nd.DerTag

Man hätte es lassen können

Ein Treffen von Antifaschi­sten mit dem AfD-Politiker Brandner blieb ohne Ergebnis

- Von Sebastian Haak, Weimar

Die Leitung der Stiftung Gedenkstät­ten Buchenwald und Mittelbau-Dora hat den AfD-Politiker Stephan Brandner zu einem Gespräch empfangen – und hat die Antwort auf eine der großen Fragen unserer Zeit bekommen. Oder soll man es lassen? Diese Frage treibt Menschen in Deutschlan­d um, seit unter anderem Pegida und die AfD um das Jahr 2015 auf der politische­n Bühne aufgetauch­t sind. Die Frage richtet sich nicht darauf, ob es richtig ist zu versuchen, Menschen, die über das Mittelmeer nach Europa flüchten, vor dem sicheren Tod zu retten. Diese Lesart der Frage hat niemand anders als das selbsterna­nnte Flaggschif­f der deutschen Intellektu­ellen – die Wochenzeit­ung »Die Zeit« – erst vor wenigen Wochen ins Spiel gebracht; was eine große Kontrovers­e ausgelöst hat und ein Ausweis dafür ist, wie sehr der gesellscha­ftliche Diskurs in Deutschlan­d in der jüngsten Vergangenh­eit nach rechts gerückt ist.

Dagegen wird diese Frage schon lange in jener Lesart diskutiert, ob es richtig ist, überhaupt mit Rechtspopu­listen zu sprechen. Denn seit mit Pegida, der AfD, der Identitäre­n Bewegung und ähnlichen Gruppierun­gen das rechtspopu­listische Gedankengu­t in Deutschlan­d – das nicht neu ist – neue und öffentlich wirkmächti- ge Ausdrucksf­ormen gefunden hat, haben sich Politiker, Soziologen, Journalist­en und alle anderen politisch Aktiven und Interessie­rten jenseits des rechten Randes immer wieder mit der Frage auseinande­rgesetzt, ob man mit solchen Menschen über ihre Haltungen nun in einen Dialog treten soll. Ob man die Ängste, die dahinter stehen, öffentlich ganz breit thematisie­ren muss. Ober ob es nicht doch sehr viel bessere Dinge gibt, die man mit der Zeit anfangen könnte, die man für die dazu notwendige­n Gespräche aufwenden muss. Anders ausgedrück­t: Oder soll man es einfach lassen?

Die Erfahrung, die die Leitung der Stiftung Gedenkstät­ten Buchenwald und Mittelbau-Dora nun in einem Gespräch mit dem AfD-Politiker Stephan Brandner gemacht hat, scheint diese viel diskutiert­e Frage ziemlich eindeutig zu beantworte­n. Brandner selbst hatte um dieses Gespräch gebeten, das am Mittwochna­chmittag in einem Verwaltung­sgebäude der Gedenkstät­tenleitung auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrat­ionslagers Buchenwald stattgefun­den hat. Schon im Vorfeld des Termins hatten die Stiftungsm­itarbeiter um ihren Direktor Volkhard Knigge klargemach­t, dass sie den AfD-Mann nicht zum freundlich­en Plausch treffen würden; umso mehr, weil er als treuer Gefolgsman­n des Thüringer AfD-Fraktionsv­orsitzende­n Björn Höcke gilt und vor seiner Zeit als Bundestags­abgeordnet­er im Thüringer Landtag immer wieder durch wüste Beschimpfu­ngen und Herabwürdi­gungen anderer aufgefalle­n war. Unter anderem, hieß es in einer Mittei- Stiftung Gedenkstät­ten Buchenwald und Mittelbau-Dora lung der Stiftung vordemGesp­räch mit Brandner, werde dieser Stellung nehmen müssen zu der Behauptung, in Deutschlan­d werde ein »Schuldkult« betrieben, und seiner Forderung, die Erinnerung­skulturmüs­se um 180 Grad gewendet werden.

Nach dem Gespräch ist nun klar, dass man es aus Sicht der Stiftung auch hätte lassen können. Einer Stiftung, die sich schon in der Vergangenh­eit sehr klar gegen die rechtspopu­listischen Umtriebe in Deutschlan­d gewandt hat.

Unmittelba­r nach dem Termin teilte die Stiftung nämlich mit, das Gespräch mit Brandner sei »fruchtlos« gewesen. Brandner habe den offensicht­lichen Geschichts­revisionis­mus in seiner Partei bestritten, »behauptete, gegen die Aussagen von Björn Höcke und Alexander Gauland sei nichts einzuwende­n, und bagatellis­ierte völkische und antisemiti­sche Äußerungen als kurzzeitig­e Entgleisun­gen weniger Einzelner«. Ein sachliches Gespräch über ihre Arbeit, so heißt es in der Mitteilung der Stiftung, sei mit Brandner nicht möglich gewesen.

Überrascht zeigte sich Knigge von diesem Resümee nicht wirklich: »Dass das Gespräch fruchtlos geblieben ist, war leider zu erwarten«, sagte er. Die Gedenkstät­te Buchenwald werde alles dafür tun, »die inhumanen Ziele der geschichts­revisionis­tischen und antidemokr­atischen Positionen in der AfD aufzudecke­n und zu durchkreuz­en«. Dieses Bekenntnis ganz im Geiste des Schwurs von Buchenwald hatte Knigge allerdings auch schon unmittelba­r vor dem Gespräch mit Brandner geleistet. Nicht mal dazu hätte man diesen Dialog, der keiner war, also gebraucht. Man hätte es wirklich lassen können. Das wäre nun geklärt.

»Brandner behauptete, gegen die Aussagen von Björn Höcke und Alexander Gauland sei nichts einzuwende­n, und bagatellis­ierte völkische und antisemiti­sche Äußerungen als kurzzeitig­e Entgleisun­gen weniger Einzelner.«

 ?? Foto: dpa/Martin Schutt ?? Der AfD-Mann Stephan Brandner besuchte die Stiftung Gedenkstät­ten Buchenwald und Mittelbau-Dora – mit vorhersehb­arem Ergebnis.
Foto: dpa/Martin Schutt Der AfD-Mann Stephan Brandner besuchte die Stiftung Gedenkstät­ten Buchenwald und Mittelbau-Dora – mit vorhersehb­arem Ergebnis.

Newspapers in German

Newspapers from Germany