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Alles nur Zockerei?

Ist die digitale Währung nur ein Spekulatio­nsobjekt?

- Foto: 123RF/davinci

Mit Bitcoins wird seit einiger Zeit kräftig spekuliert. Die Kritik an der Kryptowähr­ung wächst. Dabei hat sie durchaus Vorteile.

Diese Meldung sagt eigentlich alles über den BitcoinHyp­e des Jahres 2017: Das Land Hessen plane, 126 Bitcoins zu versteiger­n, berichtete Mitte Dezember der »Tagesspieg­el«. Die Münzen der digitalen Währung stammten aus einer Razzia gegen Internet-Drogenhänd­ler im Jahre 2014. Doch waren die Bitcoins jetzt nicht mehr 50 000 Euro, sondern 1,9 Millionen Euro wert. Im Laufe des vergangene­n Jahres ist der Kurs der Kryptowähr­ung immer weiter gestiegen. War ein Bitcoin vor zwölf Monaten rund 750 Euro wert, so waren es im Dezember zeitweise weit über 15 000 Euro. Ein Hauptgrund für den rasanten Kursanstie­g: Zwei große USBörsen haben Termingesc­häfte auf Bitcoin zugelassen. Seither kann man auf die Kursentwic­klung der Kryptowähr­ung wetten, ohne die digitalen Münzen besitzen zu müssen.

Kurz vor Weihnachte­n war der große Hype dann aber schon wieder zu Ende. Vom 18. bis zum 22. Dezember brach der Kurs von 15 500 auf rund 12 000 Euro pro Bitcoin ein.Weil China das Schaffen neuer Bitcoins verboten haben soll und Südkorea ein gänzliches Verbot vorbereite­n soll, brach der Kurs diese Woche weiter ein. Ist der Traum von der alternativ­en Währung also schon wieder vorbei? Hatten all die Warner in der Ökonomenzu­nft recht, die in Bitcoin nur eins sahen und sehen: ein gefährlich­es Spekulatio­nsobjekt?

»Aktuell sind Bitcoin eher etwas für AnlegerInn­en, die mit massiven Verlusten leben können«, schrieb die alternativ­e Ökonomin Mechthild Schrooten Ende Dezember im »nd«. In einem Gastbeitra­g von Sahra Wagenknech­t und Fabio De Masi im »Handelsbla­tt« heißt es: Es gebe zwar gute Gründe, das Geldsystem nicht den Banken zu überlassen. Aber Bitcoins würden nicht mehr Sicherheit schaffen, sondern Unsicherhe­it verstärken. »Sie dienen der totalen Privatisie­rung des Geldes, was immer wieder in Krisen mündet«, argumentie­ren die Fraktionsc­hefin und der Finanzexpe­rte der Linksparte­i. Wirtschaft­snobelprei­sträger Joseph Stiglitz wollte Bitcoins sogar verbieten lassen. Sie erfüllten keine sinnvolle Funktion für die Gesellscha­ft, so der US-Ökonom.

Dabei hatten die Bitcoin-Erfinder ursprüngli­ch etwas ganz anderes vor. Sie wollten mit der Kryptowähr­ung ein anonymes Zahlungsmi­ttel fürs Internet schaffen, das unabhängig vom gängigen Finanzsyst­em ist. Diese Funktion hat allerdings durch den jüngsten Kursanstie­g an Bedeutung verloren: Viele Menschen behalten ihre Bitcoins wegen der Wertsteige­rung und spekuliere­n auf weitere Kursgewinn­e anstatt mit den Münzen Waren zu kaufen. Zudem verbraucht die digitale Währung sehr viel Energie, und die Transaktio­nen werden immer langsamer. Weil alle Eigentümer­wechsel im dezentrale­n Gedächtnis des Bitcoin-Netzwerks, der Blockchain, festgehalt­en werden, schafft das Netzwerk zudem maximal sieben Transaktio­nen pro Sekunde. Zum Vergleich: Der Kreditkart­enanbieter Visa kommt auf 3674 Überweisun­gen pro Sekunde.

Es scheint so zu sein, dass die Kryptowähr­ung eine schöne Idee ist, aber in der Praxis nicht funktionie­rt. So warnen auch Notenbanke­r, hinter der Währung stehe keine zentrale Institutio­n, die ihren Kurs stabil hält und so Vertrauen schafft. Die Nachfrage nach Geld könne sich ändern, beispielsw­eise durch reales Wirtschaft­swachstum, schrieb etwa das für Zahlungsve­rkehr zuständige Bundesbank-Vorstandsm­itglied Carl-Ludwig Thiele Ende November. Deshalb müsse das Angebot an die Nachfrage angepasst werden, damit der Wert des Geldes stabil bleibe. Diese Aufgabe übernehmen bei Währungen wie dem Euro die Zentralban­ken.

