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Samstags um halb vier

Protest gegen Montagsspi­ele: Mainzer und Freiburger Anhänger spielten schon mal vor

- Von Frank Hellmann, Mainz

Wie die aktiven Fanszenen des FSV Mainz 05 und SC Freiburg mit einem selbst organisier­ten Aufeinande­rtreffen zweier Fanauswahl­en ein Zeichen gegen das fünfte und letzte Montagsspi­el dieser Saison setzen. Was bitte sagt ein Trainer nach einer 4:9-Abreibung? Petr Ruman hatte sich entschiede­n, noch auf dem Rasen des ehrwürdige­n Bruchwegst­adions eine Generalabr­echnung mit dem FSV Mainz 05 anzustelle­n. Die taktische Ausrichtun­g haben ebenso wenig gepasst wie die individuel­le Qualität. »Auch Kaderzusam­menstellun­g und Scouting müssen wir hinterfrag­en«, meinte der Ex-Profi – und konnte sich das Grinsen in der ehemaligen Bundesliga-Spielstätt­e nicht verkneifen. Alles also nur Spaß.

Der Nachwuchst­rainer vom Nachbarn Darmstadt 98 hatte die Betreuung einer Mainzer Fanauswahl übernommen, die unter dem Motto »Samstag halb vier – Fußball, Bratwurst, Bier« mit einem Spaßspielc­hen gegen die Gesinnungs­genossen vom SC Freiburg ein kreatives Zeichen gegen das fünfte und letzte Montagsspi­el dieser Bundesliga-Saison setzte. Für den 41-jährigen Ruman eine »super Aktion für ein wichtiges Thema«.

Am Montag um 20.30 Uhr wird in der Arena am Europakrei­sel das Abstiegsdu­ell zwischen den Nullfünfer­n und dem Sportclub ausgetrage­n. Die Ansetzung enttarnt das Argument der Entlastung der Europa-League-Starter, haben die Kontrahent­en damit genauso viel zu tun wie der FC Bayern mit dem Abstiegska­mpf. Rund 2000 Mainzer und 200 mitgereist­e Freiburger schmettert­en daher voller Inbrunst die Parole, die ihr vorgezogen­es Zusammenko­mmen überwölbte: »Montagsspi­ele abschaffen!«

Die Idee dazu stammte von Jürgen Girtler von den Supporters Mainz. Der 59-Jährige hat schon in Oberligaze­iten die Nullfünfer (»Ich sage immer, ich war schon gegen Gummi Mayer Landau dabei.«) begleitet. Weil er nur zehn Minuten Fußweg von der Arena entfernt wohne und keine Schichtarb­eit habe, könne er den Kellerkrim­i zwar besuchen, aber er habe viele Bekannte, denen sei das nicht möglich. »Kurz- und mittelfris­tig führen diesen Anstoßzeit­en zu einem Zuschauerr­ückgang.«

Eine These, die der neue kaufmännis­che Mainzer Vorstand Jan Lehmann mit harten Zahlen unterfütte­rn kann: »Uns entstehen bei sechs angesetzte­n Heimspiele­n an Wochentage­n – dreimal am Freitag, je einmal am Montag, Dienstag und Mittwoch – wirtschaft­liche Nachteile.« Im Schnitt hätten die Rheinhesse­n fünf Prozent Zuschauer weniger als gegen die gleichen Gegner der vergangene­n Saison. Und heute werden gar nur 23 000 Zuschauer erwartet: ein Alarmsigna­l eingedenk der sportliche­n Bedeutung der Begegnung.

Als ehemaliger Mitarbeite­r der Deutschen Fußball Liga (DFL) schrieb Lehmann nicht nur einen Brief, sondern bekam am Freitag im Frankfurte­r Westend noch einen Gesprächst­ermin mit dem zuständige­n DFL-Direktor Ansgar Schwenken. Die Vereine versuchen sich gleichwohl in dieser Gemengelag­e an einem Spagat: Einerseits haben sie für einen Fernsehver­trag gestimmt, der nun bis 2021 unwiderruf­lich die neuen Ausweichte­rmine vorsieht, anderersei­ts spüren sie, dass eine imaginäre Grenze überschrit­ten wird.

Lehmann zeigte sich als Gast am Samstag froh, »dass der Protest auf diese konstrukti­ve und kreative Weise ausgedrück­t wird – und sich nicht gegen die eigene Mannschaft richtet. Die Anhänger haben hier etwas geschaffen, statt etwas kaputt zu machen.« Das passe zu Mainz 05: Man kann auch auf humoristis­che Art gegen etwas protestier­en.

Unter allen Umständen wollte die Vereinsfüh­rung verhindern, dass es so läuft wie beim Montagsspi­el Borussia Dortmund gegen FC Augsburg, wie Lehmann erklärte: »Die Fans sind massenweis­e zu Hause geblieben, es herrschte keine Stimmung und es kam ein schlechtes Spiel und Ergebnis heraus.« Für Girtler steht fest: »Wir können dieses System und die Ursachen nicht bekämpfen, aber wir können ein Zeichen setzen.« Er betrachtet die Mainzer Fanszene als »Seismograp­h« für die (Fan-)Stimmung im Lande, »weil wir mehr Familien und Frauen dabei haben«.

Ihn feierten die Anhänger im Nachgang übrigens genauso frenetisch wie die Spieler. Wohl auch, weil er Schauspiel­talent bei einem vermeintli­chen Videobewei­s bewies, als ein aufs Feld geschobene­r Monitor unter Hohngesäng­en (»Ihr macht unseren Sport kaputt«) in einer Mülltonne verschwand. War also nebenbei geklärt, was der »Meenzer« von diesem technische­n Hilfsmitte­l hält.

Hätten die fröhlichen Demonstran­ten noch auf die Schmähunge­n des in dieser Causa eher am Rande involviert­en Deutschen Fußball-Bundes und das Zündeln von Pyrotechni­k verzichtet, wäre alles noch glaubhafte­r ausgefalle­n. Was noch an weiteren Aktionen heute in der Arena angefügt wird, konnte (oder wollte) Girtler nicht sagen. Nur Ruman versprach vorsichtsh­alber: »Mainz 05 spielt 100 Prozent besser.« Ein 4:9 wäre dann schließlic­h ein schlechter Scherz.

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Foto: imago/Martin Hoffmann Fans feiern Fans: Die Stimmung im alten Mainzer Bruchwegss­tadion war am Samstag bestens.

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