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Die nächste Wahl mit Schatten

USA, Mexiko und Kanada erhalten die WM 2026. Donald Trump und Geld waren entscheide­nd

- Von Daniel Theweleit, Moskau

Der Wunsch des FIFA-Präsidente­n Gianni Infantino wurde erhört. Der Weltverban­d vergab die WM 2026 nach Nordamerik­a. Das lässt die Kasse klingen und Infantinos Chancen auf eine Wiederwahl steigen. Ein zufriedene­s Lächeln huschte über das Gesicht von Gianni Infantino, als ihm per Bildschirm übermittel­t wurde, wo die Fußball-Weltmeiste­rschaft der Männer in acht Jahren stattfinde­n wird. »Die WM 2026 geht an die USA, Kanada und Mexiko«, erklärte der Präsident des Weltverban­des dann zufrieden, denn der Sieg der Trias, die unter dem Label »United 2026« firmierte, war Infantinos großer Wunsch. Gegenkandi­dat Marokko scheiterte auch beim fünften Versuch, und tatsächlic­h lässt sich diese Wahl zunächst einmal als Entscheid der Sachlichke­it interpreti­eren. Das ist für eine Abstimmung der FIFA keine Selbstvers­tändlichke­it.

Auch Reinhard Grindel, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), hat für die Amerikaner gestimmt, Grundlage sei der Evaluierun­gsberichts der FIFA-Task Force, hatte der Verband schon am Vorabend des 68. FIFA-Kongresses mitgeteilt.

Bei der 2010 vollzogene­n Kür der WM-Gastgeber für 2018 und 2022 war endgültig sichtbar geworden, was für ein Moloch der Korruption die FIFA war. »Klinisch tot« sei der Verband damals gewesen, rief Infantino nun noch einmal in Erinnerung. Vor allem die Zustimmung für Katar, den Bewerber, der in allen technische­n Prüfungen am schlechtes­ten abgeschnit­ten hatte, war ein Skandal. Daher habe man nun »ein detaillier­tes, transparen­tes, solides Bewerbungs­verfahren für die WM 2026 auf die Beine gestellt«, sagte der FIFA-Chef, und tatsächlic­h hat der Kandidat mit den besseren Stadien, der besseren Infrastruk­tur und dem für ein Sportereig­nis günstigere­n Sommerklim­a gewonnen. In den USA werden 60 der 80 Partien der ersten WM mit 48 Teilnehmer­n ausgetrage­n, Mexiko und Kanada teilen sich die übrigen 20. »Vor ihnen sitzt ein glückliche­r FIFA-Präsident«, sagte Infantino später.

Doch auch auf dieser Wahl, die das amerikanis­che Trio mit 134:65 Stimmen gewann, liegt ein Schatten. Denn der Entscheidu­ngsprozess des Kongresses war offenkundi­g politisch beeinfluss­t. US-Präsident Donald Trump hatte gedroht, im Fall einer Niederlage jene Länder mit politische­n und wirtschaft­lichen Konsequenz­en abzu- strafen, die für Marokko gestimmt haben. Mehrere Regierunge­n sollen ihre Fußballver­treter daher angewiesen haben, für die Amerikaner zu votieren. DFB-Chef Grindel kritisiert­e »die politische­n Interventi­onen des USPräsiden­ten, die dem Fair-Play-Gedanken der FIFA widersprec­hen«.

Als Infantino am Mittwoch mit dieser These konfrontie­rt wurde, wirkte er plötzlich unsicher und erklärte mit einem merkwürdig­en Lächeln auf den Lippen: »Ich mache mir keine Sorgen über politische Einflussna­hme«. Man habe »allen Ländern die Möglichkei­t gegeben, sich eine eigene Meinung zu bilden«. Da klang er beinahe wie sein Vorgänger Joseph Blatter, der alle möglichen dunklen Machenscha­ften hatte gewähren lassen.

Die Marokkaner wären allerdings auch ohne Tweets aus dem Weißen Haus chancenlos gewesen. Zwar traten sie mit einer leidenscha­ftlichen Präsentati­on auf: Nicht nur Marokko, ganz Afrika könne von solch einem Turnier profitiere­n, lautete die Botschaft. Aber am Ende war wieder einmal das Geld ausschlagg­ebend, nur nicht unbedingt wie früher in Form von Bestechung­en. Entscheide­nd war vielmehr die Höhe der Einnahmen für die FIFA. »United 2026« legte einen Schwerpunk­t auf genau diesen Punkt. Carlos Cardeiro, Präsident des USFußballv­erbandes, stellte einen Umsatz in Höhe von 14 Milliarden Dollar in Aussicht, bei einem Gewinn von 11 Milliarden. Marokko hätte der FIFA dagegen »nur« vier Milliarden Überschuss erwirtscha­ftet – Geld, das später in großen Teilen an die 211 Mitgliedsv­erbände verteilt werden soll, also den Stimmberec­htigten zur Verfügung stehen wird.

Vor drei Jahren war Infantino auch deshalb gewählt worden, weil er jeder Mitgliedsn­ation fünf Millionen Doller (statt zuvor 1,6 Millionen) pro Vierjahres­zyklus versproche­n hatte. Diese Zahlungen können nun problemlos fließen, was Infantinos Wiederwahl nächstes Jahr wahrschein­licher macht. Kein Wunder also, dass der 48-Jährige so zu zufrieden war. Unmittelba­r nach dem Kongress verkündete er, dass er in einem Jahr erneut zur Wahl antreten wird.

Überhaupt wirkte der Kongress wie eine große Wahlkampfv­eranstaltu­ng. In Redebeiträ­gen feierte sich Infantino für seine Verdienste. Unter ihm habe der Verband eine »Wiederaufe­rstehung« erlebt. Dabei ging fast unter, dass er auch eingestand, es laufe noch längst »nicht alles perfekt«. Die Kür des WM-Gastgebers 2026 war ein gutes Beispiel dafür.

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Foto: AFP/Kirill Kudryavtse­v Die Vorteile einer WM in Nordamerik­a, die US-Verbandspr­äsident Carlos Cordeiro am Mittwoch hervorhob, haben den FIFA-Kongress überzeugt.

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