Westen auf Kriegskurs
Nach dem Angriff der USA und ihrer Verbündeten auf Syrien ist die Rückkehr zum Dialog ein Gebot der Stunde
Die Raketenangriffe des Westens auf Syrien haben das ohnehin gespannte internationale Klima weiter verschärft. Gleichzeitig mehren sich Stimmen nach Rückkehr zum Dialog.
Die Militärschläge der USA, Großbritanniens und Frankreichs auf Ziele in Syrien wegen eines angeblichen Chemiewaffen-Einsatzes in der Nacht zu Sonnabend sind noch am selben Tag Gegenstand einer Sondersitzung des UNSicherheitsrates gewesen. Russland hatte das Treffen verlangt und die Raketenangriffe scharf verurteilt. Der Überfall auf ein souveränes Land, so der russische Vertreter im Rat, sei ein schwerer Verstoß gegen das Völkerrecht. Außerdem entstehe der Verdacht, dass die USA ihre Attacke durchziehen wollten, ehe die in Syrien angekommenen ChemiewaffenInspekteure zu für die USA unangenehmen Resultaten kommen könnten.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte bereits zuvor in Moskau, an die US-Regierung gewandt, erklärt: »Sie begünstigen tatsächlich die Terroristen, die das syrische Volk schon seit sieben Jahren quälen, und provozieren eine neue Flüchtlingswelle aus dem Land und der ganzen Region.« Die gegenwärtige Eskalation der Situation in Syrien habe eine verheerende Wirkung auf die gesamten internationalen Beziehungen. Dessen ungeachtet wurde ein Resolutionsentwurf, der den Angriff verurteilt hätte, im Sicherheitsrat mit acht zu drei Stimmen, bei vier Enthaltungen, abgelehnt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zwar noch am Donnerstag eine aktive deutsche Mitwirkung an einem Angriff auf Syrien abgelehnt, die Aktion am Sonnabend gleichwohl gutgeheißen. Dpa zitierte sie am Sonnabend mit den Worten. »Der Militäreinsatz war erforderlich und angemessen, um die Wirksamkeit der internationalen Ächtung des Chemiewaffeneinsatzes zu wahren und das syrische Regime vor weiteren Verstößen zu warnen.«
Die USA und Frankreich drohten am Sonntag mit weiteren Angriffen auf Syrien, sollten dort erneut Chemiewaffen zum Einsatz kommen. US-Präsident Donald Trump, der dem Vernehmen nach noch umfangreichere Angriffe befehlen wollte, aber von seinem Verteidigungsminister James Mattis gebremst worden sein soll, hatte sich zuvor überschwänglich über den Erfolg der Militäraktion geäußert. Es sei ein »perfekt ausgeführter Schlag« gewesen, Trump auf Twitter. Das Ergebnis hätte nicht besser sein können: »Mission erfüllt!« nahm er wohl nicht zufällig ein Wort seines Amtsvorgängers George Bush jun. nach der US-Invasion Iraks vor 15 Jahren auf.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, zuvor eine der treibenden Kräfte für einen Angriff auf Syrien, sieht jedoch auch einen Notwendigkeit zum Dialog zu rückzukehren, vor allem mit Russland. Trotz der Konfrontationen mit Moskau bleibt es bei seiner Reise nach Russland. Der Besuch des Internationalen Wirtschaftsforums in St. Peterburg sei davon nicht in Frage gestellt, sagte der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian am Samstag dem französischen Fernsehsender BFMTV. Macron war von Putin zu dem Forum am 24. und 25. Mai eingeladen worden.
Auch Bundespräsident FrankWalter Steinmeier mahnte die Großmächte, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Er rief Moskau und Washington zu einer gemeinsamen Friedensinitiative auf. »Die großen Mächte«, zitiert dpa Steinmeier, »tragen größere Verantwortung. Hier muss ein erster Schritt erfolgen. Das sind Putin und Trump der Welt schuldig«, sagte er gegenüber »Bild am Sonntag«.
