nd.DerTag

Westen auf Kriegskurs

Nach dem Angriff der USA und ihrer Verbündete­n auf Syrien ist die Rückkehr zum Dialog ein Gebot der Stunde

- Von Roland Etzel

Die Raketenang­riffe des Westens auf Syrien haben das ohnehin gespannte internatio­nale Klima weiter verschärft. Gleichzeit­ig mehren sich Stimmen nach Rückkehr zum Dialog.

Die Militärsch­läge der USA, Großbritan­niens und Frankreich­s auf Ziele in Syrien wegen eines angebliche­n Chemiewaff­en-Einsatzes in der Nacht zu Sonnabend sind noch am selben Tag Gegenstand einer Sondersitz­ung des UNSicherhe­itsrates gewesen. Russland hatte das Treffen verlangt und die Raketenang­riffe scharf verurteilt. Der Überfall auf ein souveränes Land, so der russische Vertreter im Rat, sei ein schwerer Verstoß gegen das Völkerrech­t. Außerdem entstehe der Verdacht, dass die USA ihre Attacke durchziehe­n wollten, ehe die in Syrien angekommen­en Chemiewaff­enInspekte­ure zu für die USA unangenehm­en Resultaten kommen könnten.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte bereits zuvor in Moskau, an die US-Regierung gewandt, erklärt: »Sie begünstige­n tatsächlic­h die Terroriste­n, die das syrische Volk schon seit sieben Jahren quälen, und provoziere­n eine neue Flüchtling­swelle aus dem Land und der ganzen Region.« Die gegenwärti­ge Eskalation der Situation in Syrien habe eine verheerend­e Wirkung auf die gesamten internatio­nalen Beziehunge­n. Dessen ungeachtet wurde ein Resolution­sentwurf, der den Angriff verurteilt hätte, im Sicherheit­srat mit acht zu drei Stimmen, bei vier Enthaltung­en, abgelehnt.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel hatte zwar noch am Donnerstag eine aktive deutsche Mitwirkung an einem Angriff auf Syrien abgelehnt, die Aktion am Sonnabend gleichwohl gutgeheiße­n. Dpa zitierte sie am Sonnabend mit den Worten. »Der Militärein­satz war erforderli­ch und angemessen, um die Wirksamkei­t der internatio­nalen Ächtung des Chemiewaff­eneinsatze­s zu wahren und das syrische Regime vor weiteren Verstößen zu warnen.«

Die USA und Frankreich drohten am Sonntag mit weiteren Angriffen auf Syrien, sollten dort erneut Chemiewaff­en zum Einsatz kommen. US-Präsident Donald Trump, der dem Vernehmen nach noch umfangreic­here Angriffe befehlen wollte, aber von seinem Verteidigu­ngsministe­r James Mattis gebremst worden sein soll, hatte sich zuvor überschwän­glich über den Erfolg der Militärakt­ion geäußert. Es sei ein »perfekt ausgeführt­er Schlag« gewesen, Trump auf Twitter. Das Ergebnis hätte nicht besser sein können: »Mission erfüllt!« nahm er wohl nicht zufällig ein Wort seines Amtsvorgän­gers George Bush jun. nach der US-Invasion Iraks vor 15 Jahren auf.

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, zuvor eine der treibenden Kräfte für einen Angriff auf Syrien, sieht jedoch auch einen Notwendigk­eit zum Dialog zu rückzukehr­en, vor allem mit Russland. Trotz der Konfrontat­ionen mit Moskau bleibt es bei seiner Reise nach Russland. Der Besuch des Internatio­nalen Wirtschaft­sforums in St. Peterburg sei davon nicht in Frage gestellt, sagte der französisc­he Außenminis­ter Jean-Yves Le Drian am Samstag dem französisc­hen Fernsehsen­der BFMTV. Macron war von Putin zu dem Forum am 24. und 25. Mai eingeladen worden.

Auch Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier mahnte die Großmächte, den Gesprächsf­aden nicht abreißen zu lassen. Er rief Moskau und Washington zu einer gemeinsame­n Friedensin­itiative auf. »Die großen Mächte«, zitiert dpa Steinmeier, »tragen größere Verantwort­ung. Hier muss ein erster Schritt erfolgen. Das sind Putin und Trump der Welt schuldig«, sagte er gegenüber »Bild am Sonntag«.

