NSU-Prozess am Ende
Lebenslang für Beate Zschäpe, doch Fragen der Hinterbliebenen bleiben offen
Berlin. Der Münchner NSU-Prozess ist nach fünf Jahren zu Ende; Beate Zschäpe wurde am Mittwoch zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht, Manfred Götzl, hob bei der Urteilsbegründung hervor, dass Zschäpe sich der Mittäterschaft an den Morden des Nationalsozialistischen Untergrundes und also nicht nur der Beihilfe schuldig gemacht habe. Die 43-Jährige wurde wegen zehnfachen Mordes und weiterer Taten verurteilt, die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen. Auch die vier Mitangeklagten er- hielten mehrjährige Haftstrafen, bis auf Zschäpe und Ralf Wohlleben, der als Waffenbeschaffer des NSU zehn Jahre erhielt, wurden alle aus der Untersuchungshaft entlassen.
Das Urteil hat zwei Dimensionen, wie am Mittwoch in München sogleich deutlich wurde. Eine juristische um die Frage, ob Zschäpe, obwohl sie nicht an den Tatorten war, zu Recht als Mittäterin verurteilt wurde. Zschäpes Verteidiger kündigten Revision gegen das Urteil vor dem Bundesgerichtshof an. Sie hatten Freispruch gefordert. Die zweite Dimension wurde vor allem in der Reaktion von Hinterbliebenen der NSU-Opfer deutlich, die zum letzten Pro- zesstag nach München gekommen waren. Gamze Kubasik, die Tochter des ermordeten Mehmet Kubasik, hofft dpa zufolge, »dass auch alle weiteren Helfer des NSU gefunden und verurteilt werden«. Dass das Gericht von nur drei NSU-Mitgliedern ausging, hinterlässt Unsicherheit bei den Betroffenen. Unaufgeklärt blieb auch die Rolle der Sicherheitsbehörden während der NSU-Verbrechen. Amnesty International kritisierte, die Ermittlungsbehörden hätten »elf Jahre lang die rassistischen Tatmotive verkannt« und danach durch eigene rassistische Vorgehensweise Aufklärung verhindert.
Das Oberlandesgericht München hat im so genannten NSU-Prozess geurteilt. Juristisch kann und will ich das nicht beurteilen. Aber politisch drängt es mich zu fünf Anmerkungen:
Erstens: Ein Nazi-Trio zog zehn Jahre lang raubend und mordend durch Deutschland, unerkannt und unbehelligt. Das war und das ist noch immer die offizielle Version des NSU-Desasters. Man muss allerdings viele Fragezeichen wegwischen, um das zu glauben. Das schrieb ich bereits vor vier Jahren und das meine ich noch immer.
Zweitens: Die Bundeskanzlerin hatte im Februar 2012 den Hinterbliebenen der NSU-Opfer bedingungslose Aufklärung versprochen. Davon kann nach wie vor keine Rede sein. Sie wurde von ihren Innenministern und den nach geordneten Behörden in den Meineid getrieben. Und sie hat sich offenbar ungerührt treiben lassen.
Drittens: Das Staatsversagen beim NSU-Desaster war komplex. Die Behörden, die Politik, die Medien, wir Abgeordneten, alle hatten Anteil. Im Zentrum des Versagens agierten allerdings Ämter für Verfassungsschutz. Sie behinderten die Fahndung nach dem NSU-Trio und sie boykottierten hernach rechtswidrig eine gründliche Aufklärung.
Viertens: Das Mordmotiv der NSU-Nazis war bei neun Opfern, dass diese ob ihrer Herkunft in Deutschland nichts zu suchen hätten, also nationalistischer Rassismus. Genau den erleben wir zunehmend, nicht nur am rechtsextremen Rand, sondern inmitten der Gesellschaft, in Regierungen EU-weit, inzwischen auch wieder in Deutschland. gearbeitet, noch beendet. Fünftens: Was würde das NSUTrio aktuell wohl dazu sagen, wenn Flüchtlinge aus Afrika auf dem Weg nach Europa in Seenot geraten? Ich weiß es nicht, aber ich ahne es: Schiffe beschlagnahmen. Flüchtlinge zurück bringen. Retter bestrafen. Das klingt bekannt, oder? Ja, das NSU-Desaster ist weder auf