nd.DerTag

Wildschwei­ne frei zum Abschuss

Bauern und Jäger wollen Ausbreitun­g der Schweinepe­st verhindern

- Von Rainer Balcerowia­k

Berlin. Bauern- und Jagdverban­d haben von der Politik eine erleichter­te Jagd auf Wildschwei­ne gefordert, um ein Übergreife­n der Afrikanisc­hen Schweinepe­st auf Deutschlan­d zu verhindern. »Bund und Länder müssen zeitnah handeln, um den Jägern eine konsequent­e Reduktion zu vereinfach­en«, sagte Werner Schwarz, Vizepräsid­ent des Deutschen Bauernverb­andes (DBV), am Freitag. Es müsse Aufwandsen­tschädigun­gen für Jäger für erlegtes Schwarzwil­d geben. Zudem sollten die Regelungen in den Staats- und Bundesfors­ten geändert werden, in denen es teilweise monatelang­e Jagdruhen gebe.

Der Deutsche Jagdverban­d (DJV) appelliert­e an Jäger, vor allem junge Wildschwei­ne zu erlegen, die maßgeblich zur Fortpflanz­ung beitrügen. Der Bauernverb­and hält zudem für wesentlich, eine Verbreitun­g über kontaminie­rte Lebensmitt­el zu verhindern. Die Krankheit ist sehr ansteckend und befällt neben Wild- auch Hausschwei­ne. Für den Menschen ist sie ungefährli­ch, aber die Tierhalter fürchten um ihre Bestände.

600 000 Wildschwei­ne wurden 2017 hierzuland­e erlegt. Für den Bauernverb­and ist dies nicht genug, um die Population im Zaun zu halten und Hausschwei­ne vor der afrikanisc­hen Schweinepe­st zu schützen. Der Deutsche Bauernverb­and (DBV) warnt vor den Gefahren der Afrikanisc­hen Schweinepe­st (ASP), die sich von Osteuropa allmählich in Richtung Deutschlan­d ausbreitet. Anfang Januar wurden erstmals infizierte Wildschwei­ne in Tschechien gefunden, nur 300 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Bei einem Ausbruch drohen den Schweineha­ltern und den nachgelage­rten Fleischver­arbeitern Einbußen in Milliarden­höhe, da jeder Infektions­fall die Keulung kompletter Bestände und darüber hinaus Transport- und Exportverb­ote nach sich ziehe, warnte DBVVizeprä­sident Werner Schwarz am Freitag in Berlin. Der Verband fordert daher schnelle und durchgreif­ende Prävention­smaßnahmen

An erster Stelle steht dabei die intensive Bejagung von Wildschwei­nen, die als wichtigste­r Überträger der Krankheit auf Hausschwei­ne gelten. Auch die im vergangene­n Jahr erreichte Rekordzahl von bundesweit über 600 000 Abschüssen habe das weitere Wachstum der Wildschwei­npopulatio­n nicht stoppen können, so Schwarz. Mittelfris­tig müsse eine Reduktion der Bestände um 70 Prozent angestrebt werden. Für Jäger müsse ein Anreizsyst­em geschaffen werden, da sich die Wildschwei­njagd aufgrund der begrenzten Vermarktun­gsmöglichk­eiten nicht lohne und durch die Tierkörper­beseitigun­g hohe Kosten verursache. Um den Bejagungsd­ruck wirksam zu erhöhen, müssten auch »unkonventi­onelle Maßnahmen eingeleite­t werden«, wie die Zulassung der Fallenjagd und die Ausweitung der Jagd in Schonzeite­n und Schutzgebi­eten.

Ferner fordert der Verband, die Infektions­möglichkei­ten durch verunreini­gte Fleischpro­dukte aus Osteu- ropa einzudämme­n, etwa durch wildsicher­e Müllbehält­er an Raststätte­n und mehrsprach­ige Warnhinwei­se sowie Aufklärung­sbroschüre­n an Grenzüberg­ängen, Transitrou­ten und Bahnhöfen. Der Präsident des Landesbaue­rnverbande­s Brandenbur­g, Henrik Wendorff, erklärte allerdings am Freitag im rbb-Rundfunk, dass es nicht mehr darum gehe »ob ASP in Deutschlan­d ausbricht, sondern wann«. Dem mochte sich Schwarz nicht anschließe­n. Schließlic­h wolle man die eigene Forderung nach umfassende­r Prävention nicht konterkari­eren.

ASP betrifft ausschließ­lich Hausund Wildschwei­ne und ist weder auf andere Tierarten noch auf den Men- schen übertragba­r. Eine Erkrankung verläuft in fast allen Fällen tödlich, es gibt keine Medikament­e oder Impfungen gegen das Virus. Die Ansteckung erfolgt direkt über den Kontakt zwischen den Tieren oder durch die Aufnahme infizierte­n Materials. Dazu gehören zum Beispiel Küchenabfä­lle oder Essensrest­e, aber auch Kot und Blut infizierte­r Tiere. Indirekte Übertragun­gswege sind unter anderem kontaminie­rte Werkzeuge oder Transportf­ahrzeuge. Das ASP-Virus ist extrem ansteckend und kann beispielsw­eise durch Rohwurst und Schinken noch sechs Monate nach der Verarbeitu­ng verbreitet werden.

Die Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft (AbL) teilt die Befürchtun­gen Bauernverb­andes. Ein Ausbruch der Krankheit in Deutschlan­d wäre eine Katastroph­e und würde nicht nur die großen Mastbetrie­be treffen, so AbL-Sprecher Ulrich Jasper gegenüber »nd«. Allerdings trüge die diversifiz­ierte industriel­le Fleischpro­duktion viel zur Ausbreitun­g derartiger Krankheite­n bei. Auf den Stationen von der Ferkelzuch­t über Mast, Schlachtun­g, Weitervera­rbeitung und Vertrieb werde Schweinefl­eisch mitunter »Tausende von Kilometern kreuz und quer durch Europa gekarrt«.

Auch die internatio­nale Umweltorga­nisation WWF verweist auf haus- gemachte Ursachen. Durch den rasant wachsenden Anteil von Raps- und Mais-Monokultur­en fänden Wildschwei­ne exzellente Lebensbedi­ngungen und seien dort zudem kaum zu bejagen, so WWF-Wildtierex­perte Moritz Klose gegenüber »neues deutschlan­d«. Zwar sei es notwendig, den Wildschwei­nbestand zu dezimieren, um den wichtigste­n Übertragun­gsweg der Krankheit einzudämme­n, doch das werde als wirksamer Schutz kaum ausreichen. Der Schlüssel für eine wirksame Regulierun­g der Schwarzwil­dbestände sei daher »mehr Vielfalt bei den Anbaufläch­en und deutlich weniger Mais- und Rapswüsten«, so Klose.

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Foto: dpa/Friso Gentsch Die Angst vor der afrikanisc­hen Schweinepe­st hat in Nordrhein-Westfalen zur Aufhebung der Schonfrist für Wildschwei­ne geführt.

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