Kamera läuft
Private Überwachung im öffentlichen Raum ist umfangreich – und manchmal nicht legal
Die gesetzlichen Regelungen für private Überwachungskameras sind streng. Dennoch filmen Tausende Objektive täglich das Leben in der Metropole. Die Beschwerde war erfolgreich, der Getränkemarkt stellt die Videoüberwachung ein. Vor einiger Zeit entdeckte Constantin Hanov-Blum, dass die Überwachungskamera eines Getränkemarkts Teile des Gehsteigs und Radwegs vor dem Eingangsbereich filmte, selbst außerhalb der Öffnungszeiten. »Niemand wusste das, mir fiel das erst ein Jahr nachdem ich in die Gegend gezogen war auf«, sagt Hanov-Blum. Als Informatiker und Unternehmer kennt er sich mit Überwachung aus und möchte, dass seine Daten geschützt bleiben. Zunächst wandte er sich an die Firma. Als die nicht reagierte, schrieb er der Berliner Datenschutzbeauftragten Maja Smoltczyk. Vor Kurzem wurde ihm dann mitgeteilt, dass nach Abwägung seiner »berechtigten Interessen und der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen«, der Getränkemarkt die Kameraüberwachung im Außenbereich bis auf weiteres aufgibt, heißt es in einem Brief der Landesdatenschutzbeauftragten.
»Der Bereich private Videoüberwachung gehört bereits seit Jahren zu den eingabenstärksten unserer Behörde«, sagt Dalia Kues, Pressesprecherin der Berliner Datenschutzbeauftragten. Eine Statistik über derartige Beschwerden und unzulässige Datenverarbeitungen im Zusammenhang mit privat betriebenen Kameras wird bei der unabhängigen Stelle aber nicht geführt. Wie viele Eingaben es gebe oder welcher Anteil davon positiv beschieden wurde, lässt sich nicht sagen. »Da die Videoüberwachung regelmäßig einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der von derartigen Maßnahmen Betroffenen darstellt, sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen, die von einem Kamerabetreiber erfüllt werden müssen, sehr hoch«, betont Kues.
In der Checkliste Videoüberwachung der Berliner Datenschutzbeauftragten kann man die Anforderungen und rechtlichen Rahmenbedingungen genauer nachlesen. Videoüberwachung ist zunächst prinzipiell »rechtfertigungsbedürftig«. Für ihren Einsatz muss stets zwischen der Wahrung berechtigter Interessen und Grundrechten betroffener Personen abgewogen werden. Das Interesse muss eindeutig gefasst sein und sich mit einer konkreten Sachlage begründen lassen. »Dafür braucht es konkrete Tatsachen, aus denen sich eine Gefährdung ergibt, zum Beispiel. Beschädigungen oder besondere Vorkommnisse in der Vergangenheit«, so die Checkliste. Der Kameraeinsatz muss also zweckgerichtet sein.
Daneben gelten Speicherfristen bei Aufzeichnungen und datenschutzrechtliche Standards wie Datensparsamkeit, Transparenz und Datensicherheit. Hanov-Blum geht davon aus, dass bei Gewerbetreibenden oft niemand »eine Datenschutzabwägung getroffen oder über die rechtlichen Konsequenzen von Kameraüberwachung nachgedacht hat«.
Dennoch werden unzählige Überwachungskameras privat betrieben – und es gibt kaum systematisches Wissen dazu. Kameras sind nicht meldepflichtig und werden zudem immer günstiger. Niemand weiß, wie viele davon in Berlin im Einsatz sind.
Die Webseite »Surveillance under surveillance« (Überwachung unter Überwachung) listet auf der Basis einer sogenannten Open Street Map private und staatlich betriebene Kameras und Informationen dazu auf. Für Berlin verzeichnet das Projekt, zu dem jede*r beitragen kann, bis jetzt etwa 1500 Kameras. Die Zahlen sagen aber nicht unbedingt etwas über die tatsächliche Kameradichte in einer Stadt aus, denn alleine in U-Bahnhöfen betreibt die BVG rund 3000 Kameras.
Während bei polizeilicher Überwachung oder an Bahnhöfen wenigstens öffentliche Diskussionen darüber geführt werden können, ist das bei privaten Kameras kaum möglich, wenn nicht einmal bekannt ist, wo welche installiert sind. »Das Problem mit privaten Kameras, zum Beispiel vom Späti nebenan, dessen Kamera auf die Straße filmt, ist, dass unklar ist, ob und wer Daten erhebt und speichert und wo diese Daten landen«, sagt Fiona Flauderer vom Seminar für angewandte Unsicherheit. Die Gruppe setzt sich gegen ein Volksbegehren zur Videoüberwachung ein (siehe Kasten). »Ein weiteres Problem der eben genannten Späti-Kamera ist, dass darüber auch die Mitarbeiter*innen am Arbeitsplatz überwacht werden und häufig nicht darüber informiert sind«, sagt Flauderer. Auch die Polizei kann gespeicherte Bilder privater Kameras anfordern und diese zur Strafverfolgung auswerten. Den Beschwerdeweg über die Datenschutzbeauftragte findet die Aktivistin gut, gibt allerdings zu bedenken, dass diese »für die Regulation des Kameraeinsatzes zuständig ist, nicht für seine Abschaffung«.
Laut einer Umfrage findet die Mehrheit der Berliner*innen Überwachungskameras im öffentlichen Raum gut. Aktivistin Flauderer gibt zu bedenken, dass es für ein umfassendes Verständnis »nötig ist, sich zu vergegenwärtigen, dass es im Kapitalismus viele gute Gründe für Überwachung gibt: Die Sicherung des Privateigentums sowie der Produktivität der Arbeitenden oder die Kontrolle von Erwerbslosen«.