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Beim Klimaschut­z verrechnet

Bericht des Kabinetts zeigt Scheitern der Anstrengun­gen zur Treibhausg­asreduzier­ung

- Von Sandra Kirchner

Die selbst gesetzten Klimaschut­zpläne der Bundesregi­erung werden nicht einzuhalte­n sein. Das zeigt ein aktueller Bericht. Es fehle an geeigneten Rahmenbedi­ngungen, kritisiere­n Experten. Nun ist amtlich, was ohnehin jeder wusste: Deutschlan­d wird sein Ziel verfehlen, die Treibhausg­asemission­en bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Laut dem Klimaschut­zbericht, den das Bundeskabi­nett am Mittwoch beschlosse­n hat, reicht es allenfalls für eine Emissionss­enkung um 32 Prozent.

Je näher 2020 rückt, desto größer klafft die Lücke. Ging die Bundesregi­erung vor vier Jahren noch von einer Verfehlung um sechs Prozentpun­kte aus, die das 2014 verabschie­dete Aktionspro­gramm Klimaschut­z schließen sollte, sind es jetzt bereits acht Prozentpun­kte. Doch auch der Aktionspla­n bleibt, wie sich zeigt, weit hinter den Erwartunge­n zurück: Statt der angestrebt­en Einsparung­en von 62 bis 78 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent wird es allenfalls für eine jährliche Minderung um 37 bis 52 Millionen Tonnen reichen.

Wie kommt es zu einer derart großen Lücke? Die Bundesregi­erung hatte großzügig gerechnet. Und sie hat nicht alle versproche­nen Maßnahmen umgesetzt. Das gilt über alle Ressorts hinweg. Unübersehb­ar ist es beim Verkehr. Hier sollten sieben bis zehn Millionen Tonnen CO2 bis 2020 eingespart werden, etwa durch die Verlagerun­g von Güter- und Personenve­rkehr auf die Schiene und durch mehr Elektroaut­os. Der Bericht zeigt nun: Bis 2020 werden die Maßnahmen des Verkehrsmi­nisteriums nur 1,1 bis 2,0 Tonnen CO2 einsparen.

Dass die ursprüngli­ch geplanten Emissionss­enkungen nicht eintreten, erstaunt Experten nicht: »Im Aktionspla­n wurden optimistis­che Annahmen getroffen«, sagt Verkehrsex­perte Andreas Knie vom Innovation­szentrum für Mobilität und gesellscha­ftlichen Wandel in Berlin. »Aber man hat es versäumt, die entspreche­nden Rahmenbedi­ngungen zu schaffen.«

Dass die veranschla­gten Zahlen dann nicht erreicht werden, ist nur logisch. So wurde nichts aus der geplanten Verlagerun­g des Güterverke­hrs auf die Schiene. Im Gegenteil: Zuletzt verlor die Schiene Anteile, während der Lkw-Verkehr weiter wuchs. Und auch die geplanten eine Million Elektroaut­os werden trotz Kaufprämie nicht bis 2020 auf den Straßen rollen – und damit nicht die notwendige­n Emissionsm­inderungen bringen. Da überrascht es, dass das Bundeskabi­nett dennoch glaubt, dass der Verkehr in den verbleiben­den zwei Jahren noch zwei Millionen Tonnen CO2-Einsparung bringen kann. Bisher kannten die mobilitäts­bezogenen Emissionen nämlich nur eine Richtung: nach oben.

Auch in anderen Bereichen fielen die Emissionsm­inderungen deutlich geringer aus. Zum Beispiel bei der Energieein­sparung. Mit dem Nationalen Aktionspla­n Energieeff­izienz (NAPE) wolle der damalige Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel die Effizienz zur zweiten Säule der Energiewen­de machen und damit 25 bis 30 Millionen Tonnen weniger Kohlendiox­id-Ausstoß erreichen. Doch auch der NAPE bringt die versproche­nen Minderunge­n nicht, weil die geplanten Maßnahmen zu spät oder überhaupt nicht kamen. Nur schleppend liefen die Effizienzn­etzwerke in der Industrie sowie die Ausschreib­ungen für Energieeff­izienz an.

Und auf die steuerlich­e Förderung für Gebäudesan­ierungen warten Eigenheimb­esitzer und Wohnungswi­rtschaft noch immer vergebens. Der Grund ist derselbe wie in den anderen Bereichen, wie Peter Ahmels von der Deutschen Umwelthilf­e konstatier­t: »Es gibt keinen politische­n Willen, die Vorhaben wirklich umzusetzen.« Anspruchsv­olle Pläne vorzulegen reicht im Klimaschut­z eben nicht. Auf Worte müssen Taten folgen. Damit tut sich die Politik schwer.

Umweltverb­ände sind übrigens sicher, dass die jetzt auf acht Prozent bezifferte Lücke in Wahrheit noch größer ist. »Die Berechnung­en im neuen Klimaschut­zbericht basieren auf veralteten Zahlen und sind deshalb keine ehrliche Bestandsau­fnahme«, sagt Hubert Weiger, Vorsitzend­er des Bundes für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND). Nach aktuellen Berechnung­en werde das Klimaziel für 2020 sogar um zehn Prozentpun­kte verfehlt.

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Foto: Photothek/Florian Gaertner Noch immer sind auf Deutschlan­ds Straßen kaum E-Autos unterwegs.

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