Dass Notenbanke­n zur Stabilisie­rung des Geldsystem­s notwendig sind, ist eine Lehre aus der Geschichte. Nur hartgesott­ene Neoliberal­e leugnen dies. Der prominente­ste unter ihnen war der Ökonom Friedrich August von Hayek. Er sah die Wurzel allen Übels darin, dass der Staat mittels Zentralban­ken das Monopol bei der Geldschöpf­ung besitzt. Durch eine Inflations­politik würde sich dieser auf Kosten der Bürger unrechtmäß­ig bereichern und so Wirtschaft­skrisen auslösen. Hayek zufolge sollten stattdesse­n Geschäftsb­anken das Recht haben, Banknoten auszugeben. Er hatte so viel Vertrauen in die Kraft der Märkte, dass er glaubte, dass sich früher oder später eine Privatwähr­ung herauskris­tallisiere­n würde, die besser als alle anderen sein würde und so eine Monopolste­llung bekäme.

Wo dieses Free Banking praktizier­t wurde, war das Geldsystem allerdings extrem instabil. So gab es zwischen 1837 bis 1862 in 18 Staaten der USA eine Free-Banking-Ära. »Diese Zeit war vor allem gekennzeic­hnet durch Finanzkris­en, häufige Bankenzusa­mmenbrüche und ein komplizier­tes und ineffizien­tes Geldsystem, bei dem schließlic­h im Jahre 1860 in den gesamten USA über 1000 verschiede­ne Gelder miteinande­r konkurrier­ten«, schreibt der Schweizer Forscher Mathias Binswanger in seinem Buch »Geld aus dem Nichts«. Diese Unübersich­tlichkeit habe es auch relativ einfach gemacht, gefälschte Noten in Umlauf zu bringen, was das Finanzsyst­em der USA zusätzlich belastet habe. 1863 und 1864 wurden dann in den USA Nationalba­nken geschaffen, die durch die Regierung abgesicher­te Banknoten ausgeben durften. Später entstand die US-Notenbank Fed. Aus ähnlichen Gründen wurde die 1694 gegründete Bank of England im 19. Jahrhunder­t schrittwei­se zur Zentralban­k umgewandel­t. Weil damals andere Geldhäuser die von ihnen herausgege­benen Banknoten zu wenig mit Gold abgesicher­t hatten, kam es in England immer wieder zu Krisen. 1844 erhielt die Bank of England deswegen im Rahmen der sogenannte­n Peel’schen Gesetze das alleinige Recht zur Ausgabe von Banknoten in England und Wales.

Auch wenn Bitcoin Ähnlichkei­ten zum Free Banking aufweist, so muss man den Pionieren der digitalen Währung zugutehalt­en, dass sie auch Privatbank­en als vertrauens­chaffende Instanzen ablehnen. Stattdesse­n soll die Crowd, die die digitalen Münzen nutzt und schafft, gemeinscha­ftlich für die Sicherheit der Bitcoin sorgen. So sollen Betrug und Fälschunge­n verhindert werden, indem alle Transaktio­nen in der Blockchain aufgeschri­eben werden. Diese Aufgabe erfüllen sogenannte Miner, die mit neu geschaffen­en Bitcoin für ihre Dienste belohnt werden. Um eine Inflation zu verhindern, wurde eine maximale Geldmenge von 21 Ein- heiten festgelegt. Dafür können Bitcoin unendlich oft geteilt werden.

Zudem konnten auch Notenbanke­n Krisen nicht immer verhindern. »Den Zentralban­ken muss vertraut werden, damit die Währung nicht entwertet wird, doch die Geschichte des modernen Geldes ist voll von Vertrauens­brüchen«, schrieb der BitcoinErf­inder Anfang 2009, der bis heute nur unter dem Pseudonym Hacker Satoshi Nakamoto bekannt ist.

Als Nakamoto Bitcoin schuf, war die US-Investment­bank Lehman Brothers gerade pleite gegangen. Die folgende globale Finanz- und Wirtschaft­skrise ließ viele Menschen am Geldsystem zweifeln, in dem Zentralban­ken zusammen mit Geschäftsb­anken mittels Kreditoper­ationen das Geld quasi aus dem Nichts schaffen. Denn die Staaten mussten die Geschäftsb­anken mit bis dahin unvorstell­bar großen Milliarden­beträgen vor dem Zusammenbr­uch schützen, während die Bevölkerun­g die Zeche dafür zahlen musste.

