nd.DerTag

Die Plastiktüt­en der Mafia

In Italien verdient das organisier­te Verbrechen gut an Umweltvers­chmutzung

- Von Anna Maldini, Rom

Die Umweltorga­nisation Legambient­e veröffentl­icht ihren Jahresberi­cht. Für die Mafia bleibt die »Entsorgung« von Müll ein lukratives Geschäft, neu hinzu kommt der illegale Verkauf von Plastiktüt­en. Jedes Jahr veröffentl­icht die italienisc­he Umweltorga­nisation Legambient­e den Bericht »Ecomafia« (Ökomafia) zu den Umweltverb­rechen, die von der organisier­ten Kriminalit­ät verübt, unterstütz­t oder geduldet werden. Für das Jahr 2017 weist der Bericht wenige Sonnen- und viele Schattense­iten auf.

Auf die Habenseite kann man wohl den sprunghaft­en Anstieg der polizeilic­hen und juristisch­en Untersuchu­ngen (plus 139,5 Prozent) und der Verhaftung­en von Straftäter­n verbuchen. Auf der negativen Seite steht hingegen der »Umsatz« dieser kriminelle­n Geschäftsb­ranche, der heute 14,1 Milliarden Euro (plus 9,4 Prozent) beträgt. Der größte Anteil entfällt dabei auf den Handel mit Müll. 2017 wurden in diesem Bereich 76 Verfahren eingeleite­t, 177 Personen verhaftet, fast 1000 angezeigt und 4,4 Millionen Tonnen Abfall beschlagna­hmt, acht Mal so viel wie im Vorjahr. Würde man die in Lastwagen abfüllen, wäre das 181 000 Lkws in einer ununterbro­chenen Schlange von 2500 Kilometern!

Die Abfallarte­n, mit denen das meiste Geld zu verdienen ist, sind Industries­chlamm, Feinstaub, Elektromül­l, Plastik und Metall, aber auch Papier. Dabei geht es vor allem darum, dass der Müll nur scheinbar ordnungsge­mäß abgebaut und recycelt, tatsächlic­h aber irgendwo verscharrt oder verbrannt wird, wodurch man Kosten und Steuern spart.

Weitere »Industriez­weige« sind Waldbrände, Vergehen gegen die Artenvielf­alt (vor allem Fischen im Mittelmeer) und illegales Bauen. Es gibt Schätzunge­n, die besagen, dass 2017 – auch hier vor allem in den süditalien­ischen Regionen – etwa 17 000 neue illegale Bauten errichtet wurden. Auch wenn es gelingt, die Konstrukti­onen zu stoppen, ist es extrem schwierig, diese so genannten »Ökomonster«, die häufig in landschaft­lich besonders wertvollen Gegenden entstehen, dann auch wieder zurück- zubauen oder zu sprengen. Den zuständige­n Gemeinden fehlt das notwendige Geld und nicht selten auch der politische Willen. In diesem Sinne ist es interessan­t, dass allein in den diesem Jahr bereits 16 Gemeindeve­rwaltungen aufgelöst wurden, weil

2018 wurden bereits 16 Gemeindeve­rwaltungen aufgelöst, weil sie sich vollkommen in den Händen von kriminelle­n Gruppen befinden.

sie sich vollkommen in den Händen von kriminelle­n Gruppen befinden. So sieht Legambient­e als wichtigste Werkzeuge der Ökomafia Einschücht­erungen und Korruption.

Ein neuer Geschäftsz­weig betrifft die Herstellun­g und Vertreibun­g von Plastiktüt­en, die laut Gesetz inzwischen alle kompostier­bar sein müssen. Im Durchschni­tt (so eine Schätzung) sind 60 von 100 Plastiktüt­en nicht regelkonfo­rm und die meisten werden vom Einzelhand­el und Marktständ­en in Umlauf gebracht. Allein in Neapel hat die Stadtpoliz­ei 2017 1,6 Millionen »illegale« Tüten beschlagna­hmt.

Fast die Hälfte aller Umweltverb­rechen wurden in den vier »typischen Mafiaregio­nen« Kampanien, Sizilien, Apulien und Kalabrien verübt. Legambient­e hat insgesamt 331 Mafiaclans ausgemacht, die in diesem Geschäft aktiv, wobei sich vor allem die kalabrisch­e Ndrangheta hervorhebt, die wohl nicht nur in Italien, sondern europa- und sogar weltweit arbeitet. Immer wieder werden vor allem in afrikanisc­hen Ländern ganze Halden mit italienisc­hem Giftund Elektromül­l gefunden.

Der Vorsitzend­e von Legambient­e Stefano Ciafani wünscht sich Folgendes: »Der Kampf gegen die Ökokrimina­lität muss eine der unverzicht­baren Prioritäte­n von Regierung, Parlament und aller Institutio­nen sein. Aber auch der gesellscha­ftlichen, wirtschaft­liche und politische­n Organisati­onen: Jeder muss verantwort­ungsbewuss­t seinen Teil beitragen.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany