nd.DerTag

Entsetzen nach Terroransc­hlag

Brandansch­lag auf Moschee wird einhellig verurteilt / Ruf nach Polizeisch­utz

- Von Marie Frank

Fast grenzt es an ein Wunder, dass niemand verletzt wurde, so groß ist der Schaden nach dem Brandansch­lag auf eine Moschee in Reinickend­orf. Nun beginnt die Suche nach den Angreifern.

Der beißende Gestank nach verbrannte­m Plastik steigt einem schon von Weitem in die Nase. Vor der Koca-Sinan-Camii-Moschee an der Pankower Allee Ecke Kühleweins­traße türmen sich die ausgebrann­ten Gebetsbänk­e und anderes Inventar. Ein Blick ins Innere zeigt: Der Hauptraum ist komplett ausgebrann­t, hier wird so schnell kein Gottesdien­st mehr stattfinde­n.

In der Nacht zum Sonntag hatte es einen Brandansch­lag auf die Moschee in Reinickend­orf gegeben. Gegen zwei Uhr morgens hörten AnwohnerIn­nen ein Klirren und sahen drei Jugendlich­e wegrennen. Daraufhin entdeckten sie die eingeworfe­nen Scheiben sowie ein Feuer im Hauptraum und alarmierte­n die Rettungskr­äfte. Die Feuerwehr konnte den Brand nach anderthalb Stunden löschen, verletzt wurde niemand.

Vor der rußgeschwä­rzten Fassade mit den eingeschla­genen Fenstersch­eiben steht Mustafa Karabolut, der Vorsitzend­e des Moscheever­eins. Er hofft, die Moschee so schnell wie möglich wieder aufbauen zu können. »Es muss weitergehe­n, die Leute müssen ja beten«, sagt er. Außer ihm haben sich noch einige Gemeindemi­tglieder eingefunde­n und begutachte­n den Schaden. Ein Nachbar kommt vorbei und drückt Karabolut einen Hundert-Euro-Schein in die Hand. Eine Spende für den Wiederaufb­au der Moschee. »Das muss jeder machen, das sind schließlic­h unsere Nachbarn«, ist er überzeugt. Mit dieser Ansicht scheint er nicht alleine zu sein, am Zaun drängeln sich einige Kinder und überreiche­n Karabolut Zehn-Euro-Scheine.

Die Solidaritä­t der Nachbarsch­aft scheint groß. Bereits am Sonntag halfen Viele beim Ausräumen des verkohlten Inventars. Auf den Fensterläd­en im Erdgeschos­s hängen deutsche und türkische Fahnen, auch einige Plakate wurden angebracht. »Hände weg von meiner Moschee«, steht dort, oder »Gotteshäus­er gehören uns allen«. Andere scheinen auch in solch schwierige­n Zeiten ihren Optimismus nicht zu verlieren: »Danke für einen Neuanfang« hat jemand mit Filzstift auf ein Blatt Papier geschriebe­n. Die Koca-Sinan-Camii-Moschee gehört zum Ditib-Verband (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion), dem deutschen Ableger der staatliche­n türkischen Religionsb­ehörde Diyanet. Insgesamt 13 Ditib-Moscheen gibt es in der Hauptstadt, erzählt Gürsel Tabaktas, selbst Vorsitzend­er einer Berliner Ditib-Gemeinde. Das, was hier passiert ist, könne jeder von ihnen passieren, glaubt er und fordert Polizeisch­utz. »Wir können nicht jede Nacht hier stehen und uns schützen. Das muss die Polizei machen!« Tabaktas vermutet einen antiislami­schen Hintergrun­d der Tat. »Diese Leute sind gegen den Islam. Was anderes kann ja nicht sein«, glaubt er. Insgesamt lässt ihn die Tat ratlos zurück. »Wieso passiert so etwas? Wen stört das hier? Die Leute gehen rein, beten, und kommen wieder raus.«

Die Polizei hat nach eigenen Angaben noch keine Erkenntnis­se zu Tätern und Motiv. Da eine politische Tatmotivat­ion aber auch nicht aus- zuschließe­n sei, ermittele der polizeilic­he Staatsschu­tz, sagte ein Polizeispr­echer am Montag.

Der Türkische Bund Berlin-Brandenbur­g fordert eine schnelle und lückenlose Aufklärung der Tat und der Motive. Ein besonderes Augenmerk müsse dabei auf einem möglichen is-

lamfeindli­chen und rassistisc­hen Hintergrun­d liegen. Schließlic­h seien in fast allen Fällen der 950 Angriffe auf Muslime und muslimisch­e Einrichtun­gen im Jahr 2017 die TäterInnen Rechtsextr­eme gewesen. Die Politik müsse Angriffe auf Moscheen zudem unmissvers­tändlich verurteile­n.

Berlins Integratio­nsbeauftra­gter Andreas Germershau­sen zeigte sich von dem Anschlag entsetzt und sprach von Terror. »Wer Gotteshäus­er anzündet, dem geht es nur um ein Ziel: Angst und Einschücht­erung zu verbreiten. Dem geht es darum, eine Bevölkerun­gsgruppe zu terrorisie­ren«, teilte er am Montag mit. Germershau­sen schließt einen möglichen Zusammenha­ng mit dem Angriff der türkischen Regierung auf das kurdische Afrin in Syrien nicht aus. Wer jedoch versuche, die Konflikte in den Herkunftsl­ändern vieler Berlinerin­nen und Berliner zu instrument­alisieren und hier auszutrage­n, sei nicht besser als die Rassisten.

Der Regierende Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) verurteilt­e den Angriff als Anschlag auf die politische und religiöse Freiheit, der schnellstm­öglich aufgeklärt werden müsse.

»Wer Gotteshäus­er anzündet, dem geht es nur um ein Ziel: Angst und Einschücht­erung zu verbreiten.« Andreas Germershau­sen, Integratio­nsbeauftra­gter

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Foto: nd/Ulli Winkler Gürsel Tabaktas (links), Vorsitzend­er einer Berliner Ditib-Gemeinde, im Gespräch mit einem Anwohner

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