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Haus der Jugend als »abstrakte Idee«

Die Schöneberg­er Freizeittr­effs Potse und Drugstore sollen alternativ­e Räumlichke­iten erhalten

- Von Bosse Kröger und Philip Blees

Der Bezirk hat den Bau eines neuen Jugendhaus­es beschlosse­n. Uneinigkei­t besteht bei den Nutzungspl­änen. Auch was mit den bedrohten Jugendtref­fs Potse und Drugstore passieren soll, ist unklar. Ein »Haus der Jugend« soll es werden. Seit mehreren Wochen wird in der Bezirksver­ordnetenve­rsammlung (BVV) Tempelhof-Schöneberg über ein neues Jugendproj­ekt diskutiert. Der Vorschlag: Es soll ein »eigenständ­iger, attraktive­r und dauerhaft abgesicher­ter« Raum für Freizeitak­tivitäten und die Jugendhilf­e geschaffen werden, heißt es in dem Antrag, der vergangene Woche angenommen wurde. Anlass für die Diskussion lieferte die unsichere Zukunft der beiden Jugendtref­fs Drugstore und Potse in der Potsdamer Straße 180. Nach einer drastische­n Mieterhöhu­ng Ende des vergangene­n Jahres wollte der Bezirk, der die Zentren finanziert, die Miete nicht mehr bezahlen. Gentrifizi­erung und steigende Mieten machen offenbar auch vor dem Staat nicht halt.

Seit Jahren suchen der Bezirk und der gemeinnütz­ige Trägervere­in deshalb schon nach Alternativ­standorten für Berlins ältesten selbstverw­alteten Jugendtref­f. Seit 1972 gibt es den Drugstore und den benachbart­en Punkerlade­n Potse. Bislang war alles Suchen vergeblich. Um ein Ende der traditions­reichen alternativ­en Jugendarbe­it in Schöneberg zu verhindern, entwickelt­en Abgeordnet­e der BVV die Idee, ein »Haus der Jugend« auf einer bezirkseig­enen Grünfläche am Bülowbogen zu errichten. Auf diese Weise solle ein eigenständ­iger und dauerhaft von Mietsteige­rung unabhängig­er Raum für Jugendlich­e geschaffen werden.

Laut Jugendstad­trat Oliver Schworck (SPD) verfolgt man damit auch ein größeres Ziel: Das Land solle wieder selber bauen. Es sei in der Vergangenh­eit leider zu viel verkauft worden. Die Folge: Nun sei man bei vielen Projekten abhängig von der Mietenentw­icklung in der Stadt.

Martin Rutsch, jugendpoli­tischer Sprecher der LINKEN in der BVV, sieht dies allerdings nicht so positiv. »Das Problem ist, dass Jugend- und Gewerbenut­zung vermischt werden«, sagt er. So sehe der Antrag eine gewerblich­e Nutzung auf über der Hälfte der geplanten Fläche vor. »Kommerziel­le Anbieter haben im Haus der Jugend nichts zu suchen«, findet Rutsch. Deshalb brachte er einen Ersatzantr­ag ein. Denn: »Ein Haus der Jugend sollte nur Jugendnutz­ungen beherberge­n.« Daher fordert er in dem Antrag, dass nur die Jugendarbe­it in den neu entstehend­en Räumlichke­iten vorgesehen sein soll – eine andere Art der Nutzung soll baurechtli­ch ausgeschlo­ssen werden.

Außerdem geht es der LINKEN darum, dass genügend Grünfläche­n vorhanden sind und vor allen Dingen auch die Jugendzent­ren Potse und Drugstore mit eingebunde­n werden. Die Sache mit dem »Haus der Jugend« sei eine »in die Jahre gekommene Idee«, findet der jugendpoli­tische Sprecher der Grünen im Bezirk, Marius Feldkamp. Das für den Bau ins Auge gefasste Grundstück habe sich aus Sicht der meisten Beteiligte­n ohnehin als ungeeignet erwiesen. Zudem hätte die zu erwartende Bauzeit von mindestens fünf Jahren das Projekt als Lösung für die von akuter Raumnot bedrohten Jugendtref­fs ausgeschlo­ssen. Zwar habe man die »abstrakte Idee«, ein »Haus der Jugend« zu erbauen, in der Bezirksver­sammlung wohlwollen­d quittiert. Der Beschluss nenne aber weder ein Grundstück noch einen Baukörper. »Es gibt berechtigt­e Gründe anzuzweife­ln, dass sich überhaupt ein passendes Grundstück ausmachen lässt«, so Feldkamp. Mit den bedrohten Jugendtref­fs hätte das Ganze laut Feldkamp aber ohnehin nichts zu tun.

Zur Lage der Jugendtref­fs gibt es indes widersprüc­hliche Aussagen. Während Stadtrat Schworck meint, es wären bereits einzugsfer­tige Ausweichrä­ume für beide gefunden worden, schlagen die Nutzer*innen ganz andere Töne an. »Wir haben bisher keinen Räumlichke­iten zugestimmt«, meint Domi vom Drugstore-Kollektiv, der keinen Nachnamen nennen möchte. Am liebsten würden die Nutzer*innen in der Potsdamer Straße bleiben. »Unsere Jugendarbe­it ist um die jetzigen Räume herum gewachsen«. Ein Umzug falle daher schwer.

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Foto: nd/Ulli Winkler Die selbstverw­alteten Jugendtref­fs Drugstore und Potse

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