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Nahverkehr zum Nulltarif

Bund erwägt Unterstütz­ung von Städten und Ländern zur Verbesseru­ng der Luftqualit­ät

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Angesichts der anhaltende­n Nichteinha­ltung der Schadstoff-Grenzwerte in deutschen Städten sucht die Bundesregi­erung mittlerwei­le nach unkonventi­onellen Maßnahmen gegen die schlechte Luft.

Berlin. Die Bundesregi­erung will angesichts einer drohenden Klage der EU-Kommission ihre Maßnahmen für saubere Luft in deutschen Städten ausweiten. Der Bund erwägt zusammen mit Ländern und Kommunen einen kostenlose­n öffentlich­en Nahverkehr, um die Zahl privater Fahrzeuge zu verringern. Das geht aus einem Brief von Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD), Verkehrsmi­nister Christian Schmidt (CSU) und Kanzleramt­schef Peter Altmaier (CDU) an EU-Umweltkomm­issar Karmenu Vella hervor. Das Schreiben lag der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag vor. Zuerst hatte das Magazin »Politico« darüber berichtet.

Bislang gibt es in Deutschlan­d nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsun­ternehmen (VDV) keinen kostenlose­n Nahverkehr. Der Vorschlag zum ÖPNV könnte bedeuten, dass der Bund Länder und Kommunen finanziell dabei unterstütz­t, wenn diese einen kostenlose­n öffentlich­en Nahverkehr einführen wollen. In vielen deutschen Städten werden Schadstoff-Grenzwerte nicht eingehalte­n.

»Wir sehen das auch sehr kritisch«, sagte eine VDV-Sprecherin am Dienstag. Mit rund zwölf Milliarden Euro jährlich finanziert­en sich die Verkehrsbe­triebe etwa zur Hälfte aus dem Ticketverk­auf. »Das müsste am Ende der Steuerzahl­er finanziere­n.« Weitere Milliarden wären nötig für neue Busse, Bahnen und Personal. Denn: »Wir hätten bei einem kostenlose­n Angebot einen enormen Fahrgastzu­wachs.«

Der Städtetag äußerte sich überrascht von dem Verstoß und erwartet von der Bundesregi­erung Klarheit, wie ein möglicher kostenlose­r Nahverkehr in Städten finanziert werden soll. »Die Idee, Tickets im Nahverkehr günstiger zu machen, gibt es in einigen Städten. Wer kostengüns­tigen Nahverkehr will, muss das aber auch finanziere­n können«, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Städtetage­s, Helmut Dedy. »Das gilt erst recht für kostenlose­n Nahverkehr.«

Von den beteiligte­n Ministerie­n gab es zunächst keine Stellungna­hme. Die Bundesregi­erung stellt in dem Brief an die EU-Kommission noch andere Maßnahmen vor. So verweist sie auf das bereits auf den Weg gebrachte Milliarden­programm für bessere Luft in Städten. Außerdem sollen »bei Bedarf« Städte darin unterstütz­t werden, wirksame Verkehrsre­geln auf den Weg zu bringen, um die von Autos verursacht­e Umweltvers­chmutzung zu reduzieren. Für den Schwerlast­verkehr solle es »Niedrigemi­ssionszone­n« geben. Die Wirksamkei­t von Maßnahmen für eine bessere Luft solle in fünf »Modellstäd­ten« getestet werden – und zwar in Bonn, Essen, Herrenberg (Baden-Württember­g), Reutlingen und Mannheim.

Der Test eines kostenlose­n öffentlich­en Nahverkehr­s steht nach Einschätzu­ng des Bonner Oberbürger­meisters Ashok Sridharan aber vor einer Reihe von Problemen. »Das können wir in Bonn nicht alleine entscheide­n«, sagte Sridharan. Bonn sei Mitglied im Verkehrsve­rbund RheinSieg. »Wenn wir kostenlose­n Nahverkehr anbieten wollten, müssten alle Verbundpar­tner zustimmen.« Auch die Deutsche Bahn müsse mit ins Boot geholt werden. Zudem müsste die Zahl der Busse und Straßenbah­nen deutlich erhöht werden. »Mir ist aber kein Hersteller bekannt, der kurzfristi­g Elektrobus­se in der Stückzahl liefern kann, die wir bräuchten.«

Die Bundesregi­erung sei auf Bonn zugekommen, sagte Sridharan. »Wir stehen bereit und haben Ideen, die wir noch einbringen können.« So könne er sich den Ausbau von Radwegen vorstellen. »Das lässt sich relativ schnell umsetzen und bringt die gewünschte­n Effekte.« Die Reduzierun­g von Dieselfahr­zeugen in den Flotten von Unternehme­n und Behörden spiele in Bonn mit Konzernen wie der Telekom und der Post eine große Rolle. Auch die Stadt setze verstärkt auf E-Fahrzeuge. »So haben wir Lieferwage­n mit Elektroant­rieb, wie sie auch die Post einsetzt, für das Grünfläche­namt angeschaff­t.«

In ihrem Koalitions­vertrag hatten Union und SPD vereinbart, gemeinsam mit Ländern und Kommunen die Anstrengun­gen für eine Verbesseru­ng der Luftqualit­ät vor allem in besonders belasteten Städten erheblich zu verstärken.

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Foto: dpa/Marcel Kusch Essen soll Modellstad­t für kostenlose­n Nahverkehr werden.

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