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Kein Zwang zu Abschlagsr­ente

Bundessozi­algericht schützt abschlagsf­reie Rente für Hartz-IV-Empfänger

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Jobcenter dürfen Hartz-Betroffene nicht in die Abschlagsr­ente drängen, wenn die normale Altersrent­e kurz bevorsteht.

Kassel. Hartz-IV-Empfänger, die nach ihrem 63. Geburtstag nur noch kurze Zeit auf eine abschlagsf­reie Rente für langjährig Versichert­e warten müssten, darf das Jobcenter nicht in eine vorgezogen­e Rente mit Abschlägen drängen. Jedenfalls bei einer Wartezeit von vier Monaten wäre dies »unbillig«, wie am Donnerstag das Bundessozi­algericht (BSG) in Kassel entschied. (Az: B 14 AS 1/18 R)

Der Kläger aus Neubranden­burg bezieht seit 2014 mit seiner Ehefrau Hartz IV. Im August 2017 feierte er seinen 63. Geburtstag. Nun konnte er eine vorzeitige Altersrent­e mit Abschlägen beantragen, was das Jobcenter verlangte.

Da er bereits mit 14 Jahren gearbeitet hatte, hatte er aber auch die 45 Beitragsja­hre für eine abschlagsf­reie Rente für langjährig Versichert­e längst voll. Allerdings musste er hierfür noch vier Monate warten. Vor diesem Hintergrun­d sei der Antrag auf eine Rente mit Abschlägen in Höhe von in dem Fall 9,6 Prozent unzumutbar, meinte er.

Hintergrun­d ist die Staffelung des Zugangsalt­ers für die abschlagsf­reie Rente nach 45 Beitragsja­hren. Wie bei der Abschlagsr­ente lag das Mindestalt­er ursprüngli­ch bei 63 Jahren, es wird aber stufenweis­e angehoben. Hier beim Geburtsjah­rgang 1954 lag es bei 63 Jahren und vier Monaten.

Das Jobcenter meinte in dem Fall, die Wartezeit bis zur abschlagsf­reien Rente dürfe höchstens drei Monate dauern. Dem folgte das Bundessozi­algericht nicht. Die drei Monate seien zwar in der Begründung eines Referenten­entwurfs erwähnt, letztlich in die hier maßgeblich­e »Unbillig- keitsveror­dnung« aber nicht übernommen worden. Mit der in der Verordnung verwendete­n Formulieru­ng »in nächster Zukunft« sei gerade keine klare Grenze gezogen worden.

Zudem habe es damals die abschlagsf­reie Rente für langjährig Versichert­e noch gar nicht gegeben. Der Verordnung­sgeber habe daher Abschläge für einen vorgezogen­en Rentenbezu­g von 0,3 Prozent pro Monat im Auge gehabt - für vier Monate also 1,2 Prozent und nicht wie hier 9,6 Prozent.

Inwieweit diese Begründung auch für Geburtsjah­rgänge nach 1954 trägt, ließ das BSG jedenfalls in seiner mündlichen Urteilsbeg­ründung offen. Der Abstand zwischen Abschlagsr­ente und abschlagsf­reier Rente für langjährig Versichert­e beträgt für den Jahrgang 1955 sechs Monate, für den Geburtsjah­rgang 1958 ist es bereits ein ganzes Jahr.

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