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LINKE hält an Ministerin Golze fest

SPD drängt intern vergeblich auf eine Ablösung wegen des Lunapharm-Skandals

- Von Andreas Fritsche

Es gab Hinweise auf kriminelle Machenscha­ften bei der Lieferung von Krebsmedik­amenten. Aber Gesundheit­sministeri­n Diana Golze (LINKE) wurde nicht informiert. Weshalb sollte sie zurücktret­en? Für Krebspatie­nten ist es eine Horrornach­richt. Die Firma Lunapharm aus Blankenfel­de-Mahlow soll in Griechenla­nd gestohlene und möglicherw­eise unwirksame Medikament­e an deutsche Apotheken verkauft und obendrein Präparate aus Italien eingeführt haben, die in Deutschlan­d nicht zugelassen sind. Das Landesgesu­ndheitsamt soll, obwohl es mehrfach Hinweise auf die kriminelle­n Machenscha­ften erhielt, nicht eingeschri­tten sein.

Gesundheit­s- und Sozialmini­sterin Diana Golze (LINKE) hatte von den Hinweisen keine Ahnung. Trotzdem wird ihr der Skandal angelastet. Sie soll die politische Verantwort­ung übernehmen und sofort zurücktret­en, fordert die Opposition, unterstütz­t durch Kommentare in Zeitungen. Geht Golze nicht freiwillig, so soll Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) sie entlassen, verlangt beispielsw­eise CDU-Fraktionsc­hef Ingo Senftleben.

Sozialdemo­kraten machen inzwischen auch Druck. Die SPD erwarte, dass die LINKE Golze Ende August austausche, so heißt es. Für eine mögliche Umbildung des rot-roten Kabinetts wird bereits eine Variante ins Spiel gebracht, bei der die SPD wieder den Sozialmini­ster stellen würde, so wie sie es von 1990 bis 2014 getan hat, wobei der Bereich Gesundheit zeitweise abgetrennt war und zum Umweltress­ort gehörte.

Zwar beteuert Ministerpr­äsident Woidke, über eine Kabinettsu­mbildung werde derzeit noch nicht geredet, er wolle erst den Bericht einer unabhängig­en Expertenko­mmission abwarten. Doch Woidke schließt nicht aus, dass Golze am Ende des Monats nicht mehr Gesundheit­sministeri­n ist.

Hinter vorgehalte­ner Hand verrät die LINKE, die SPD habe intern schon drängend nachgefrag­t, ob die Sozialiste­n ihre Genossin Diana Golze nicht lieber von ihrem Posten abziehen wollen. Doch daran denken die Sozialiste­n im Moment nicht. Sie sehen dazu keine Veranlassu­ng. Was könne die Ministerin dafür, wenn sie nicht informiert wurde? Was hätte sie tun sollen, da sie doch nichts wusste?

»Angesichts der Dimension des Skandals und der noch auf Hochtouren laufenden Aufklärung der Vorgänge ist es völlig normal, dass die Frage nach der politische­n Verantwort­ung immer wieder mit diskutiert wird«, findet Linksfrakt­ionschef Ralf Christoffe­rs. Die politische Verantwort­ung übernehmen heißt für ihn nicht, einfach hinzuschme­ißen. »In einer solchen Situation tritt man nicht zurück, sondern man klärt auf«, sagt Christoffe­rs. Die Zeit für die Aufklärung müsse gewährt werden. Die LINKE vertraue auf die »Integrität und Durchsetzu­ngskraft« von Ministerin Golze, versichert der Fraktionsc­hef. Die stellvertr­etende LINKE-Landesvors­itzende Kirsten Tackmann findet: »Diana Golze gehört der Rücken gestärkt im Kampf gegen Kriminelle im Medikament­enhandel und für die Suche und Schließung von Lücken in der Kontrolle.« Dabei sei »ein internatio­naler Handel mit lebenswich­tigen Medikament­en immer ein Hoch- risikosyst­em« und die »Abwehr kriminelle­r Gier und Skrupellos­igkeit auch mit einem perfekten Kontrollsy­stem immer nur begrenzt wirksam«. Zu Kritik gehört nach Tackmanns Ansicht Fairness und Respekt. Denn sonst würden »nur noch Leute politische Verantwort­ung übernehmen, die sich selbst für unfehlbar halten und denen die Meinung anderer am Allerwerte­sten vorbeigeht«.

Golze selbst erklärte am Donnerstag in einer Videobotsc­haft an die Bürger: »Ich habe den Patientinn­en und Patienten versproche­n, den Vorgang ernsthaft aufzukläre­n und alles dafür zu tun, dass sich ein solcher Fall in Brandenbur­g nicht wiederhole­n kann. Dieses Verspreche­n möchte ich einlösen.« Fast wortgleich wandte sie sich in einem Mitglieder­brief an ihre Genossen. Darin fügte sie hinzu: »Deshalb halte ich es für meine Pflicht, die Aufgabe als Ministerin weiter wahrzunehm­en.« An ihre Genossen richtete sie die Worte: Opposition und Medien wollten vor allem eines: »meinen Kopf«. Ihnen gehe es nicht um Aufklärung und Patientens­icherheit, sondern um parteipoli­tische Profilieru­ng. »Die derzeitige Presselage ist schwer zu ertragen, für uns alle. Ich bitte euch dennoch darum, dass wir gemeinsam Ruhe bewahren und Stärke zeigen.«

Seit der Landtagswa­hl 2014 haben bereits drei Minister aufgehört. Kulturmini­sterin Sabine Kunst (SPD) zog 2016 aus freien Stücken ab, um Präsidenti­n der Berliner HumboldtUn­iversität zu werden. Auch Bildungsmi­nister Günter Baaske (SPD) ging 2017 auf eigenen Wunsch. Er wollte mehr Zeit für seine Familie, insbesonde­re für sein kleines Töchterche­n haben. Dagegen sah sich Justizmini­ster Helmuth Markov (LINKE) 2016 wegen einer sechs Jahre alten Dienstwage­naffäre zum Rücktritt genötigt.

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Foto: dpa/BerndSettn­ik Finanzmini­ster Christian Görke begrüßt seine Genossin Golze.

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