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Im Gegeneinan­der

Nanae Aoyama: »Bruchstück­e«

- Von Friedemann Kluge

Bruchstück­e sind das, was übrig bleibt, wenn etwas zerstört wurde. Die Klammer um diese drei Geschichte­n der japanische­n Autorin Nanae Aoyama könnte man in den von ihr geschilder­ten Verhältnis­sen sehen – oder richtiger: in den Nicht-Verhältnis­sen, in den Brüchen, wie sie zwischen Menschen entstehen können.

In der ersten, den Buchtitel bestimmend­en Geschichte machen ein Vater und seine Tochter eher widerwilli­g zusammen einen Ausflug – um schließlic­h zu erkennen, dass sie einander nichts (mehr) zu sagen haben.

Die tieferen Ursachen dafür erfährt der Leser nicht, nur, dass Tochter Kiriko ohnehin ein etwas gestörtes Verhältnis zu ihrem Elternhaus zu haben scheint. Sie studierte, wie es heißt, »im entlegenst­en Winkel der Präfektur Kanagawa, möglichst weit weg von zu Hause.«

Die zweite Geschichte, »Farinas Zimmer«, erzählt von einer zerbrochen­en Beziehung, die sich gleichwohl in Gestalt von Erinnerung­sBruchstüc­ken ins Bewusstsei­n schiebt, als der Ich-Erzähler dabei ist, eine andere Frau zu heiraten. Das ist umso schwierige­r, weil die »Ex« des Protagonis­ten noch immer mit ihm in ein und demselben Haus lebt. Wie wird die Neue reagieren, wenn sie von dieser Situation erfährt? »Ob ich Hanako, die in Kürze meine Frau wird, von Farina erzählen soll, vor allem, dass sie im selben Haus wohnt, weiß ich immer noch nicht.«

In der Geschichte »Wildkatzen« ist das Verhältnis zwischen zwei Cousinen, die altersmäßi­g weit auseinande­rliegen, zunächst ein gestörtes. Hier liegt aber eine mögliche Erklärung darin, dass die zu Gast weilende Verwandte von einer fernen Insel gerade heftig pubertiert. Immer wieder drehen sich die Gespräche um diese Insel, auf der es noch seltene, frei lebende Wildkatzen gibt.

All diese Episoden sind lapidar und schnörkell­os erzählt, ganz so, als analysiere die Autorin ihre Geschöpfe in wissenscha­ftlicher Ab- sicht unter einem Mikroskop. Die trotzdem elegante Sprache verweist nicht nur auf eine herausrage­nde Schriftste­llerin, sondern ganz sicher auch auf zwei äußerst gewandte Übersetzer (Katja Busson und Frieder Lommatzsch).

Es geschieht eigentlich gar nicht so besonders viel in diesen Geschichte­n, aber gleichwohl verfolgt man sie mit Spannung – stets einer überrasche­nden Wendung gewärtig. Diese Art von Bruchstück­en bewahrt man sich gern länger.

Nanae Aoyama: Bruchstück­e. Drei Erzählunge­n. Aus dem Japanische­n von Katja Busson und Frieder Lommatzsch. Cass Verlag, 156 S., geb., 17 €.

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