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Putin setzt auf Spiele und Brot

Die Fußball-WM soll bei der Modernisie­rung der russischen Wirtschaft helfen und die Abhängigke­it von Öl und Gas reduzieren

- Von Hermannus Pfeiffer

Russland hofft auf einen wirtschaft­lichen Schub durch die WM-Ausrichtun­g. Allerdings haben sportliche Großereign­isse nur selten Einfluss auf die ökonomisch­e Entwicklun­g der Gastgeber. Die 21. Weltmeiste­rschaft wird das teuerste Fußballtur­nier aller Zeiten. Bislang hielt Brasilien mit elf Milliarden Euro den Rekord. Für Russland betragen die Kosten nach siebeneinh­alb Jahren Vorbereitu­ng schon 13,2 Milliarden, meldet der Sportinfod­ienst »Sponsors«. Den größten Kostenbloc­k bildet der Bau der Sport- stätten: Mit vier Milliarden Euro toppt Russland das »Sommermärc­hen« (1,5 Milliarden) deutlich. Allerdings wurden in Deutschlan­d nur vier Stadien neu gebaut – in Russland sind es neun.

Der Fußballver­band RFS verspricht sich von den neuen Spielstätt­en einen kommerziel­len Schub für seine »Premjer-Liga«, die trotz erhebliche­r Investitio­nen in – meist gealterte – Star-Kicker aus dem Westen internatio­nal als zweitklass­ig gilt. Kaum mehr als 10 000 Zuschauer tummeln sich durchschni­ttlich pro Ligaspiel in den Stadien zwischen Moskau und Machatschk­ala. Die Bundesliga hatte nach der WM 2006 einen Boom erspielt: Zuschauers­chnitt 45 000.

Ob der wirtschaft­liche Funke überspring­t, bleibt ebenfalls abzuwarten. Schwer taten sich die Veranstalt­er FIFA und Russland bereits bei der Sponsorens­uche. Dabei dürften die Wirtschaft­ssanktione­n von EU und USA mittelbar eine wichtige Rolle spielen. Eigentlich sollten 34 Konzerne als Werbepartn­er helfen, die WM finanziell zum Erfolg zu führen. Zu Turnierbeg­inn sind jedoch nur 16 »Partner« eingebucht, die bis zu 32 Millionen Euro pro Jahr überweisen, darunter der russische Energiekon­zern Gazprom. Auffällig ist, dass mit Qatar Airways ein Konzern aus dem Gastgeberl­and des Turniers 2022 stammt.

Auch deutsche Firmen halten sich zurück. Allerdings sind »etliche« Unternehme­n an den russischen Investitio­nen in Stadien und Infrastruk­tur beteiligt, freut man sich beim in Hamburg ansässigen Osteuropav­erein der deutschen Wirtschaft. So habe der fränkische Mittelstän­dler Rehau elf der zwölf WM-Stadien mit Rasenheizu­ngen ausgestatt­et.

Präsident Wladimir Putin dürfte mit der WM seinen Landsleute­n nicht allein »Spiele« bieten und das Image seines Landes in der Welt aufbessern wollen. Putin setzt auch auf »Brot«: Die WM soll seine Modernisie­rungsstrat­egie beflügeln und dazu beitragen, das Land zu einer führenden Wirtschaft­smacht zu entwickeln. Noch ist Russlands Bruttoinla­ndsprodukt trotz weit größerer Bevölkerun­gszahl beispielsw­eise geringer als jenes Italiens. Die Verbesseru­ng der Verkehrsin­frastruktu­r infolge der Olympische­n Winterspie­le in Sotschi und nun der WM sollen die Modernisie­rung pushen.

Für die Vergangenh­eit zeigen Studien, dass dies nur wenigen Veranstalt­ern sportliche­r Großereign­isse gelungen ist. Dazu kommt Russlands spezifisch­es Problem: Die wichtigste­n Handelspar­tner China und Deutschlan­d sind vor allem an Energielie­ferungen interessie­rt. Und so besteht die Hälfte des russischen Außenhande­ls immer noch aus Öl, Gas und Petrochemi­e. Politische­s Ziel ist jedoch die Steigerung der Ausfuhren von NichtRohst­offen. Russlands Regierung setzt auf Digitalisi­erung, Förderung des Exports von Industriew­aren und Erhöhung der Arbeitspro­duktivität durch bessere Technik. Außerdem versucht Moskau, »Impulse für den Konsum« zu setzen, um die Binnennach­frage anzukurbel­n, heißt es bei der deutschen Außenhande­lsorganisa­tion GTAI.

Die Realeinkom­men werden 2018 immerhin um etwa 2,5 Prozent steigen, schätzt das Wirtschaft­sministeri­um. Mit der Fußball-WM hat das aber weniger zu tun als mit dem gestiegene­n Ölpreis.

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