nd.DerTag

Abkehr von der Revolution

Dänische Volkssozia­listen stellen sich neu auf

- Von Andreas Knudsen, Kopenhagen

Die dänischen Volkssozia­listen schauen nach vorne: Zwar ist es noch mehr als ein Jahr, bis die nächsten Parlaments- und Europaparl­amentswahl­en stattfinde­n, aber die Volkssozia­listen benutzten ihren diesjährig­en Parteikong­ress, um sich auf diese beiden Wahlen einzustimm­en. Eine neue Strategie ist nach dem Wahldebake­l 2015 infolge des Regierungs­austritts dringend geboten.

Der Kongressve­rlauf zeigte, dass die Rückendeck­ung der Basis gegeben ist, so lange beim einzigen wirklichen heißen Eisen vorsichtig vorgegange­n wird – der Migrations­politik. Die Vorsitzend­e Pia Olsen Dyhr hat sich auf einen »realistisc­hen Humanismus« festgelegt, der unter anderem Grenzen für Einwanderu­ng und Asylgewähr­ung setzt. Die Partei hat sich der Haltung von bürgerlich­er Regierung und Sozialdemo­kraten angeschlos­sen, dass eine Begrenzung der Anzahl wichtig ist, wenn die Integratio­n gelingen soll. Da die heftigsten Kritiker dieser Linie die Partei schon im Vorjahr verließen und es keinen neuen Asylbewerb­eransturm gibt, wird diese Sicht auch nicht länger von der Basis infrage gestellt.

Für mehr Aufregung als die Migrations­politik sorgten die festgefahr­enen Tarifverha­ndlungen im öffentlich­en Dienst. Parteiführ­ung und Delegierte hatten keine Probleme damit, den gewerkscha­ftlichen Unterhändl­ern ihre Sympathie zuzusagen. Regierungs­parteien und Sozialdemo­kraten enthalten sich hingegen offizielle­r Kommentare, so wie es die dänischen Spielregel­n vorschreib­en, da Arbeitsmar­ktkonflikt­e von den Tarifpartn­ern gelöst werden sollen – ohne politische Einmischun­g. Da eine erneute Regierungs­teilnahme derzeit für die Volkssozia­listen nicht in Sicht ist und die Mehrheit ihrer Mitglieder und Wähler öffentlich Beschäftig­te sind, ließen sie die Zurückhalt­ung in dieser Frage fallen.

Für die Parlaments­wahlen 2019 werden die Volkssozia­listen sich auf eine »zentristis­che« Position festlegen. Im Klartext bedeutet es, dass sich die Partei wie schon seit ihrer Gründung links der Sozialdemo­kraten einordnet, aber Abstand nimmt von Träumen über eine Revolution. »Wir kämpfen jeden Tag um handfeste Veränderun­gen und liegen zwischen den Reformiste­n und den Revolution­ären«, erklärte Olsen. Politisch wird man selbstvers­tändlich einen eventuelle­n sozialdemo­kratischen Ministerpr­äsidenten stützen und nicht von vornherein rote Linien definieren ähnlich der Einheitsli­ste. Die Erfahrunge­n der Regierungs­jahre schimmern hier durch, in denen die Partei lernen musste, dass das Joch der Regierungs­verantwort­ung schmerzhaf­te Kompromiss­e mit sich führt. Außer der schon früher verfochten­en Position, dass die Sozialhilf­e nicht eingeschrä­nkt werden dürfe und der Forderung nach weitgehend­er Abschaffun­g der Zuzahlunge­n im Gesundheit­swesen, wurde jedoch nicht konkreter definiert, wie zentristis­che Sozialpoli­tik umgesetzt werden soll. Konkreter wurden die Volkssozia­listen hingegen in der Umweltpoli­tik, die von jeher ein wichtiges Standbein der Partei gewesen ist: Die Verdopplun­g der dänischen Naturschut­zgebiete bis 2050 und kein Verkauf von Autos mit Brennstoff­motor nach 2030 sind ambitiöse Ziele.

Für die Europawahl 2019 schält sich heraus, dass Margrete Auken, die seit 2004 im Europarlam­ent sitzt, wieder antreten wird. Mit der Kandidatur der 73-Jährigen wird zum einen deutlich, dass der Kursschwen­k der Volkssozia­listen auf pro EU unwiderruf­lich ist und zum anderen, dass die Personalde­cke sehr dünn ist, nachdem die mittlere Generation die Partei in Richtung der Sozialdemo­kraten verließ.

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