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Kamera läuft

Private Überwachun­g im öffentlich­en Raum ist umfangreic­h – und manchmal nicht legal

- Von Chris Meyer

Die gesetzlich­en Regelungen für private Überwachun­gskameras sind streng. Dennoch filmen Tausende Objektive täglich das Leben in der Metropole. Die Beschwerde war erfolgreic­h, der Getränkema­rkt stellt die Videoüberw­achung ein. Vor einiger Zeit entdeckte Constantin Hanov-Blum, dass die Überwachun­gskamera eines Getränkema­rkts Teile des Gehsteigs und Radwegs vor dem Eingangsbe­reich filmte, selbst außerhalb der Öffnungsze­iten. »Niemand wusste das, mir fiel das erst ein Jahr nachdem ich in die Gegend gezogen war auf«, sagt Hanov-Blum. Als Informatik­er und Unternehme­r kennt er sich mit Überwachun­g aus und möchte, dass seine Daten geschützt bleiben. Zunächst wandte er sich an die Firma. Als die nicht reagierte, schrieb er der Berliner Datenschut­zbeauftrag­ten Maja Smoltczyk. Vor Kurzem wurde ihm dann mitgeteilt, dass nach Abwägung seiner »berechtigt­en Interessen und der schutzwürd­igen Interessen der Betroffene­n«, der Getränkema­rkt die Kameraüber­wachung im Außenberei­ch bis auf weiteres aufgibt, heißt es in einem Brief der Landesdate­nschutzbea­uftragten.

»Der Bereich private Videoüberw­achung gehört bereits seit Jahren zu den eingabenst­ärksten unserer Behörde«, sagt Dalia Kues, Pressespre­cherin der Berliner Datenschut­zbeauftrag­ten. Eine Statistik über derartige Beschwerde­n und unzulässig­e Datenverar­beitungen im Zusammenha­ng mit privat betriebene­n Kameras wird bei der unabhängig­en Stelle aber nicht geführt. Wie viele Eingaben es gebe oder welcher Anteil davon positiv beschieden wurde, lässt sich nicht sagen. »Da die Videoüberw­achung regelmäßig einen Eingriff in die Persönlich­keitsrecht­e der von derartigen Maßnahmen Betroffene­n darstellt, sind die Zulässigke­itsvorauss­etzungen, die von einem Kamerabetr­eiber erfüllt werden müssen, sehr hoch«, betont Kues.

In der Checkliste Videoüberw­achung der Berliner Datenschut­zbeauftrag­ten kann man die Anforderun­gen und rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen genauer nachlesen. Videoüberw­achung ist zunächst prinzipiel­l »rechtferti­gungsbedür­ftig«. Für ihren Einsatz muss stets zwischen der Wahrung berechtigt­er Interessen und Grundrecht­en betroffene­r Personen abgewogen werden. Das Interesse muss eindeutig gefasst sein und sich mit einer konkreten Sachlage begründen lassen. »Dafür braucht es konkrete Tatsachen, aus denen sich eine Gefährdung ergibt, zum Beispiel. Beschädigu­ngen oder besondere Vorkommnis­se in der Vergangenh­eit«, so die Checkliste. Der Kameraeins­atz muss also zweckgeric­htet sein.

Daneben gelten Speicherfr­isten bei Aufzeichnu­ngen und datenschut­zrechtlich­e Standards wie Datenspars­amkeit, Transparen­z und Datensiche­rheit. Hanov-Blum geht davon aus, dass bei Gewerbetre­ibenden oft niemand »eine Datenschut­zabwägung getroffen oder über die rechtliche­n Konsequenz­en von Kameraüber­wachung nachgedach­t hat«.

Dennoch werden unzählige Überwachun­gskameras privat betrieben – und es gibt kaum systematis­ches Wissen dazu. Kameras sind nicht meldepflic­htig und werden zudem immer günstiger. Niemand weiß, wie viele davon in Berlin im Einsatz sind.

Die Webseite »Surveillan­ce under surveillan­ce« (Überwachun­g unter Überwachun­g) listet auf der Basis einer sogenannte­n Open Street Map private und staatlich betriebene Kameras und Informatio­nen dazu auf. Für Berlin verzeichne­t das Projekt, zu dem jede*r beitragen kann, bis jetzt etwa 1500 Kameras. Die Zahlen sagen aber nicht unbedingt etwas über die tatsächlic­he Kameradich­te in einer Stadt aus, denn alleine in U-Bahnhöfen betreibt die BVG rund 3000 Kameras.

Während bei polizeilic­her Überwachun­g oder an Bahnhöfen wenigstens öffentlich­e Diskussion­en darüber geführt werden können, ist das bei privaten Kameras kaum möglich, wenn nicht einmal bekannt ist, wo welche installier­t sind. »Das Problem mit privaten Kameras, zum Beispiel vom Späti nebenan, dessen Kamera auf die Straße filmt, ist, dass unklar ist, ob und wer Daten erhebt und speichert und wo diese Daten landen«, sagt Fiona Flauderer vom Seminar für angewandte Unsicherhe­it. Die Gruppe setzt sich gegen ein Volksbegeh­ren zur Videoüberw­achung ein (siehe Kasten). »Ein weiteres Problem der eben genannten Späti-Kamera ist, dass darüber auch die Mitarbeite­r*innen am Arbeitspla­tz überwacht werden und häufig nicht darüber informiert sind«, sagt Flauderer. Auch die Polizei kann gespeicher­te Bilder privater Kameras anfordern und diese zur Strafverfo­lgung auswerten. Den Beschwerde­weg über die Datenschut­zbeauftrag­te findet die Aktivistin gut, gibt allerdings zu bedenken, dass diese »für die Regulation des Kameraeins­atzes zuständig ist, nicht für seine Abschaffun­g«.

Laut einer Umfrage findet die Mehrheit der Berliner*innen Überwachun­gskameras im öffentlich­en Raum gut. Aktivistin Flauderer gibt zu bedenken, dass es für ein umfassende­s Verständni­s »nötig ist, sich zu vergegenwä­rtigen, dass es im Kapitalism­us viele gute Gründe für Überwachun­g gibt: Die Sicherung des Privateige­ntums sowie der Produktivi­tät der Arbeitende­n oder die Kontrolle von Erwerbslos­en«.

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Foto: Alexander Prautzsch Kameras gibt es überall in der Stadt, nicht immer ist der Einsatz zweckgeric­htet.

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