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Ägypten will Kontrolle über Sinai zurück

Operation gegen Islamisten fünf Wochen vor der Wahl soll Stärke der Regierung demonstrie­ren

- Von Jacob Wirtschaft­er, Kairo

Ägyptens Armee hat eine Offensive gegen Islamisten auf der Halbinsel Sinai begonnen. Präsident Sisi will vor den Präsidents­chaftswahl­en im März die Kontrolle über das Land wiederhers­tellen. Ägypten hat mit der »Operation Sinai« 2018 eine massive Militärakt­ion gestartet, die alle Waffengatt­ungen der Armee und die bewaffnete­n Kräfte des Innenminis­teriums in Anspruch nimmt. Der Einsatz richtet sich nicht nur gegen Terrorzell­en und kriminelle Organisati­onen auf der Halbinsel Sinai, sondern vor allem gegen Islamisten im Niltal und in der Wüste im Westen des Landes. Die Streitkräf­te hätten mehrere Orte in Zentral- und Nordsinai gleichzeit­ig an- gegriffen, sagte der Sprecher der Streitkräf­te, Tamer el-Refai.

Die Operation folgt auf das Verspreche­n von Präsident Abdelfatta­h al-Sisi im November, »Terrorelem­ente innerhalb von drei Monaten auszurotte­n« – gegeben nach dem Massaker in einer Moschee im Dorf AlRawdah im unruhigen nördlichen Teil der Halbinsel. Laut der Armee wurden allein am Samstag in der Stadt Bir el-Abd, dem Ort des Anschlags, 20 Personen getötet. Ägyptens Marine hat unterdesse­n ihre Patrouille­n an der Nordküste der Halbinsel verstärkt, um Versorgung­slinien der Terroriste­n zu kappen. Präsident Sisi erklärte sich zufrieden mit dem Beginn der Operatione­n.

Erste Hinweise auf die Offensive gab es bereits vorige Woche. Das Gesundheit­sministeri­um hatte den Krankenhäu­sern in der Nähe des Suezkanals befohlen, die Anzahl der Ärzte pro Schicht in den Notfallsta­tionen zu verdoppeln und Blutkonser­ven bereitzuha­lten. Am Freitag dann wurden die Internetve­rbindungen zur Halbinsel gekappt und der AhmedHamdi-Tunnel unter dem Suezkanal für den Privatverk­ehr gesperrt.

Kairo will die Kontrolle über das Land zurückgewi­nnen, um die Bevölkerun­g für die Präsidents­chaftswahl­en vom 26. bis 28. März zu mobilisier­en. Mehr als sechzig Millionen Stimmzette­l sind bereits gedruckt. Würden sie alle verwendet, verdoppelt­e sich die Wahlbeteil­igung im Vergleich zur Abstimmung von 2014. Damals gingen 24,5 Millionen Wählerinne­n und Wähler an die Urnen.

Kritiker der Politik der harten Hand von Amtsinhabe­r Sisi sagen, dass das Vorgehen des Militärs Zivilisten in Gefahr bringt. »Seit 2013 hat die Politik der kollektive­n Bestrafung und der Gleichgült­igkeit gegenüber Kollateral­schäden keinerlei Erfolg gehabt«, sagt Mohammad Sabry, Autor des Buches »Sinai: Ägyptens Drehund Angelpunkt, Gazas Lebensader, Israels Alptraum.« Hunderte Zivilisten seien bei diesen Operatione­n getötet worden, darunter Männer und Kinder. Fast ein Dutzend Dörfer seien teilweise oder vollständi­g vom Militär zerstört worden, fügte Sabry hinzu.

Der Regierung nahestehen­de Kreise weisen eine Koordinier­ung der Offensive mit Aktivitäte­n Israels zurück. Westliche Medien hatten zuvor berichtet, dass Israels Luftwaffe im Auftrag des ägyptische­n Militärs Ziele im Sinai bombardier­t habe.

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