Die syrische Regierung hatte wie ihre Schutzmächte Iran und Russland den Angriff als ungerechtfertigt und Bruch des Völkerrechts verurteilt. Präsident Baschar al-Assad zeigte sich im übrigen betont unbeeindruckt. Das syrische Fernsehen zeigte ihn am Morgen nach dem Angriff mit Aktentasche beim Betreten des Regierungspalastes. »Die Aggression«, so Assad laut der Nachtrichtenagentur Sana, »wird Syrien und die Syrer noch entschlossener machen, weiterzukämpfen und den Terror in jedem Teil des Landes zu zerschlagen.« Das syrische Fernsehen zeigte mit syrischen Staatsflaggen demonstrierende Menschen in Aleppo, Damaskus und anderen Städten.
Ebenfalls am Sonnabend war vom syrischen Fernsehen berichtet worden, dass nach dem Abzug der letzten islamistischen Aufständischen aus der Ost-Ghuta die syrische Armee nach eigenen Angaben nun die volle Kontrolle über die Ost-Ghuta habe; jenes Gebiet, das seit 2013 von Regierungsgegnern gehalten worden war und in dem auch der Giftgas-Einsatz stattgefunden haben soll. Russische Spezialisten erklärten am selben Tag, dass sie dort bisher keine Spuren der dort angeblich eingesetzten Substanzen vorgefunden habe. Das sollen jetzt auch die UNO-Inspekteure prüfen, die am Sonntag auf dem Wege in die Region waren.
In Deutschland lösten die Angriffe auf Syrien heftige Kontroversen zwischen Regierung und Opposition aus. Während Außenminister Heiko Maas den Überfall u. a. mit »der schwierigen Situation im UN-Sicherheitsrat« rechtfertigte, fordert die LINKE, die Bundesregierung sollte besser besonnen auftreten und weitere Beistandsbekundungen unterlassen.
In der Nacht auf Samstag haben die USA, Großbritannien und Frankreich Militärschläge gegen Syrien ausgeführt. Die Attacken, bei denen sich Washington und Moskau direkt gegenüberstehen, erschweren eine Friedenslösung und stärken allenfalls den bereits schwer angeschlagenen Islamischen Staat.
Der US-Präsident hatte den Militärschlag gegen Syrien lange angekündigt. Er wollte Vergeltung für einen C-Waffenangriff des AssadRegimes. Von dem unklar ist, ob es ihn gegeben hat.
So sich überhaupt eine halbwegs gute Nachricht in all dem Überfallirrsinn finden lässt, dass ist es diese: USVerteidigungsminister James Mattis und seine Generale haben den Befehl ihres Präsidenten ausgeführt, ohne es zu der von Trump gewünschten »Schulhofschlägerei« mit Russland kommen zu lassen. Was freilich auch der Besonnenheit von Wladimir Putins Generalen zu danken ist. Die waren zu jeder Zeit des Angriffs Herr der Lage, klärten rechtzeitig auf und organisierten vermutlich einen Gutteil der syrischen Abwehraktionen.
US-Präsident Donald Trump hatte nach den Angriffen von einem »perfekt durchgeführten Luftschlag« gesprochen. Er bedankte sich bei Großbritannien und Frankreich. Das Ergebnis hätte nicht besser sein können, schrieb er am Samstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: »Mission erfüllt!« Die Luftschläge am frühen Samstagmorgen syrischer Zeit dienten laut Trump nicht nur der Vergeltung für einen vermuteten Giftgasangriff bei Damaskus vor einer Woche. Sie sollten vor dem erneuten Einsatz von Chemiewaffen warnen.
Bereits kurz nach Mitternacht war am Samstag vom US-Stützpunkt Sigonella in Sizilien eine Global-HawkDrohne gestartet, die dann stundenlang an der syrischen Küste Aufklärung flog. Hinzu kamen mehrere bemannte Aufklärer, die insbesondere die russischen Stützpunkte im Blick behielten. Zugleich starteten zahlreiche Tankflugzeuge, die den Anflug der leichteren Jets ermöglichten.
