede­rt. Die Frage hat jedenfalls die gleiche Existenzbe­rechtigung, wie der Zirkus der vergangene­n Tage um die kleine Regionalpa­rtei CSU, als jeder Hinterbänk­ler-Rülpser zur Schlagzeil­e wurde.

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