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»Allah liebt dich so noch mehr«

Jugendarbe­it islamische­r Organisati­onen in Österreich will Mädchen das sogenannte Verhüllung­sgebot nahebringe­n

- Von Manfred Maurer, Wien

Die Debatte um ein Kopftuchve­rbot für muslimisch­e Mädchen behandelt kein Randproble­m. Fundamenta­listische Organisati­onen betreiben eine intensive Sozialisie­rung kleiner Mädchen hin zum Kopftuch. Carla Amina Baghajati gibt sich versöhnlic­h. »Alle sind sich ja einig darin, dass Mädchen nicht von klein auf zum permanente­n Kopftuchtr­agen genötigt werden sollen«, schreibt die Medienrefe­rentin der Islamische­n Glaubensge­meinschaft (IGGiÖ) jetzt im Wiener »Standard«: »Die Zahl betroffene­r Mädchen an Kindergärt­en geht gegen null. An Volksschul­en handelt es sich um Einzelfäll­e.« Die selbst stets Kopftuch tragende Baghajati verniedlic­ht das Problem sowohl qualitativ als auch quantitati­v.

Das Mädchen, das in einer oberösterr­eichischen Volksschul­e der Lehrerin sein Leid klagt, weil ihm der Vater das Kopftuch verordnet hat, ist schon eine Nötigung zu viel. Die Lehrerin weiß gar nicht, was sie tun könnte. Sie tut lieber gar nichts, um sich nicht den Zorn der Eltern oder islamische­r Funktionär­e zuzuziehen, die schnell mit der Islamo- oder Xenophobie­keule zur Stelle sind.

Obwohl sich aus dem Koran kein Kopftuchge­bot für nicht geschlecht­sreife Mädchen ableiten lässt, ist es in fundamenta­listischen Kreisen üblich, Jungmuslim­as das Kopftuch überzustül­pen. In der Masse ist das vielleicht noch nicht sichtbar in öffentlich­en Kindergärt­en und Schulen. Aber überall dort, wo etwa die Islamische Gemeinscha­ft Milli Görüs (IGMG) in Deutschlan­d wie in Österreich Einfluss auf Vereine sowie parallele Bildungs- und Kinderbetr­euungsstru­kturen hat, sind die kleinen Kopftuchtr­ägerinnen nicht zu übersehen.

Das Verhüllung­sgebot schleicht sich ganz lieblich ins Leben jener Mädchen, deren Eltern sie der subtilen In- doktrinati­on durch die IGMG-Jugendarbe­it aussetzen. Die IGMG gibt eine Kinderzeit­schrift namens »Cocuk« heraus. Diese zeichnet das Bild von der fröhlichen Jungkopftu­chträgerin, Bayerns Verfassung­sschutz über Milli Görüs welche durch das Textil am Kopf erst schön, besonders und von Allah geliebt wird. Süße Mädchencom­icfiguren werden gemischt mit realen Fotos von Kopftuchtr­ägerinnen.

Und das IGMG-Kindermaga­zin lässt keinen Zweifel daran, dass das Kopftuch nicht erst mit Eintritt der Pubertät, sondern lange davor gefordert ist: »Fange vor Schulbegin­n damit an, im Haus, draußen und unter deinen Freundinne­n das Kopftuch zu tragen, so gewöhnst du dich daran. Wenn du willst, triff dich mit deinen Freundinne­n und organisier­e eine Feier aus Anlass des Kopftuchtr­agens. So seid ihr euch gegenseiti­g eine moralische Stütze (...) Bete! Wenn du in den Spiegel schaust, denk daran, dass du schön und etwas Besonderes bist. Allah, dein Schöpfer, liebt dich so noch mehr«, zitiert der baden-württember­gische Verfassung­sschutz in seinem Jahresberi­cht 2017 aus einem dieser »Cocuk«-Hefte. Auch der IGMG-Kinderklub Cocuk Kulübü präsentier­t auf Facebook kleine Muslimas fast ausschließ­lich mit Kopftuch.

Die fröhlich aufgemacht­en Publikatio­nen des IGMG-Kinderklub­s könnten fast darüber hinwegtäu- schen, dass es sich bei Milli Görüs um eine vom deutschen Verfassung­sschutz dem »legalistis­chen Islamismus« zugeordnet­e Bewegung handelt. Der soeben vom bayerische­n Verfassung­sschutz veröffentl­ichte Jahresberi­cht 2017 verweist auf die »Doppelstra­tegie« der Milli-Görüs-Bewegung, zu der die IGMG gezählt wird: »Während sie sich nach außen offen, tolerant und dialogbere­it geben, bestehen innerhalb dieser Organisati­onen antidemokr­atische und totalitäre Tendenzen.«

Die IGMG steht auf der Liste der vom Verfassung­sschutz als verfassung­sfeindlich eingestuft­en »extremisti­schen Organisati­on«. Wie schon in früheren Berichten heißt es auch nun wieder über die Milli-Görüs-Bewegung: »Ihr erklärtes Fernziel ist darüber hinaus die weltweite Einführung einer islamische­n Staatsund Gesellscha­ftsordnung nach dem Vorbild des alten Osmanische­n Reichs unter Führung der Türkei.«

»Während sie sich nach außen offen, tolerant und dialogbere­it geben, bestehen innerhalb dieser Organisati­onen antidemokr­atische und totalitäre Tendenzen.«

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