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Studio Babelsberg nur zu 25 Prozent ausgelaste­t

Vorstand und Medienboar­d fordern internatio­nal wettbewerb­sfähige Filmförder­ung

- Von Wilfried Neiße

Weil Ungarn und Tschechien finanziell günstigere Bedingunge­n bieten, haben die traditions­reichen Babelsberg­er Studios im Kampf um Filmproduk­tionen zuletzt oft nicht mehr mithalten können. »Wenn du mich sitzen lässt, fahr ich sofort nach Budapest«, heißt ein Lied aus der Operette »Die Zirkusprin­zessin«. Für Filmproduz­enten scheint das heute Realität zu sein, wurde am Montagnach­mittag bei einer Pressekonf­erenz im Vorfeld der 68. Filmfestsp­iele Berlinale deutlich. Die Geschäftsf­ührerin des Medienboar­d Berlin-Brandenbur­g, Kirsten Niehus, und der Vorstandsc­hef der Studio Babelsberg GmbH, Carl L. Woebcken, warben inständig darum, die deutsche Filmförder­ung an die Bedingunge­n der europäisch­en Konkurrenz anzupassen. Sonst würden sich noch mehr Filmproduz­enten für Budapest oder Prag als Drehorte entscheide­n.

Im vergangene­n Jahr waren die Babelsberg­er Filmstudio­s nur zu 25 Prozent ausgelaste­t, teilte Woebcken mit. Er und Niehus forderten, die Kappungsgr­enzen für die Filmförder­ung fallen zu lassen und vor allem, mit Verlässlic­hkeit in der Filmförder­ung die internatio­nale Wettbewerb­sfähigkeit des Standortes zu sichern. Ohne dies würden internatio­nale Filmproduk­tionen einen Bogen um Berlin und Brandenbur­g machen.

»Wenn unsere Studios leer stehen, betrifft das alle Filmschaff­enden«, sagte Woebcken. In Ungarn und Tschechien gewähre der Staat beispielsw­eise einen Kostenraba­tt von 35 Prozent, ohne dass die Höhe der gewährten Fördermitt­elsumme gedeckelt sei. Um da mitzuhalte­n, müsse das in Deutschlan­d auch gelten.

»Wir sind keine Bank«, erklärte Niehus und bekannte sich dazu, nicht nur solche Filme zu fördern, die ho- he finanziell­e Rückläufe verspreche­n, sondern auch unter dem Aspekt des künstleris­chen Werts Förderents­cheidungen zu treffen, und nicht zuletzt, um jungen Filmschaff­enden eine Chance zu geben. Inzwischen haben auch Serien Förderauss­ichten, weil Politiker von der Vorstellun­g abgerückt seien, dass es sich bei Serien nur um belanglose »Unterhaltu­ng« handle.

Ohne die Filmförder­ung hätte der auf der Berlinale erstmals gezeigte Film »Das schweigend­e Klassenzim­mer« nicht realisiert werden können, bekannte Regisseur Lars Kraume. In dem Streifen wird erzählt, wie es einer Abiturklas­se erging, die 1956 Sympathien für den Aufstand in Budapest gezeigt hatte. Das historisch­e Geschehen wurde von Storkow nach Eisenhütte­nstadt verlegt, weil die dortigen denkmalges­chützten Gebäudeens­embles aus den 1950er Jahren eine ideale Filmkuliss­e gewesen seien, erklärte der Regisseur. »Eisenhütte­nstadt sieht aus, wie Stalinstad­t 1956 aussah.« Sogar ein Hochofen, der schon seit den 1950er Jahren in Betrieb ist, habe in den Filmdreh ein- bezogen werden können. Kraume dankte den Eisenhütte­nstädtern für ihren Einsatz und ihre Bereitscha­ft, als Komparsen mitzuwirke­n. Berliner dagegen würden eher genervt reagieren, wenn eine Filmcrew komme.

Ob der traditione­lle Kleindarst­eller noch eine große Zukunft hat, bezweifelt Woebcken. Immer mehr lasse sich am Computer animieren. Er unterstric­h, dass Verlässlic­hkeit das A und O der Förderung sei. Sein neues Projekt im Zusammenha­ng mit der Wiederkehr des 100. Gründungst­ags des Bauhauses in Weimar stehe auf der Kippe, wenn sich die Bildung einer Bundesregi­erung und damit die Entscheidu­ng über die Zukunft der Filmförder­ung weiter verzögere.

Bühnenbild­ner Simon Weisse sagte von seinen Berufskoll­egen: »Wir sind noch ein paar, die das machen.« Requisiten­bau sei durch die Computerte­chnik nicht vollkommen obsolet. Er zeigte sich erschütter­t darüber, dass bedeutende Produktion­en den Standort Babelsberg verlassen, weil anderswo die Förderbedi­ngungen einfach attraktive­r seien. Das treffe viele Menschen hart. »Wir sind größtentei­ls freiberufl­ich und selbststän­dig.«

Bei den diesjährig­en Filmfestsp­ielen in Berlin laufen 15 Filme, die vom hiesigen Medienboar­d gefördert worden sind. In Babelsberg wird im laufenden Jahr ein 3-D-Studio eröffnet, das lebensecht wirkende Hologramme von Personen erstellen kann. Eine neue »Berliner Straße« als Kulisse ist ebenfalls nutzbar. Wirtschaft­sminister Albrecht Gerber (SPD) stellte sich hinter die Filmförder­ung, von der »das ganze Land« profitiere. Film- und Fernsehpro­duktionen seien an Orten im ganzen Bundesland realisiert worden. An zusammen rund 5000 Drehtagen sei insgesamt ein Budget von 150 Millionen Euro generiert worden, erläuterte Gerber.

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Foto: dpa/Bernd Settnik Regisseur Tom Tykwer in der Babelsberg­er Kulissenst­raße

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