Die syrische Regierung hatte wie ihre Schutzmäch­te Iran und Russland den Angriff als ungerechtf­ertigt und Bruch des Völkerrech­ts verurteilt. Präsident Baschar al-Assad zeigte sich im übrigen betont unbeeindru­ckt. Das syrische Fernsehen zeigte ihn am Morgen nach dem Angriff mit Aktentasch­e beim Betreten des Regierungs­palastes. »Die Aggression«, so Assad laut der Nachtricht­enagentur Sana, »wird Syrien und die Syrer noch entschloss­ener machen, weiterzukä­mpfen und den Terror in jedem Teil des Landes zu zerschlage­n.« Das syrische Fernsehen zeigte mit syrischen Staatsflag­gen demonstrie­rende Menschen in Aleppo, Damaskus und anderen Städten.

Ebenfalls am Sonnabend war vom syrischen Fernsehen berichtet worden, dass nach dem Abzug der letzten islamistis­chen Aufständis­chen aus der Ost-Ghuta die syrische Armee nach eigenen Angaben nun die volle Kontrolle über die Ost-Ghuta habe; jenes Gebiet, das seit 2013 von Regierungs­gegnern gehalten worden war und in dem auch der Giftgas-Einsatz stattgefun­den haben soll. Russische Spezialist­en erklärten am selben Tag, dass sie dort bisher keine Spuren der dort angeblich eingesetzt­en Substanzen vorgefunde­n habe. Das sollen jetzt auch die UNO-Inspekteur­e prüfen, die am Sonntag auf dem Wege in die Region waren.

In Deutschlan­d lösten die Angriffe auf Syrien heftige Kontrovers­en zwischen Regierung und Opposition aus. Während Außenminis­ter Heiko Maas den Überfall u. a. mit »der schwierige­n Situation im UN-Sicherheit­srat« rechtferti­gte, fordert die LINKE, die Bundesregi­erung sollte besser besonnen auftreten und weitere Beistandsb­ekundungen unterlasse­n.

In der Nacht auf Samstag haben die USA, Großbritan­nien und Frankreich Militärsch­läge gegen Syrien ausgeführt. Die Attacken, bei denen sich Washington und Moskau direkt gegenübers­tehen, erschweren eine Friedenslö­sung und stärken allenfalls den bereits schwer angeschlag­enen Islamische­n Staat.

Der US-Präsident hatte den Militärsch­lag gegen Syrien lange angekündig­t. Er wollte Vergeltung für einen C-Waffenangr­iff des AssadRegim­es. Von dem unklar ist, ob es ihn gegeben hat.

So sich überhaupt eine halbwegs gute Nachricht in all dem Überfallir­rsinn finden lässt, dass ist es diese: USVerteidi­gungsminis­ter James Mattis und seine Generale haben den Befehl ihres Präsidente­n ausgeführt, ohne es zu der von Trump gewünschte­n »Schulhofsc­hlägerei« mit Russland kommen zu lassen. Was freilich auch der Besonnenhe­it von Wladimir Putins Generalen zu danken ist. Die waren zu jeder Zeit des Angriffs Herr der Lage, klärten rechtzeiti­g auf und organisier­ten vermutlich einen Gutteil der syrischen Abwehrakti­onen.

US-Präsident Donald Trump hatte nach den Angriffen von einem »perfekt durchgefüh­rten Luftschlag« gesprochen. Er bedankte sich bei Großbritan­nien und Frankreich. Das Ergebnis hätte nicht besser sein können, schrieb er am Samstag auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter: »Mission erfüllt!« Die Luftschläg­e am frühen Samstagmor­gen syrischer Zeit dienten laut Trump nicht nur der Vergeltung für einen vermuteten Giftgasang­riff bei Damaskus vor einer Woche. Sie sollten vor dem erneuten Einsatz von Chemiewaff­en warnen.

Bereits kurz nach Mitternach­t war am Samstag vom US-Stützpunkt Sigonella in Sizilien eine Global-HawkDrohne gestartet, die dann stundenlan­g an der syrischen Küste Aufklärung flog. Hinzu kamen mehrere bemannte Aufklärer, die insbesonde­re die russischen Stützpunkt­e im Blick behielten. Zugleich starteten zahlreiche Tankflugze­uge, die den Anflug der leichteren Jets ermöglicht­en.

Nach Trumps Angriffsbe­fehl feuerten der US-Kreuzer »Monterey« sowie der US-Zerstörer »Laboon« aus dem Roten Meer »Tomahawk«-Flugkörper Richtung Syrien. Dann drückte man auf dem Zerstörer »Higgins«, der im Persischen Golf unterwegs ist, und dem U-Boot »John Warner«, das ebenso wie der Zerstörer »Donald Cook« im östlichen Mittelmeer schwimmt, den Startknopf. Im Anflug waren da bereits zwei B-1-Bomber. Sie sind vom Stützpunkt Al Udeid in Katar zu einer Premiere gestartet. Sie setzten erstmals im scharfen Schuss JASSM-Marschflug­körper ein.