Nach Trumps Angriffsbefehl feuerten der US-Kreuzer »Monterey« sowie der US-Zerstörer »Laboon« aus dem Roten Meer »Tomahawk«-Flugkörper Richtung Syrien. Dann drückte man auf dem Zerstörer »Higgins«, der im Persischen Golf unterwegs ist, und dem U-Boot »John Warner«, das ebenso wie der Zerstörer »Donald Cook« im östlichen Mittelmeer schwimmt, den Startknopf. Im Anflug waren da bereits zwei B-1-Bomber. Sie sind vom Stützpunkt Al Udeid in Katar zu einer Premiere gestartet. Sie setzten erstmals im scharfen Schuss JASSM-Marschflugkörper ein.
Die britischen Angriffsjets starteten von der Luftwaffenbasis Akrotiri in Zypern. Die vier »Tornados« mit je einem »Storm Shadow«-Marschflugkörper unter dem Rumpf, wurden von »Eurofightern« begleitet. Einen weiteren Anflug hatten die französischen »Rafale«- und »Mirage-2000«Kampfflugzeuge, Sie starteten auf heimischen Basen und wurden mehrfach aufgetankt. Sie feuerten »Scalp«Flugkörper – sie sind mit dem »Storm Shadow« weitgehend identisch – ab. Die Entwicklung des »Scalp« war an- fangs ein deutsch-französisches Projekt, doch dann entschied sich die Bundeswehr für den Bau eigener »Taurus«-Raketen. Angeblich hat die französische Fregatte »Languedoc« – auch das wäre eine Premiere – die maritime Version der »Scalp«-Raketen eingesetzt. Was die russischen Militärs, die jeden Start sorgsam registrierten, bestreiten.
Dass kein westliches Flugzeug die Hoheitsgrenzen Syriens verletzte, kann bei einem solchen völkerrechtswidrigen Angriff nicht strafmindernd gesehen werden. Bei der westlichen Militäroperation wurde sorgsam darauf geachtet, dass die von Russland definierten Luftverteidigungsräume unberührt blieben. Auch gab es nach bisherigen Erkenntnissen keine Versuche, die syrische Luftabwehr zu eliminieren – was erklärt, wen die USMilitärs in den syrischen Gefechtsständen vermutet haben. Russland behauptet, dass zwei Drittel der eingesetzten Marschflugkörper abge- schossen worden seien. Das wäre – da die von Moskaus Truppen stationierten Abwehrsysteme nicht eingesetzt wurden, eine hohe Quote.
Was nun wurde getroffen? Nach US-Angaben waren ein Forschungszentrum bei Damaskus, ein mutmaßliches Lager sowie eine Produktionsstätte für chemische Waffen beiHo ms so wieder Luftwaffenstützpunkt DumairimVisi er.
Was es beim Barzah Research Center noch zu zerstören gab, ist offen. Da hatten israelische Jets bereits im Herbst 2017 »ganze Arbeit« geleistet. Und wozu die beiden anderen zerstörten Objekte zuvor genutzt wurden, ist völlig unklar. In einem Objekt soll der Kampfstoff Sarin gelagert worden sein. Sicher ist jedoch nach Einschätzung des USVerteidigungsministeriums, dass man die Möglichkeiten Syriens zur Herstellung von Chemiewaffen stark eingeschränkt hat. Ob Syrien nach der Übergabe angeblich aller C-Waf- fen samt Produktionsanlagen an die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen im Jahre 2014 überhaupt welche produziert hat, bleibt weiter offen.
Die deutsche Regierung stellte sich verbal hinter den Völkerrechtsbruch der NATO-Verbündeten USA, Großbritannien und Frankreich, entschied jedoch öffentlich vorab, sich nicht an einem Angriffsabenteuer auf Syrien zu beteiligen. Militärisch möglich wäre es gewesen. Die »Tornado«-Jets, die in Jordanien stationiert sind, hätten den Flugkörper »Taurus« einsetzen können. Zugleich ist man mit einer Korvette vor Libanon im Einsatz, die gleichfalls weitreichende Marschflugkörper abfeuern kann.
Die etwas ungelenken Gesprächsaufforderungen an Russland, die vom Bundespräsidenten und vom Außenminister geäußert wurden, sind allerdings kaum ein Beitrag zu einer politischen Lösung des seit sieben Jahren andauernden Syrien-Krieges.