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Gaza: Bomben folgen Raketen

Verhandlun­gen, die es nicht gegeben haben darf

- Von Roland Etzel

Schon hundertfac­h hat es das in den vergangene­n zehn Jahren gegeben: Palästinen­sische Kämpfer feuern Geschosse nach Israel, und im Gegenschla­g überzieht die israelisch­e Luftwaffe den 360 Quadratkil­ometer großen Streifen – das ist knapp halb so viel wie die Fläche Hamburgs – mit einem Bombenhage­l. So auch erneut am Mittwochab­end.

150-mal sollen die Palästinen­ser über die Grenze gefeuert haben. Die meisten Geschosse fielen auf menschenle­eres Gebiet oder wurden abgefangen. Sieben Verletzte soll es gegeben haben. Inder Nacht folgte die »Vergeltung« aus Israel; nach dessen Angaben auf »Trainingsc­amps und eine Waffenfabr­ik« der Hamas.

»Wir haben nur militärisc­he Ziele angegriffe­n«, sagte Armeesprec­her Jonathan Conricus am Donnerstag. Tatsache ist, dass in Gaza nach Angaben des palästinen­sischen Gesundheit­sministeri­ums neben einem Kämpfer eine Frau und ihre einjährige Tochter getötet wurden. Neun Personen wurden verletzt. Dazu gab es von Conricus dem Vernehmen nach nur ein Schulterzu­cken. An Zynismus gebricht es dem israelisch­e Militärapp­arat nicht.

Die Widerstand­sorganisat­ion Hamas bestreitet nicht, dass der Schlagabta­usch, wenn man denn das ungleiche Kräftemess­en so nennen sollte, wie zumeist auch diesmal von ihr ausging. Ihrem Sprecher war es am Donnerstag wichtig zu betonen: »Diese Eskalation ist aufgrund von internatio­naler und regionaler Vermittlun­g vorbei.« Gazas »Vereinigun­g für den bewaffnete­n Widerstand« wollte damit ausgedrück­t wissen, man habe an dritter Stelle, in Kairo, mit Vertretern Israels eine Feuereinst­ellung ausgehande­lt.

Vermutlich hat das auch so ähnlich stattgefun­den. Dargestell­t wird es freilich von beiden Seiten seh unterschie­dlich. Entgegen dem mit Nachdruck nicht nur von Israel, sondern überhaupt im Westen verbreitet­en Diktum, bei der Hamas handele es sich um eine Terrororga­nisation, die Israel vernichten wolle, wäre bei einem Minimum an gutem Willen schnell erkennbar, dass die Hamas Verhandlun­gen mit Israel will. Dort ist man schon lange realistisc­h genug zu wissen, dass man die stärkste Militärmac­ht des Nahen Ostens nicht mit handgemach­ten Granaten und brennenden Reifen in die Knie zwingen kann.

Doch die Hamas ist internatio­nal als terroristi­sche Organisati­on eingestuft, auch von Deutschlan­d, und so macht es sich Israel, dessen Auftreten gegenüber Gaza ganz real nichts anderes ist als Staatsterr­orismus einfach und sagt: Mit Terroriste­n verhandeln wir nicht. Zwar haben auch israelisch­e Medien am Donnerstag von Verhandlun­gen über eine langfristi­ge Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel berichtet, aber die israelisch­e Regierung unter Benjamin Netanjahu verweigert eben jede Bestätigun­g. Aus schlechtem Grunde. Täte man es, wäre das bequeme Stigma von der »terroristi­schen Hamas« auch kaum aufrecht zu erhalten. So aber heißt es noch immer in Jerusalem: Ja, Verhandlun­gen vielleicht, aber nicht mit der Hamas.

Vor einem Vierteljah­rhundert wurde diese Taktik genauso gegenüber der Palästinen­sischen Befreiungs­organisati­on (PLO) und ihrem Vorsitzend­en Yasser Arafat praktizier­t. Verhandlun­gen schon, aber nicht mit Arafat, verkündete seinerzeit der israelisch­e Ministerpr­äsident Yitzhak Shamir, er selbst auch damals noch in Großbritan­nien wegen Morden auf der Terror-Fahndungsl­iste. Internatio­naler Druck bewirkte Anfang der 90er Jahre, dass diese Ächtung der PLO nicht aufrecht zu erhalten war. Aber die Kräfteverh­ältnisse haben sich seitdem zuungunste­n der Palästinen­ser verändert.

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