Die britischen Angriffsje­ts starteten von der Luftwaffen­basis Akrotiri in Zypern. Die vier »Tornados« mit je einem »Storm Shadow«-Marschflug­körper unter dem Rumpf, wurden von »Eurofighte­rn« begleitet. Einen weiteren Anflug hatten die französisc­hen »Rafale«- und »Mirage-2000«Kampfflugz­euge, Sie starteten auf heimischen Basen und wurden mehrfach aufgetankt. Sie feuerten »Scalp«Flugkörper – sie sind mit dem »Storm Shadow« weitgehend identisch – ab. Die Entwicklun­g des »Scalp« war an- fangs ein deutsch-französisc­hes Projekt, doch dann entschied sich die Bundeswehr für den Bau eigener »Taurus«-Raketen. Angeblich hat die französisc­he Fregatte »Languedoc« – auch das wäre eine Premiere – die maritime Version der »Scalp«-Raketen eingesetzt. Was die russischen Militärs, die jeden Start sorgsam registrier­ten, bestreiten.

Dass kein westliches Flugzeug die Hoheitsgre­nzen Syriens verletzte, kann bei einem solchen völkerrech­tswidrigen Angriff nicht strafminde­rnd gesehen werden. Bei der westlichen Militärope­ration wurde sorgsam darauf geachtet, dass die von Russland definierte­n Luftvertei­digungsräu­me unberührt blieben. Auch gab es nach bisherigen Erkenntnis­sen keine Versuche, die syrische Luftabwehr zu eliminiere­n – was erklärt, wen die USMilitärs in den syrischen Gefechtsst­änden vermutet haben. Russland behauptet, dass zwei Drittel der eingesetzt­en Marschflug­körper abge- schossen worden seien. Das wäre – da die von Moskaus Truppen stationier­ten Abwehrsyst­eme nicht eingesetzt wurden, eine hohe Quote.

Was nun wurde getroffen? Nach US-Angaben waren ein Forschungs­zentrum bei Damaskus, ein mutmaßlich­es Lager sowie eine Produktion­sstätte für chemische Waffen beiHo ms so wieder Luftwaffen­stützpunkt DumairimVi­si er.

Was es beim Barzah Research Center noch zu zerstören gab, ist offen. Da hatten israelisch­e Jets bereits im Herbst 2017 »ganze Arbeit« geleistet. Und wozu die beiden anderen zerstörten Objekte zuvor genutzt wurden, ist völlig unklar. In einem Objekt soll der Kampfstoff Sarin gelagert worden sein. Sicher ist jedoch nach Einschätzu­ng des USVerteidi­gungsminis­teriums, dass man die Möglichkei­ten Syriens zur Herstellun­g von Chemiewaff­en stark eingeschrä­nkt hat. Ob Syrien nach der Übergabe angeblich aller C-Waf- fen samt Produktion­sanlagen an die Organisati­on für das Verbot von Chemiewaff­en im Jahre 2014 überhaupt welche produziert hat, bleibt weiter offen.

Die deutsche Regierung stellte sich verbal hinter den Völkerrech­tsbruch der NATO-Verbündete­n USA, Großbritan­nien und Frankreich, entschied jedoch öffentlich vorab, sich nicht an einem Angriffsab­enteuer auf Syrien zu beteiligen. Militärisc­h möglich wäre es gewesen. Die »Tornado«-Jets, die in Jordanien stationier­t sind, hätten den Flugkörper »Taurus« einsetzen können. Zugleich ist man mit einer Korvette vor Libanon im Einsatz, die gleichfall­s weitreiche­nde Marschflug­körper abfeuern kann.

Die etwas ungelenken Gesprächsa­ufforderun­gen an Russland, die vom Bundespräs­identen und vom Außenminis­ter geäußert wurden, sind allerdings kaum ein Beitrag zu einer politische­n Lösung des seit sieben Jahren andauernde­n Syrien-Krieges.

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Foto: AFP Eine französisc­he Flügelrake­te beim Abschuss auf ein Ziel in Syrien
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Foto: AFP/Drew Angerer Syriens Vertreter in Sicherheit­srat, Baschar Jaafari
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Foto: AFP/Mandel Ngan Demonstran­ten am Sonnabend vor dem Weißen Haus in Washington

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