nd.DerTag

Wider die moralische Indifferen­z!

- Foto: imago/blickwinke­l

Der Protestant­ismus in seiner calvinisti­schen Ausprägung hat doch gesiegt. Es hat zwar gut 500 Jahre gedauert, aber der Katholizis­mus mit seinem Hang zur moralische­n Indifferen­z ist niedergeru­ngen. Diese Woche zeigte der Calvinismu­s, dessen Credo darin besteht, dass jeder Mensch zur tugendhaft­en Lebensführ­ung verpflicht­et sei, will er nicht dereinst im Fegefeuer landen, wie weit er es gebracht hat. Bei der Verleihung der Golden Globes in Los Angeles erschienen viele weibliche, aber auch männliche Schauspiel­er und Prominente schwarz gekleidet. Mit dieser wohlfeilen, aber folgenlose­n Aktion sollte ein Zeichen gegen sexuelle Übergriffe in der Filmbranch­e gesetzt werden. Das deutsche Fotomodel Barbara Meier entschied sich dennoch für ein Blümchen-Kleid und musste sich deshalb den Vorwurf gefallen lassen, unsolidari­sch mit den Opfern sexueller Gewalt zu sein. Das Wesen der Tugendhaft­igkeit bestand schon immer in ihrer Selbstüber­höhung, an der sie sich ergötzt und mit der sie sich über andere erhebt; als größter Feind gilt ihr das eigene Wollen, das Laster, das sie mit Charakters­chwäche gleichsetz­t.

Wo aber an die Stelle von Politik der Appell tritt, wo nicht mehr die Veränderun­g von Gesellscha­ft, sondern blinder Moralismus herrscht, ist der Tugendterr­or nicht weit. Am Mittwoch forderte die CSU-Politikeri­n Marlene Mortler die nationale Filmindust­rie auf, Filme zu produziere­n, in denen nicht oder wenigstens weniger geraucht wird. Die Filmwirtsc­haft müsse »sich des eigenen Einflusses auf die Gesundheit der Zuschauer bewusst werden«, erklärte die Drogenbeau­ftragte der Bundesregi­erung, die in ihrem Ursprungsb­eruf als Hopfenanba­uerin Erfahrung mit der Herstellun­g von Drogen hat.

Rauchen ist unzweifelh­aft gesundheit­sschädlich, auch sind Raucher charakters­chwache Menschen. Der Schreiber dieser Zeilen bekennt hiermit, Nichtrauch­er aus Leidenscha­ft zu sein und Orte zu meiden, an denen diesem Laster gefrönt wird. Auch wird er sich Filme, in denen geraucht wird, künftig aus Solidaritä­t mit allen Opfern des Passivrauc­hens nur noch mit Abscheu anschauen.

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