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Polizei durchsucht­e kurdisches Zentrum

Beamte drangen in Räumlichke­iten in Reinickend­orf ein – Verein kritisiert Angriff auf Meinungsfr­eiheit

- Von Martin Kröger

Polizisten durchsucht­en Räumlichke­iten des Dachverban­des NAVDEM Berlin sowie das Kurdische Zentrum für Öffentlich­keitsarbei­t. Dabei wurden unter anderem Computer beschlagna­hmt. Die Polizisten kamen am frühen Morgen. »Gegen 6 Uhr wurde unsere Glastür zertrümmer­t«, sagt Ali Cicek, der Vorstandsm­itglied von Civaka Azad ist. So heißt das Kurdische Zentrum für Öffentlich­keitsarbei­t in der Residenzst­raße in Reinickend­orf, das in ganz Deutschlan­d Medienarbe­it zu kurdischen Themen wie beispielsw­eise der türkische Überfall auf die nordsyrisc­he Exklave Afrin oder zu deutschen Rüstungsex­porten in die Türkei macht.

»Unser Verein versteht sich als Informatio­ns- und Öffentlich­keitsarbei­tszentrum, das versucht, die Stimme der kurdischen Bevölkerun­g an die deutsche Öffentlich­keit zu tragen«, sagt Cicek. »Der Grund für die Durchsuchu­ng soll ein Ermittlung­sverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Vereinsges­etz sein.« Der Verein wertet die Durchsuchu­ng »als di- rekten Angriff auf die Meinungs- und Informatio­nsfreiheit«.

Auch die Räumlichke­iten des kurdischen Dachverban­des NAV-DEM Berlin, die ebenfalls in der Residenzst­raße liegen, wurden laut Angaben Ciceks durchsucht. Dabei sollen ebenfalls Türen zertrümmer­t und Räume durchwühlt worden sein. Zudem sollen auch mehrere Privatwohn­ungen in Berlin Ziel der Polizeiakt­ion gewesen sein. Die Rede war am Mittwoch von fünf Wohnungen. Im Zentrum für Öffentlich­keitsarbei­t beschlagna­hmte die Polizei unter anderem zwei Computer.

Am Nachmittag bestätigte­n Polizei und Staatsanwa­ltschaft die Durchsuchu­ngen. In einem Ermittlung­sverfahren der Staatsanwa­ltschaft Berlin wegen des Verdachts von Straftaten nach dem Vereinsges­etz haben Ermittler des Staatsschu­tzes heute früh zwischen 6 und 10.30 Uhr die Räumlichke­iten eines kurdischen Kulturvere­ins sowie die Privatansc­hriften der Beschuldig­ten in Steglitz, Reinickend­orf und Schöneberg durchsucht, hieß es. Außerdem seien die Beschuldig­ten im Alter von 62, 54, 44 und 45 Jahren verdächtig, im Dezember 2017 als Verantwort­liche des Kulturvere­ins eine Versammlun­g anlässlich des Jahrestage­s der Gründung der in Deutschlan­d verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK geplant zu haben. Die Ermittlung­en würden andauern, erklärten Polizei und die Staatsanwa­ltschaft Berlin in einer gemeinsame­n Erklärung.

Die innenpolit­ische Sprecherin der Linksfrakt­ion im Bundestag, Ulla Jelpke, wertete unterdesse­n die

»heutigen Razzien bei kurdischen Vereinen in Berlin« als »Wahlkampfh­ilfe für das Erdogan-Regime in der Türkei«. »Seit Tagen sind Mitglieder von NAV-DEM unentwegt auf der Straße, um Wahlkampf für die Demokratis­che Partei der Völker HDP in der Türkei zu machen und die Wahl- urnen im türkischen Generalkon­sulat vor Manipulati­onen zu bewachen«, sagte Jelpke. Denn nur mit dem Wiedereinz­ug dieser pluralen linken und demokratis­chen Partei in das türkische Parlament am 24. Juni sei eine opposition­elle Mehrheit gegen Erdogans AKP möglich, so die Innenexper­tin der Linksfrakt­ion. »Wegen dieser Bedrohung seiner autokratis­chen Herrschaft hat Erdogan die HDP, deren Präsidents­chaftskand­idat Selahattin Demirtas seit November 2015 in Untersuchu­ngshaft festgehalt­en wird, zu Terroriste­n erklärt.« Jelpke unterstell­te der Polizei und der Staatsanwa­ltschaft in Berlin, »dieser Sichtweise« scheinbar zu folgen. »Die fortgesetz­te direkte und indirekte Unterstütz­ung des Erdogan-Regimes muss ein Ende haben!«, forderte die Bundestags­abgeordnet­e.

Auch das Kurdische Zentrum für Öffentlich­keitsarbei­t mutmaßte, dass die Durchsuchu­ng mit der Kritik an den Kriegsverb­rechen in Afrin zusammenhä­ngen könnte, die auch mit deutschen Waffen begangen werden. Zudem würde sich die Razzia in die Angriffe des türkischen Staates gegen kurdische und prokurdisc­he Medien einreihen, hieß es in einer Erklärung.

»Der Grund für die Durchsuchu­ng soll ein Ermittlung­sverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Vereinsges­etz sein.« Ali Cicek, Civaka Azad

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