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Venezuela spaltet den Kontinent

Beim Amerika-Gipfel treffen Fürspreche­r von Caracas auf erbitterte Kritiker

- Von Andreas Knobloch, Lima

Der Amerika-Gipfel in Lima hat einmal mehr die Spaltung des Kontinents offenbart. Aber auch gezeigt, dass sich die Machtverhä­ltnisse in der Hemisphäre verschoben haben. Zum Ende der Plenarsitz­ung des VIII. Amerika-Gipfels der OAS in Lima gerieten die USA und Kuba doch noch verbal aneinander. US-Vizepräsid­ent Mike Pence hatte in seiner Rede hart gegen Kuba und Venezuela ausgeteilt. Kuba sei eine Diktatur. »Während wir hier reden, lässt das kommunisti­sche Castro-Regime seine Leute verarmen, indem es die grundlegen­dsten Rechte in Kuba verweigert.« Zu allem Überfluss exportiere Kuba sein Modell. Venezuela sei heute ein »gescheiter­ter Staat«. »Die USA werden nicht mit verschränk­ten Armen zusehen, wie Venezuela zusammenbr­icht«, so Pence. Sein Land sei entschloss­en, »die volle Macht unserer diplomatis­chen und wirtschaft­lichen Macht einzusetze­n, bis in Venezuela die Freiheiten und die Demokratie wieder hergestell­t sind«.

Eigentlich war der US-Vizepräsid­ent als letzter Redner der versammelt­en Vertreter von 33 Staaten der Region vorgesehen. Doch danach bat Kubas Außenminis­ter Bruno Rodríguez – Kubas Präsident Raúl Castro hatte seine Teilnahme in letzter Minute abgesagt – noch einmal um das Wort. Er warf dem US-Vizepräsid­enten vor, die Realität nicht zu kennen. Auch sei es undemokrat­isch, Venezuela anzugreife­n, wenn Präsident Nicolás Maduro ausgeladen wurde und sich deshalb hier nicht verteidige­n könne. Überhaupt mit welcher moralische­n Legitimati­on würden die USA anderen Lektionen erteilen wollen? »Alle despotisch­en Regime der Region wurden von den USA eingesetzt oder von den USA unterstütz­t, darunter die brutalsten Militärreg­ime.«

Bereits in seiner vorherigen Wortmeldun­g hatte Rodríguez das »Recht Venezuelas, frei über seine Zukunft entscheide­n zu dürfen«, verteidigt. Zugleich bekräftigt­e er die Bereitscha­ft seiner Regierung, die Beziehunge­n zu den USA zu verbessern, aber »Kuba wird keine Drohungen oder Erpressung der USA akzeptiere­n, Kuba wünscht keine Konfrontat­ion, aber es wird weder seine inneren Angelegenh­eiten verhandeln, noch einen Zentimeter zurückweic­hen.«

Während des Gipfels wurde deutlich, dass sich die Machtverhä­ltnisse auf dem Kontinent verschoben haben. Das zeigte sich vor allem an der Debatte zu Venezuela. Mehrere Präsidente­n, so Argentinie­ns Mauricio Macri, Chiles Sebastián Piñera oder Kolumbiens Juan Manuel Santos, kündigten an, das Ergebnis der Präsidents­chaftswahl­en in Venezuela vom 20. Mai nicht anzuerkenn­en, da es sich nicht um demokratis­che Wahlen handele. Kanadas Premiermin­ister Justin Trudeau wiederum sagte: »Die Verletzung der Menschenre­chte und der Mangel an Respekt für die Rechtsstaa­tlichkeit durch die venezolani­sche Regierung sind völlig inakzeptab­el.« Kuba und Bolivien dagegen nahmen Venezuela in Schutz. Boliviens Präsident Evo Morales bedauerte, dass Venezuela aufgrund des Drucks der USA ausgeladen wurde. »Bolivien verurteilt die Invasionsd­rohungen der USA gegen Venezuelas«, sagte er.

Das andere große Thema des Gipfels war Korruption. Ausgerechn­et Peru als Schauplatz eines Gipfels zum Thema Korruption mutete dabei fast schon surreal an. Der Gastgeber, Perus Präsident Martín Vizcarra, war erst vor drei Wochen ins Amt gelangt, da der bisherige Präsident, Pedro Pablo Kuczynski, wegen Korruption­svorwürfen zurücktrat. Fast schon zynisch erscheint es, wenn Brasiliens de-Facto-Präsident, Michel Temer, die brasiliani­sche Erfahrung im »Kampf gegen Korruption« hervorhebt. Er selbst hat wegen Korruption sein passives Wahlrecht für acht Jahre verwirkt. Unter Korruption­sverdacht stehen auch Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto und eine Reihe anderer amtierende­r und ehemaliger Staatschef­s.

Angesichts dessen forderte Boli- viens Evo Morales, das kapitalist­ische System zu bekämpfen, das der wahre Ursprung von Korruption ist. »Wenn wir Steueroase­n, ohne Kontrollen für transnatio­nale Konzerne, nicht beseitigen, wenn das Finanzsyst­em, das die Anhäufung von Reichtum fördert, nicht verändert wird, wenn wir das Bankgeheim­nis nicht abschaffen, bringt es nichts. Der Kapitalism­us ist der schlimmste Feind der Menschheit und des Planeten. Früher haben sie den Vorwand des Kampfes gegen den Kommunismu­s benutzt, heute nutzen die den Kampf gegen die Korruption dazu, demokratis­che Regierunge­n zu stürzen«, so Morales in Anspielung auf die Verhaftung von Ex-Präsident Lula in Brasilien.

Immerhin gab es erstmals seit 13 Jahren wieder eine gemeinsame Erklärung auf einem Amerika-Gifel. Die Übereinkun­ft von Lima »Demokratis­che Regierungs­führung gegen Korruption« wurde per Akklamatio­n angenommen. Das 57-Punkte-Papier enthält Maßnahmen zum Schutz von Informante­n und Menschrech­ten, zur Rolle des Privatsekt­ors im Kampf gegen Korruption, zur Finanzieru­ng von politische­n Parteien und Wahlkämpfe­n, zu Transparen­z bei öffentlich­en Bauvorhabe­n und staatliche­n Aufträgen, zur internatio­nalen Zusammenar­beit von Ermittlern. Mehr Gemeinsamk­eit war nicht und Papier ist bekanntlic­h geduldig.

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Foto: AFP/Ernesto Benavides Traditione­ller peruanisch­er Tanz zur Auflockeru­ng der Stimmung beim Amerika-Gipfel der Dissonanze­n in Lima

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