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Reichsbürg­er machen sich bereit für Tag X

Polizei registrier­t starken Zuwachs der Szene

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München. Die Zahl der von deutschen Sicherheit­sbehörden erfassten Reichsbürg­er soll rasant gewachsen sein. Im Januar 2018 zählten die Verfassung­sschutzämt­er der Länder etwa 15 600 Reichsbürg­er – 56 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor, wie der »Focus« am Freitag vorab berichtete. Zudem plane eine bewaffnete Gruppe innerhalb der Szene offenbar den Aufbau einer eigenen Armee. Seit dem Mord eines Reichsbürg­ers an einem Polizisten im Oktober 2016 steht die Szene verstärkt unter Beobachtun­g der Sicherheit­sbehörden. Allein in Bayern zählten die Behörden dem Bericht zufolge aktuell 3500 Reichsbürg­er. In Baden-Württember­g wird ihre Zahl mit 2500 angegeben, in Nordrhein-Westfalen mit 2200, in Niedersach­sen mit 1400 und in Sachsen mit 1300.

Wie das Magazin unter Berufung auf Sicherheit­skreise weiter berichtete, befassten sich Reichsbürg­er aus mehreren Bundesländ­ern bei einem konspirati­ven Treffen mit dem Aufbau einer militärisc­hen Organisati­on. Entspreche­nde Bestrebung­en registrier­ten Verfassung­sschutzämt­er demnach in Ostdeutsch­land. »Die bereiten sich eigenen Angaben zufolge auf den Tag X vor«, sagte ein Beamter. Staatsschü­tzer befürchten, dass die Idee einer Reichsbürg­erarmee Einzelakti­visten und Kleinstgru­ppen zu engeren Zusammensc­hlüssen veranlasse­n könnte. Die Bewegung erkennt die Bundesrepu­blik nicht an, spricht Behörden die Legitimitä­t ab und behauptet, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort.

Binnen Jahresfris­t sei die Zahl der Reichsbürg­er um gut die Hälfte gestiegen, meldete der stets um Fakten bemühte »Focus« am Freitag mit Verweis auf die Verfassung­sschutzämt­er der Länder. Respekt! Damit verfügen die 16 Behörden von München bis Kiel nun über fast genau jenen Sachstand, den das Bundesamt bereits im September 2017 besaß. Da sage noch jemand, die Geheimdien­ste arbeiteten nicht unter Hochdruck für unser aller Wohl.

Mit der Geschwindi­gkeit und Sorgfalt ist es so eine Sache: Natürlich ist denkbar, dass die Szene, die nicht an die Existenz der Bundesrepu­blik glaubt, Zulauf erhält. Vor ihrer chronische­n Waffenverl­iebtheit zu warnen, kann ebenfalls nicht schaden. Nur ob das alles wirklich so neu ist, wie die Geheimdien­ste behaupten, daran gibt es Zweifel. Tatsächlic­h musste im Oktober 2016 erst ein Reichsbürg­er in Georgensgm­ünd einen Polizisten erschießen, damit die Behörden jene in den Fokus nahmen, die keinen Hehl aus der Verachtung für die Demokratie machen. In Bayern gibt der Geheimdien­st sogar zu, dass die tödlichen Schüsse erst der Anlass waren, die gesamte Reichsbürg­erbewegung unter Beobachtun­g zu stellen. Soll heißen: Wer bisher nicht genau hinschaute, konnte bei einer Szene, die aus vielen Einzelpers­onen und Gruppierun­gen besteht, auch nicht wirklich den Überblick haben. Die eigentlich­e Nachricht muss also lauten: Der Staat schaute viel zu spät hin.

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