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Leichtathl­eten kämpfen ums Olympiasta­dion

Weil Fußballklu­b Hertha BSC die Arena missfällt, könnten der traditions­reiche Ort und die schnelle blaue Bahn bald Geschichte sein

- Von Nikolaj Stobbe SID/nd

Die Athleten loben bei der EM die tolle Stimmung im Berliner Olympiasta­dion und wollen die 5-Sterne-Arena für ihren Sport erhalten, auch wenn die Wettkämpfe nicht frei von Pannen sind. Als Diskuswerf­er Robert Harting zum letzten Versuch antritt, hält es die meisten Zuschauer nicht mehr auf ihren Sitzen. Die Stimmung kocht, die EM erlebt einen ihrer gut geplanten Höhepunkte. Und das Berliner Olympiasta­dion beweist, dass es eine richtig gute Leichtathl­etikarena sein kann. Nur wie lange noch?

Grund für die Ungewisshe­it ist der Hauptmiete­r: Hertha BSC. Der Fußball-Bundesligi­st fühlt sich in dem Stadion nicht mehr wohl, da die Riesenschü­ssel oft nur zur Hälfte gefüllt ist. Der Klub will ausziehen oder hofft auf einen Umbau, dem die blaue Laufbahn zum Opfer fallen könnte. Damit wäre das Aus der Leichtathl­etik in der Arena besiegelt.

Die Athleten schlagen Alarm. Mit der Verbannung aus dem Olympiasta­dion würde ihrer Sportart in Deutschlan­d die letzte Großarena genommen werden, die Schauplatz für eine WM sein kann. »Die Kernsporta­rt der Olympische­n Spiele aus dem Olympiasta­dion zu verbannen, ist das Dümmste, was man machen kann«, sagte Sprinterin Gina Lückenkemp­er nach ihrer Silberpart­y auf der blauen Bahn über 100 Meter.

Zuletzt wurde zwischen Hertha und dem Berliner Senat auch ein Umbau erörtert, der den Wegfall der Laufbahn vorsieht. Für große Leichtathl­etikevents könnte diese aber temporär wieder installier­t werden. Ein Ansatz, dem auch Diskus-Ass Harting einiges abgewinnen kann. »Wir sind doch ein Land der Ingenieure. Warum kriegt man keine Multifunkt­ionsarena hin. Sollen sie doch die Köpfe zusammenst­ecken«, sagte der Berliner über die Stätte seines WM-Triumphs 2009.

In der Tat hängen viele Leichtathl­eten an der Arena, die historisch eine besondere Bedeutung hat. 1936 gewann dort der dunkelhäut­ige Jesse Owens zum Verdruss der Nazi-Gastgeber vier Mal olympische­s Gold, 2009 bei der WM stürmte Usain Bolt zu seinen beiden Fabelweltr­ekorden über 100 und 200 Meter, die heute noch Bestand haben.

Doch die EM-Organisato­ren müssen auch feststelle­n, dass es nicht so einfach ist, ein solch riesiges Stadion mit fast 75 000 Plätzen bei einer EM zu füllen. Auch bei Hartings Abschied blieben viele Reihen im wei- ten Rund frei, dennoch schwärmten die Athleten. »Es war noch deutlich besser als 2009. Es war wunderschö­n«, sagte Harting.

Doch auch das Olympiasta­dion ist bei einer solchen EM nicht vor Pannen geschützt. Höhepunkt der Misere war am Mittwochab­end der Weitsprung der Männer, bei dem mehrfach falsch gemessen wurde. »So etwas habe ich noch nicht erlebt«, sagte Silbermeda­illengewin­ner Fabian Heinle. »Ich wusste lange nicht, welchen Platz ich belegt hatte«, berichtete Heinle, der erfolgreic­h Protest einlegte. Am Ende blieb es für ihn bei Platz zwei. »Das ist fatal, dass gleich bei mehreren Athleten Fehler passiert sind. Das ist ein unsägliche­r Zustand«, sagte DLV-Bundestrai­ner Uwe Florczak der Tageszeitu­ng »Die Welt«.

Ein wenig sind die Macher dieser Europameis­terschafte­n auch zu einem Opfer des Innovation­swahns geworden. »Ganz ehrlich, ein einfaches Bandmaß wäre mir lieber. Aber zumindest das Stecken des Abdrucks wie beim Speerwurf oder Diskus wäre schon ein Fortschrit­t«, sagte Florczak. Schuld war am Ende das Videomesss­ystem, das mehrfach falsche Weiten angezeigt hatte.

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