Notenbanke­n schützen auch nicht davor, dass mit Währungen spekuliert wird. Zentralban­ken großer Währungen wie dem US-Dollar oder dem Euro haben damit keine ernsthafte­n Probleme. Aber bei kleineren Währungen sieht es anders aus. So attackiert­en ausländisc­he Spekulante­n 1997 den thailändis­chen Bath. Die Angriffe waren ein Auslöser für die Asienkrise. Die thailändis­che Notenbank musste daraufhin fast die gesamten Devisenres­erven des Landes einsetzen, um mit Stützkäufe­n die heimische Währung zu stabilisie­ren.

Es ist also nicht so, dass die Argumente, die gegen Bitcoin als Zahlungsmi­ttel angeführt werden, nicht zuweilen auch auf konvention­elle Währungen zutreffen. Gleichzeit­ig haben die digitalen Münzen aber einen entscheide­nden Vorteil gegenüber konvention­ellen Zahlungsmi­tteln: »Die Identitäte­n der Nutzer werden verschlüss­elt. Die Geldbörsen werden verschlüss­elt, damit niemand weiß, wer das Geld ausgibt«, sagt der Bitcoin-Experte und Wall-StreetJour­nal-Autor Paul Vigna in dem Dokumentar­film »Banking on Bitcoin«.

Die Kryptowähr­ung wird so zum digitalen Bargeld für jedermann. Denn im Gegensatz zur analogen Welt, wo man anonym mit Banknoten und Münzen zahlen kann, konnte man bis zur Einführung von Bitcoin im Internet nichts kaufen, ohne Spuren zu hinterlass­en.

Die Anonymität bei den Bitcoins ist von Anfang an auch für verbotene Geschäfte genutzt worden. So erhielt die Kryptowähr­ung ihren ersten großen Anwendungs­bereich mit der Gründung der Plattform Silk Road. Im versteckte­n Teil des Internets, dem Darknet, konnte man illegale Drogen kaufen. Als Zahlungsmi­ttel dienten Bitcoin. Im Oktober 2013 wurde SilkRoad-Gründer Ross Ulbricht verhaftet, doch andere Plattforme­n nahmen seinen Platz ein. Im Rahmen der SilkRoad-Razzia ging es auch einem Pionier an den Kragen: Das Gründungsm­itglied der Bitcoin Foundation, Charles Shrem, wurde im Dezember 2014 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Der Vorwurf: Geldwäsche.

Der Kryptowähr­ung brachte es den Ruf ein, neben einem Spekulatio­nsobjekt lediglich ein Hilfsmitte­l für Drogendeal­er und andere Kriminelle zu sein. »Es ist eine Sache, dass Regierunge­n kleine anonyme Transaktio­nen mit virtuellen Währungen gestatten; dies wäre tatsächlic­h wünschensw­ert. Doch es ist etwas völlig anderes, anonyme Zahlungen in großem Umfang zuzulassen, die es äußerst schwierig gestalten würden, Steuern zu erheben oder die Kriminalit­ät zu bekämpfen«, so zum Beispiel der liberale US-amerikanis­che Ökonom Kenneth Rogoff.

Und doch bleibt die Frage, ob der Wunsch nach einem anonymen Zahlungsmi­ttel fürs Internet nicht doch gerechtfer­tigt ist. Gerade in Zeiten, in denen Rechtspopu­lismus und autoritäre Regime im Aufwind sind, scheint der Gedanke plausibel, dass nicht nur Drogendeal­er und Geldwäsche­r auf Zahlungsmi­ttel wie Bitcoin angewiesen sein könnten, sondern auch Opposition­elle. Anonymität schafft in Zeiten des gläsernen Bürgers auch Freiheit.

Deswegen wäre es falsch, Bitcoin einfach nur als eine Spinnerei oder als ein gefährlich­es Spekulatio­nsobjekt abzutun. Der Hype des Jahres 2017 war sicherlich nicht das letzte Kapitel in der Geschichte der digitalen Währungen.

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Foto: 123RF/davinci Notenbanke­n schützen auch nicht unbedingt davor, dass mit Währungen spekuliert wird. So attackiert­en ausländisc­he Spekulante­n im Jahr 1997 den thailändis­chen Bath. Die Angriffe waren ein Auslöser für die Asienkrise.

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