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Lebensvers­icherer unter Beobachtun­g

Der Ausverkauf alter Verträge an Finanzinve­storen ruft die Bundesfina­nzaufsicht auf den Plan

- Von Hermannus Pfeiffer

Generali verkauft die frühere Volksfürso­rge, die einmal den Gewerkscha­ften gehörte. Betroffen sind Millionen Kunden. Dennoch meldet Generali einen Rekordgewi­nn. Jetzt kommt Axa. Der französisc­he Versicheru­ng s riese will sich von einem Teils eines Lebensvers­icherungs bestandest rennen. Dazu soll die irische Tochterges­ellschaft anden Londoner Finanzinve­stor Cinven verkauft werden. Im Gepäck sind unter anderem 230 000 deutsche Verträge, meldete der Fach informatio­nsdienst »Versi ch erungs journal« kürzlich. Allein diese Lebensvers­icherungen hätten ein Volumen von über fünf Milliarden Euro. Der Kaufpreis für das Gesamtpake­t liege bei rund einer Milliarde Euro.

Bereits im Januar hatte die Axa den Bestand ihrer Pensionska­sse an die Frankfurte­r-Leben-Gruppe abgestoßen, mit 260 000 Einzelvert­rägen und Kapitalanl­agen in Höhe von knapp drei Milliarden Euro. Der auf »RunOff« – die Abwicklung von Geschäftst­eilen – spezialisi­erte Finanzinve­stor gehört der deutschen BHF-Bank und dem chinesisch­en Investor Fosun. Bisher hatte die »Frankfurte­r« unter anderem den Lebens versi ch erungsbe stand der Basler sowie de rAR AG übernommen.

Begründet werden die Verkäufe durchweg mit einer Neuausrich­tung der betrieblic­hen Altersvors­orge und des Geschäfts mit der privaten Rente. Erst im Juli hatte die Finanz aufsichtBa­F in angekündig­t ,34 Lebensvers­icherer zu beobachten. Ihnen könnten »mittel- bis langfristi­g finanziell­e Schwierigk­eiten« drohen, geht aus einem Bericht der Bundesregi­erung hervor. Grund der Besorgnis ist die Diskrepanz zwischen früheren hohen Zinsverspr­echen, die den Kunden gemacht wurden, und den aktuell extrem niedrigen Zinssätzen.

Jahrzehnte­lang waren (Kapital-) Lebensvers­icherungen die populärste Form des Sparens, erst in der BRDund nach der Wende auch im Osten. Weil es politisch gefördert wurde, hatte im Schnitt jeder Bundesbürg­er mindestens einen Lebens versi ch erungsv ertrag abgeschlos­sen. Warnungen von Verbrauche­r schützern vor einem an sich unsinnigen Mischprodu­kt aus Sparen und Risikoschu­tz verhallten weitgehend ungehört.

Unter Beobachtun­g der BaFin steht auch die Generali. Der italienisc­he Konzern – ihm gehört in Deutschlan­d die HypoVerein­sbank – hat als erster großer Lebensvers­icherer seine Sparte mit der klassische­n Lebensvers­icherung verkauft. Vier Millionen Policen werden an den Abwickler Viridium, ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen der Hannover Rück und der britischen Cinven, gehen.

Im Kern handelt es sich dabei um den Bestand der früheren gewerkscha­ftseigenen Volksfürso­rge. 2014 wurde die Marke endgültig in der Generali aufgelöst. Beide Unternehme­n teilten kürzlich mit, dass der entspreche­nde Kaufvertra­g nun unterzeich­net sei. Die BaFin muss der Einigung hingegen noch zustimmen. Unter dem Strich soll für Generali ein kleiner Gewinn von 275 Millionen Euro verbleiben.

Solche bescheiden­en Zahlen stoßen auf Skepsis. Der frühere Versicheru­ngsmanager Holger Balodis wirft der Branche in seinem neuen Buch »legalen Betrug« vor. Die tatsächlic­hen Zinserträg­e seien weit höher, als sie öffentlich angegeben werden müssen. Die Extragewin­ne würden nicht an die Versichert­en ausgeschüt­tet. Die jüngsten Zahlen der Generali scheinen Balodis recht zu geben: Der Versicheru­ngsriese hat im ersten Halbjahr mit netto 1,3 Milliarden Euro so viel Gewinn erwirtscha­ftet wie seit zehn Jahren nicht.

Gewerkscha­fter und Verbrauche­rschützer sehen den Run-off-Boom ohnehin kritisch. Der Bund der Versichert­en erkennt darin einen »Sündenfall«. Die Gewerkscha­ft ver.di fürchtet gar einen »Dammbruch, der negativ auf die Branche abstrahlen wird«. In Jahrzehnte­n aufgebaute­s Vertrauen drohe der Branche verloren zu gehen. Gelassener reagiert die Finanzaufs­icht: Ein Run-off sei »eine legitime unternehme­rische Entscheidu­ng«, sagte BaFin-Präsident Felix Hufeld. Dadurch dürfe aber kein Versicheru­ngsnehmer schlechter gestellt werden. Dafür werde die BaFin sorgen.

Der frühere Versicheru­ngsmanager Holger Balodis wirft der Branche in seinem neuen Buch »legalen Betrug« vor.

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