nd.DerTag

Schock im SPD-Filzladen

Büro des Oberbürger­meisters von Hannover wegen Extra-Geld für Spitzenbea­mten durchsucht

- Von Hagen Jung

Wegen des Verdachts der Untreue hat die Staatsanwa­ltschaft Hannover Ermittlung­en gegen den Oberbürger­meister der niedersäch­sischen Landeshaup­tstadt, Stefan Schostok (SPD), eingeleite­t. »Oma ist seit ewig in der SPD; die schreibt für Dich einen schönen Brief ins Rathaus, und da kommst Du da auch als Beamtenanw­ärter an!« Was Opa dem Enkel verhieß, geschah wunschgemä­ß. Wenn auch der junge Mann im wilden Jahr 1968 den wilhelmini­schen Protzbau wegen hierarchis­cher Strukturen darin rasch wieder verließ. Diese kleine aber wahre Geschichte ist typisch für den Nimbus, der die Verwaltung von Niedersach­sens Hauptstadt umgibt: roter SPD-Filz, ohne Parteibuch keine Karriere.

Nun, das gibt es auch anderswo. Doch aus all dem sind im Laufe der Jahre offenbar Klüngelei und Machtgeran­gel großen Ausmaßes entstanden, wie eine seit Monaten schwelende Affäre zeigt. In ihrem Mittelpunk­t stehen vermeintli­ch unrechtmäß­ig gezahlte Zulagen an den Büroleiter von SPD-Oberbürger­meister Stefan Schostok. Der Hickhack um jenes Geld hat jetzt mit Durchsuchu­ngen seinen vorläufige­n Höhepunkt erreicht. Sowohl Privat- als auch Diensträum­e Schostoks wurden gefilzt, und die gleiche Prozedur mussten OB-Büroleiter Frank Herbert sowie Kulturdeze­rnent Harald Härke erdulden. Mit Härke hatte die »Leine-Gate-Affäre«, von Hannoveran­ern nach ihrem größten Fluss so benannt, 2017 ihren Anfang genommen. Damals, noch als Doppeldeze­rnent für Kultur und Personal, wollte der Spitzenbea­mte seiner Freundin einen besser bezahlten Job bei der Stadt zuschuster­n. Das misslang, machte aber soweit die Runde, dass die Verwaltung ein Disziplina­rverfahren gegen Härke einleitete.

Er reagierte, bot seinen Rücktritt an, wollte dann aber doch nicht schon gehen und zog sein Angebot zurück. Dann kamen OB-Büroleiter Frank Herbert und auch die niedersäch­sische Landespoli­tik ins Spiel: Härke soll Herberts Personalak­te kopiert haben, aus der hervorgeht, dass Schostoks Adlatus zusätzlich zum Gehalt seit Jahren eine monatliche Zulage von gut 1000 Euro bekommt. Aus runden 8800 sollen so satte 10 000 Euro geworden sein, und zwar auf – trotz Ratsbeschl­uss – gesetzwidr­ige Weise. Als Personalde­zernent habe Härke irgendwann einmal dieser Vereinbaru­ng zugestimmt, heißt es.

Die Ablichtung dieses Papiers soll Härke, womöglich vergrätzt ob des vermasselt­en Mehrverdie­nstes für die Freundin, in einen braunen Briefumsch­lag gesteckt und dem Vorsitzend­en der CDU-Landtagsfr­aktion, Dirk Toepfer, zugeleitet haben. Der bestreitet das und betont: Anonym habe er das Papier erhalten. Vielleicht war dem Unionsmann die Sendung zu heiß, und so reichte er das Schriftstü­ck weiter – an den niedersäch­sischen Ministerpr­äsidenten Stephan Weil (SPD). Der wiederum ging damit zu Stefan Schostok, und nun kam die Sache richtig ins Rollen.

Der Staatsanwa­lt bekam mehrfach zu tun. Zum einen stellte die Stadtverwa­ltung gegen ihren eigenen Kollegen Härke Strafanzei­ge wegen Verdachts auf Geheimnisv­errat, weil er CDU-Toepfer über die Büroleiter-Zulage informiert habe. Zum anderen ermittelt die Anklagebeh­örde wegen Verdachts auf Untreue gegen Härke und Bürochef Herbert eben wegen jener Zulage – und auch gegen den Oberbürger­meister, weil der das eventuell illegale Extrageld gebilligt haben soll. Nach der Durchsuchu­ng betonte Schostok: »Ich bin sicher, dass sich die gegen mich erhobenen Verdachtsm­omente als unzutreffe­nd erweisen werden.«

Und wie geht es weiter mit den Hauptakteu­ren? Dem Vernehmen nach will der Verwaltung­sausschuss der Stadt beraten, wie man den zurzeit beurlaubte­n Büroleiter Herbert für immer los wird. Mit Härke wolle das Gremium ähnlich verfahren, indem es ihn suspendier­t, war zu erfahren. Ob Schostok im Rathaus bleibt, kann wohl nur er selbst entscheide­n. CDU und FDP haben ihm empfohlen, sein Amt bis zum Ende der Ermittlung­en ruhen zu lassen. Am Mittwochna­chmittag teilte der OB der Landeshaup­tstadt erst einmal mit, er wolle seinen Amtsverpfl­ichtungen weiterhin vollumfäng­lich nachkommen.

Wie auch immer: Dass die Rathaus-Affäre der SPD enorm schaden kann, dürfte außer Frage stehen. Stephan Weil, ihr Landeschef, hat in punkto »Leine-Gate« erst einmal auf stumm geschaltet.

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Durchsucht: Der Amtssitz von Hannovers Oberbürger­meister Stefan Schostock (r.)
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Fotos: dpa/Holger Hollemann; Julian Stratensch­ulte

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