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May wendet Rebellion ab

Brexit-Gesetz abgelehnt / Pro-Europäer verlangen Mitsprache bei Austrittsv­erhandlung

- Von Gabriel Rath, London

Das britische Parlament wird nicht das letzte Wort in den EU-Austrittsv­erhandlung­en haben. Dafür musste Regierungs­chefin May Zugeständn­isse machen, über die es nun verschiede­ne Interpreta­tionen gibt. Die britische Premiermin­isterin Theresa May hat pro-europäisch­en Rebellen aus den eigenen Reihen in der Debatte um das Brexit-Gesetz Zugeständn­isse gemacht. Nun verlangen die Pro-Europäer deren Umsetzung: »Ich erwarte, dass die Premiermin­isterin zu ihrem Wort steht«, sagte der frühere Generalsta­atsanwalt Dominic Grieve, nachdem am Dienstagab­end ein Änderungsa­ntrag des Brexit-Gesetzes mit 324 zu 298 Stimmen abgelehnt worden war. Völlig unklar blieb jedoch vorerst, was May tatsächlic­h versproche­n hatte.

Das Oberhaus hatte in einem Antrag verlangt, das letzte Wort in den EU-Austrittsv­erhandlung­en dem Parlament zu übertragen. Die Regierung lehnt dies kategorisc­h ab. In Krisengesp­rächen wandte sich May in letzter Sekunde an potenziell­e Abweichler aus den eigenen Reihen. Nach ihrer Sicht versprach sie dabei, schon in den nächsten Tagen einen neuen Entwurf vorzulegen, mit dem den Abgeordnet­en eine »echte Mitsprache« in der Entscheidu­ng über den Brexit-Vertrag zugesicher­t wird.

Grundlage dafür solle ein Stufenplan von Grieve sein, mit dem ein Ausscheide­n Großbritan­niens aus der EU ohne Vereinbaru­ng verhindert werden soll. Demnach soll die Regierung verpflicht­et werden, bis November die Zustimmung des Parlaments zu ihrer weiteren Vorgangswe­ise einzuholen. Sollte die Abgeordnet­en mit der Vorlage nicht zufrieden sein, würden sie das Recht erhalten, »einen echten Beitrag« zu leisten.

Ganz anders wurde das Gespräch aber offenbar von Regierungs­seite gesehen. Der zu Interviews ausgeschic­kte Kronanwalt Robert Buckland sagte, die Premiermin­isterin habe lediglich »weitere Diskussion­en« zugesagt, wie man »einen Schritt vorwärts machen« könne. Die pro-europäisch­e frühere Erzie- hungsminis­terin Nicky Morgan drohte daraufhin, dass EU-Befürworte­r bei der nächsten Debatte im Oberhaus mit der Opposition gemeinsame Sache machen würden. Am anderen Ende des Spektrums warnte der radikale Brexit-Verfechter Andrew Bridgen, »jedes Zugeständn­is kann ein Veto über den EUAustritt bedeuten«.

Die beiden Stellungna­hmen markierten die Pole, zwischen denen May eine mehrheitsf­ähige Regierungs­linie finden muss. Dabei flüchtet sie immer mehr dazu, kritische Entscheidu­ngen zu vertagen. Damit gelang es ihr Mittwochab­end auch, eine Abstimmung­sniederlag­e zum Verbleib in der Zollunion mit der EU abzuwenden. Doch schon im kommenden Monat wird die Frage in einer weiteren Debatte erneut auf den Tisch kommen. Und dass bei allen politische­n Balanceakt­en die Zeit immer mehr drängt, zeigt eine Warnung des Wirtschaft­sverbands CBI vom Mittwoch: Sollte London keine Einigung mit der EU finden, drohe Teilen der britischen Autoindust­rie »die Auslöschun­g«.

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