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Scharfe Kritik an Seehofers Abschiebe-Freude

Aus Deutschlan­d abgeschobe­ner Afghane begeht Suizid

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Ein vor einer Woche aus Deutschlan­d abgeschobe­ner Afghane ist tot. Wie ein Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums sagte, wurde der Mann leblos in einer Zwischenun­terkunft in Kabul aufgefunde­n.

Kabul. Ein vor einer Woche aus Deutschlan­d abgeschobe­ner afghanisch­er Asylbewerb­er hat sich nach seiner Rückkehr erhängt. Er sei am Dienstag in einer von der Internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) zur Verfügung gestellten vorübergeh­enden Unterkunft in Kabul aufgefunde­n worden, sagte ein hochrangig­er Mitarbeite­r des Flüchtling­sministeri­ums am Mittwoch in Kabul. Der Mann aus der nordafghan­ischen Provinz Balkh sei 23 Jahre alt gewesen und habe acht Jahre lang in Deutschlan­d gelebt.

Nach Angaben des Bundesinne­nministeri­ums (BMI) und aus dem Flüchtling­sministeri­um in Kabul hatte der junge Mann in Hamburg gelebt. Ein BMI-Sprecher sagte, er sei wegen Diebstahls und Körperverl­etzung mehrfach rechtskräf­tig verurteilt worden. Afghanisch­e Behörden hätten dem BMI am Mittwoch bestätigt, dass es sich um Suizid handele. Die geschilder­ten Umstände deuteten stark darauf hin.

Eine Quelle aus dem Kabuler Büro der IOM bestätigte den Tod des jungen Mannes. Man untersuche den Vorfall noch. Die afghanisch­e Polizei ermittele ebenfalls. Der Mann sei im Spinsar-Hotel gefunden worden, wo IOM rückkehren­den Flüchtling­en, die nicht wissen wohin, einige Tage Unterschlu­pf gewährt.

Mit dem jüngsten Abschiebef­lug aus Deutschlan­d hatten Bund und Länder 69 Passagiere und damit ungewöhnli­ch viele abgelehnte Asylbewerb­er nach Afghanista­n zurückgebr­acht. Allein Bayern hatte 51 Afghanen in den Flieger gesetzt, der am Abend des 3. Juli in München gestartet war. Außerdem hatten sich laut Bundesinne­nministeri­um die Länder Hamburg, Baden-Württember­g, Mecklenbur­g-Vorpommern, Sachsen, Berlin, Rheinland-Pfalz, Hessen und Schleswig-Holstein an der Abschiebun­g beteiligt.

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich noch am Dienstag zufrieden über die hohe Zahl der Abgeschobe­nen geäußert. »Ausgerechn­et an meinem 69. Geburtstag sind 69 – das war von mir nicht so bestellt – Personen nach Afghanista­n zurückgefü­hrt worden. Das liegt weit über dem, was bisher üblich war«, sagte der CSU-Chef bei der Vorstellun­g seines »Masterplan­s Migration« in Berlin.

Die Grünen-Fraktionsv­orsitzende Katrin Göring-Eckardt mahnte: »Abschiebun­gen eignen sich nicht für Scherze.« Bei Seehofer seien Entscheidu­ngen über Menschenle­ben deshalb »in schlechten Händen«. Unabhängig von den genauen Umständen dieses Falles sei die Ver- zweiflungs­tat eines jungen Menschen zu bedauern. »Es ist verantwort­ungslos, dass immer mehr Menschen nach Afghanista­n in eine ungewisse Zukunft geschickt werden.« Die Bundestags­abgeordnet­e Ulla Jelpke forderte ebenfalls ein Ende der Abschiebun­gen nach Afghanista­n. »Die Lage dort wird immer schlimmer, aber Deutschlan­d weitet die Abschiebun­gen aus. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das tödliche Folgen hat«, so die Innenpolit­ikerin der Linksparte­i. Die Abschiebun­gen sind wegen der sich rasant verschlech­ternden Sicherheit­slage in Afghanista­n umstritten.

Bei einem Anschlag auf die Bildungsbe­hörde in der ostafghani­schen Stadt Dschalalab­ad sind am Mittwoch mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. Es ist der dritte schwere Anschlag in der Stadt an der Grenze zu Pakistan in den vergangene­n zwei Wochen.

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